Tausende Menschen kommen in Ludwigshafen zu bewegender Trauerfeier für die Brandopfer zusammen

Trauernde Spielkameraden

Tausende Menschen überwiegend türkischer Herkunft haben am Sonntag mit einer bewegenden Trauerfeier Abschied von den Opfern der Brandkatastrophe in Ludwigshafen genommen. "Wir sind mit über zehn Leuten hierher gekommen", erzählt ein Mainzer Familienvater, der vor 44 Jahren in Anatolien geboren wurde. "Seit 30 Jahren lebe ich in Deutschland und habe viele Freunde und Verwandte in Ludwigshafen", fügt der Mann hinzu. Von den neun Opfern des verheerenden Wohnhausbrandes kannte er aber niemanden.

Autor/in:
Stefan Höhle
 (DR)

Für alle sichtbar stehen die neun großen und kleinen Särge in einer Reihe vor der Rednertribüne, die genau gegenüber der Brandruine am Danziger Platz errichtet wurde. Schon vor dem offiziellen Beginn der interreligiösen Trauerfeier um 12.30 Uhr haben sich mehr als 4000 Menschen eingefunden. Und wer aus der Menge heraus doch keinen Blick auf die mit türkischen Flaggen geschmückten Särge werfen kann, klettert eine Böschung herauf, steigt auf einen Container oder die Schultern eines Freundes.
Viele, vor allem die Jüngsten unter den Trauernden, haben sich kleine Fotos von den in den Flammen umgekommenen fünf Kindern an die Kleidung gesteckt. Deren Spielkameraden sind alle gekommen, zusammen mit ihren Eltern. Dass die Opfer alevitischen Glaubens waren, ist für niemanden hier ein Thema. "In unserer Heimat wird über solche Unterschiede mehr diskutiert", sagt die 19-jährige Ludwigshafener Abiturientin Aydan. In Deutschland lebende Türken interessierten sich dafür kaum - "meistens jedenfalls".
An einer von Aleviten - die sich wie alle Moslems zu Allah bekennen - organisierten Trauerfeier hat auch Aydan noch nie teilgenommen. Die von der betroffenen Großfamilie und der alevitischen Gemeinde der Region veranstaltete Abschiedszeremonie sollte allerdings ausdrücklich "interreligiös" gehalten sein. Erst das letzte Wort, das abschließende gemeinsame Gebet, war zwei alevitischen Geistlichen vorbehalten.
Zuvor treten ein evangelischer Pfarrer, ein katholischer Priester und ein jüdischer Rabbi ans Rednerpult und überbringen den Trauernden das Mitgefühl ihrer jeweiligen Gemeinden. Der Beistand, so der gemeinsame Tenor, möge die Trauerfeierlichkeiten überdauern. Die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Eva Lohse (CDU) spricht als Erste auf der Veranstaltung. Sie bezeichnet die Feuerkatastrophe als "schrecklichsten Brand in der Nachkriegsgeschichte" der Stadt.
Der rheinland-pfälzische Innenminister Karl Peter Bruch (SPD) sichert anschließend zu, die Entstehung des Wohnhausbrands "aufzuklären". Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, übermittelt zunächst die Beileidswünsche von Kanzlerin Angela Merkel (beide CDU) und stellt dann ebenfalls klar: "Wir wissen, dass es für Sie wichtig ist, Klarheit über die Brandursache zu haben." Und sie betont: "Das geht uns genauso."
Der türkische Staatsminister für die im Ausland lebende Türken, Mustafa Said Yazicioglu, bescheinigt der Bundesregierung die klare Absicht, die Brandursache aufzuklären. Ohne die Berichterstattung in einigen türkischen Medien ausdrücklich zu kommentieren, bemüht er sich, die bewegende Stimmung auf der Trauerfeier zu unterstützen. Aufklärung über die Brandursache könne den Opfern ihr Leben nicht zurückgeben, sagt er. "Aber sie kann viele Sorgen besänftigen."
Diese Sorgen gibt es. Die Wörter "Mölln" und "Solingen" machen auch auf der Trauerfeier in Ludwigshafen die Runde - in den beiden Städten waren Anfang der 90er Jahre Brandanschläge auf von Türken bewohnte Häuser verübt worden. Niemand spricht die Wörter am Sonntag hasserfüllt aus, sondern ganz überwiegend mit dem Wunsch, dass die Spekulationen über einen fremdenfeindlichen Anschlag entkräftet werden können. Von diesem Wunsch werden auch die Särge begleitet, als Angehörige sie nach der Trauerfeier von Frankfurt aus mit dem Flugzeug nach Anatolien überführen.