"Extra omnes” – mit diesen Worten hat am Mittwoch das Konklave begonnen. Alle Kirchenmänner, die nicht an der Papstwahl teilnehmen, mussten daraufhin die Sixtinische Kapelle verlassen. Zuvor hatten die 133 wahlberechtigten Kardinäle und die anderen Anwesenden den Hymnus "Veni creator spiritus” ("Komm, Schöpfer Geist”) angestimmt. Mit diesem gesungenen Gebet aus dem 9. Jahrhundert bittet die Kirche um das Wirken des Heiligen Geistes – in diesem Fall besonders für die bedeutende Aufgabe der Purpurträger, einen Nachfolger für den am Ostermontag verstorbenen Papst Franziskus zu wählen.

Im Vorfeld des Konklaves wurde von vielen Kardinälen betont, dass bei der Auswahl des neuen Oberhaupts der katholischen Kirche der Heilige Geist eine große Rolle spielt. Nimmt man diesen Verweis auf das Wirken des Heiligen Geistes ernst, heißt das, Gott selbst hat bei der Wahl des neuen Papstes seine Finger im Spiel.
Doch was bedeutet das? Der Theologe Michael Böhnke warnt davor, das Wirken des Heiligen Geistes im Konklave als etwas "Magisches” misszuverstehen. "Die Kardinäle wählen als Menschen eigenverantwortlich den neuen Papst und sind dabei keine Marionetten des Geistes”, sagt der emeritierte Wuppertaler Dogmatik-Professor. Es sei jedoch entscheidend, in welchem Geist sie dies tun, so Böhnke.
"Konklave kein säkularer Wahlakt"
"Mit Blick auf das Konklave ist das ein Geist der wachsenden Einmütigkeit.” Die Kirche befinde sich mit der Sedisvakanz, also dem unbesetzten Stuhl Petri, in einer Zeit der Krise. "Diese schwierige Phase überwinden die Kardinäle, indem sie einen neuen Papst wählen – und um diese Aufgabe zu meistern, vergewissern sie sich durch die Anrufung des Heiligen Geistes der Treue Gottes.”

Um sich auf diese Zusage fokussieren und für Gott öffnen zu können, sind die Kardinäle während des Konklaves von der Außenwelt abgeschottet. "Die Papstwahl ist nun einmal nicht einfach ein säkularer Wahlakt, sondern eine liturgische Versammlung”, ruft Böhnke in Erinnerung. Durch die Gebete und Litaneien vor dem Einschluss in der Sixtinischen Kapelle werde den Wählern vor Augen geführt, dass die Wahl des neuen Papstes ein geistliches Geschehen sei, also über die sichtbare Welt hinausweise.
Der Theologe vergleicht diese Atmosphäre, den "Geist des Konklaves” mit dem Sport: "Wenn Fußballspielerinnen und Fußballspieler den Platz betreten, dann wissen sie, was der Geist des Spiels ist – etwa, dass Fairness beim Fußball eine wichtige Rolle spielt.” Beim Konklave sei dieser "Spirit of the Game” die Suche nach einer wachsenden Einheit in der Kirche, in der der neue Bischof von Rom gewählt werde.
Nicht immer wirkt der Heilige Geist
Doch für den Theologen, der mehrere Bücher zur Pneumatologie – also dem dogmatischen Traktat über den Heiligen Geist – verfasst hat, ist auch klar: Selbst beim Konklave kann Foul gespielt werden. "Papst Benedikt XVI. hat einmal gesagt, dass beim Konklave nicht immer der Geist wirkt”, so Böhnke. "Daher muss man vorsichtig sein, wenn man vom Wirken des Heiligen Geistes spricht.” Gott lasse den Menschen die Freiheit, sich von seinem Geist inspirieren zu lassen. Außerdem könne der Heilige Geist vorgeschoben werden, um eigene Interessen zu verdecken oder zu rechtfertigen.

Ein Blick in die Geschichte der Papstwahlen zeigt schließlich, dass das Konklave nicht nur dem Zweck dient, dem Geist Gottes Raum zu geben, sondern vielmehr aus einer historischen Notwendigkeit heraus entstanden ist: Das erste Konklave fand 1241 statt und die zwölf wahlberechtigten Kardinäle waren untereinander zerstritten.
Sie wurden in Rom unter sehr einfachen Bedingungen eingeschlossen, um sich nach tagelanger Uneinigkeit auf einen Kandidaten zu einigen. Nach 60 Tagen im Konklave wurde schließlich Coelestin IV. zum Papst gewählt. Im Lauf der Geschichte setzte sich diese Form der Papstwahl durch, denn sie führte einerseits zu einer raschen Einigung auf einen Nachfolger und schirmte die Kardinäle andererseits von politischen und familiären Einflüssen von außen ab.
Gewissen als wichtige Instanz bei Papstwahl
In dieser Situation könne der Heilige Geist den Kardinälen ein gute Orientierung für ihre Entscheidung bieten, so Böhnke. Eine wichtige Instanz ist dabei das persönliche Gewissen. Die Kardinäle versprechen beim Konklave, denjenigen zum Papst zu wählen, von dem sie denken, dass es Gottes Wille sei, dass er gewählt wird.
Für Kardinal Walter Kasper, der nicht mehr zum Kreis der Papstwähler zählt, aber an früheren Konklaven teilgenommen hat, ist das Gewissen zentral für das Geistwirken: "Der Heilige Geist wird sichtbar durch das Gewissen”, sagte der emeritierte Kurienkardinal im Interview mit DOMRADIO.DE Ende April. Die beeindruckende Darstellung des Jüngsten Gerichts in der Sixtina erinnere permanent an die Gewissensentscheidung: "Da muss man irgendwann mal Rechenschaft ablegen”, so Kasper.

Heute wählen die Kardinäle einen neuen Papst ausschließlich in geheimer Abstimmung. Im Mittelalter kam es jedoch vor, dass der Nachfolger Petri auch durch Akklamation bestimmt wurde, also die gemeinsame Ausrufung eines Namens durch alle Kardinäle. Das wurde als Wirken des Heiligen Geistes gesehen, ist aber seit der Reform des Konklaves 1996 durch Johannes Paul II. nicht mehr möglich – ohnehin wurde mit Gregor XV. im Jahr 1621 das letzte Mal auf diese Weise ein Papst bestimmt. Für Böhnke ist eine solche Anpassung der Regeln kein Hindernis für den Geist des Konklaves. "Man kann im Sport oder der Politik sehr strenge Regeln haben, aber trotzdem den Geist der Fairness oder der Freundschaft am Werk sehen.”
Auch in einem wechselnden Abstimmungsverhalten in den verschiedenen Wahlgängen könne der Geist der wachsenden Einmütigkeit des Konklaves wirken, so der Theologe. Die Kardinäle seien auf den Prozess der Wahl ausgerichtet und wüssten, dass sie nicht auf ihrem Kandidaten beharren müssen. Sie könnten durchaus sagen: "Wir schauen mal, wohin uns die Abstimmung in den kommenden vier, fünf oder sechs Wahlgängen führt.” Darin könnte sich der Heilige Geist zeigen, ist Böhnke überzeugt – jedenfalls solange sich die Kardinäle auf sein Wirken einlassen.