Theologe Beinert über die Weihe der Menschheit an Maria 1942

"Verhaftet in ihrer Zeit"

Am 31. Oktober 1942 hat Papst Pius XII. die ganze Menschheit dem Unbefleckten Herzen Mariens geweiht. Was es mit dieser Weihe auf sich hatte und warum das Thema heute schwer verständlich erscheint, erklärt der Theologe Wolfgang Beinert.

Marien-Statue in München / © Peter Kneffel (dpa)
Marien-Statue in München / © Peter Kneffel ( dpa )

Katholische Nachrichten-Agentur (KNA): Professor Beinert, wie kam es zu der Weihe am 31. Oktober 1942?

Wolfgang Beinert (emeritierter Ordinarius für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Universität Regensburg): Im Jahr 1942 wurde das 25-Jahr-Jubiläum der Erscheinungen von Fatima begangen. Und in den Botschaften der Gottesmutter an die Seherkinder spielt das Thema dieser Weihe eine wichtige Rolle. Noch entscheidender aber war die weltpolitische Lage. Der Zweite Weltkrieg dauerte nun schon drei Jahre lang, und der Papst war erschüttert von den Berichten über Zerstörungen und Gräueltaten, auch über die Verfolgung der Juden. In dieser Situation wollte er mit der Weihe der Welt ein besonderes Zeichen setzen.

KNA: Schon früher wurden immer wieder Länder der Gottesmutter geweiht. Hatte die Weihe von 1942 eine andere Qualität?

Beinert: Um diese Frage zu beantworten, muss man erst einmal erklären, was eine Weihe eigentlich ist. Das Wort stammt vom althochdeutschen Verb wihen, das "heiligen" bedeutet. Wir finden den Wortstamm heute noch im Begriff "Weihnacht" - also eigentlich "heilige Nacht". Wenn etwas oder jemand geweiht wird, dann bedeutet das, dass seine Zugehörigkeit zu Gott hervorgehoben wird. Gott ist Schöpfer aller Dinge und aller Menschen, also gehört ihm letztlich alles auf dieser Welt. Der Akt der Weihe macht dies noch einmal deutlich. Die Idee der katholischen Heiligenverehrung macht es nun möglich, diese Weihe zu personalisieren, indem man etwas oder jemand einem Heiligen weiht, also einem Menschen, der Gott in einer besonderen Weise nahe war.

KNA: Doch zurück zur Weihe von 1942. Hatte diese nun eine besondere Qualität?

Beinert: Nein. Gott ist der Schöpfer dieser Welt, und das wird durch diese Weihe noch einmal betont - personalisiert in der Figur der Gottesmutter getreu dem alten Slogan der Marienverehrung "Durch Maria zu Jesus".

KNA: Und was hat es mit dem "Unbefleckten Herzen" auf sich?

Beinert: Das Herz ist in unserer metaphorischen Sprache der Sitz der Persönlichkeit. Verliebte sagen: "Ich schenke dir mein ganzes Herz." Und unbefleckt ist dieses Herz, weil Maria nach katholischer Vorstellung ohne Sünde empfangen wurde.

KNA: Die Idee einer Weihe der Welt an das Unbefleckte Herz Mariens erscheint uns heute eher befremdlich..

Beinert: In der Tat erscheint ein solcher Weiheakt heute kaum noch zeitgemäß. Er wurzelt ja auch in Vorstellungswelten, die uns heute fremd sind. Zum einen ist da das Lehenswesen des Mittelalters zu nennen, mit seinem speziellen Verhältnis von Abhängigkeit und Treue, zum anderen die marianische Frömmigkeit, wie sie sich seit dem 17. Jahrhundert entwickelt hat. Das heißt nicht, dass so eine Weihe nicht legitim wäre. Aber sie ist heute nur noch schwer vermittelbar.

KNA: Dennoch wurde die Weihe immer wieder erneuert, unter anderem 1984 und 2000 durch Papst Johannes Paul II., kürzlich auch von Papst Franziskus. Warum?

Beinert: Die Päpste stellen sich hier in eine Frömmigkeitstradition. Und von Johannes Paul II. ist ja bekannt, dass er ein großer Marienverehrer war.

KNA: Im Nachgang der Weihe von 1942 wurden etliche Länder dem Unbefleckten Herzen Mariens geweiht, darunter 1954 auch Deutschland. Warum weiht man einzelne Länder, wo doch die ganze Welt schon geweiht ist?

Beinert: Diese Frage ist durchaus berechtigt. Folgt man den Gesetzen der Logik, dann waren diese Länderweihen in der Tat nicht mehr nötig. Andererseits schadet es auch nicht, bestimmte Dinge immer wieder einmal zu betonen. Man kann aber noch etwas anderes gegen diese Weihen einwenden: Letztlich verfügt man ja damit über Menschen. Wer sagt denn, dass alle Deutschen Maria geweiht werden wollen?

KNA: Aus eher konservativen kirchlichen Kreisen kommen immer wieder Forderungen, solche Länderweihen heutzutage zu wiederholen. Welcher Gedanke steht hier dahinter?

Beinert: Sie sagen es ja, die Forderung kommt aus konservativen Kreisen, also von Menschen, die alten Frömmigkeitsformen verhaftet sind. Das ist durchaus legitim. Die Freiheit des Christenmenschen ist ein hohes Gut im Christentum. Nur sollte man diese Frömmigkeitsformen nicht anderen Menschen aufdrängen.

Um ein anderes Beispiel zu nennen: Früher haben sich Menschen selbst gegeißelt und so ihrer Frömmigkeit Ausdruck verliehen. Das würde heute auch niemand mehr tun. Natürlich sind die Lebensäußerungen der Kirche von Gott getragen, aber sie sind auch verhaftet in ihrer jeweiligen Zeit. Und so ist das eben auch mit diesen Weihen.

Das Interview führte Andreas Laska.


Quelle:
KNA