Politiker warnen nach Brandkatastrophe in Ludwigshafen vor voreiligen Verdächtigungen

Deutsch-türkische Spannungen vor Erdogan-Besuch

Nach der Brandkatastrophe in Ludwigshafen warnen Politiker und Polizei vor voreiligen Schlüssen. Angesichts türkischer Medienberichte von einem möglichen Brandanschlag mit fremdenfeindlichem Hintergrund sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU): "Wenn man Integration will - und ich will das - dann heißt das auch, dass man die aufnehmende Gesellschaft vor falschen Verdächtigungen und Pauschalurteilen in Schutz nehmen muss."

Autor/in:
Mey Dudin
 (DR)

Der Minister fügte hinzu: "Wir fühlen uns genauso betroffen, dass neun Menschen ums Leben gekommen sind, die bei uns gelebt haben. Wir sind in unserer Betroffenheit über Todesopfer nicht von der Staatsangehörigkeit abhängig."

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU), betonte: "Es gebietet der Respekt vor den Opfern, die Ergebnisse der polizeilichen Ermittlungen abzuwarten und Vorverurteilungen zu vermeiden. Ich verstehe zwar, dass die Tragödie von Ludwigshafen Erinnerungen an den Brandanschlag von Solingen wachruft. Aber es hilft niemandem, jetzt Öl ins Feuer zu gießen."

Türkische Zeitungen hatten im Zusammenhang mit dem Hausbrand in Ludwigshafen über mögliche rechtsradikale Hintergründe berichtet und dies mit Hakenkreuz-Symbolen und Bildern von Graffiti mit ausländerfeindlichen Parolen illustriert. Auch deswegen sei es gut, dass türkische Ermittler in Ludwigshafen vor Ort seien und die Arbeit der hiesigen Polizei begleiten, sagte Polenz. "Das kann dazu beitragen, die offenkundig aufgeheizte Situation etwas abzukühlen."

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierte die Berichte ebenfalls. "Es gibt für niemanden den geringsten Anlass, der deutschen Polizei zu misstrauen", sagte GdP-Chef Konrad Freiberg. Mit Blick auf die Teilnahme türkischer Fahnder an den Ermittlungen fügte er hinzu: "Die türkischen Beamten sind Beobachter und können sich von der professionellen Arbeit unserer Polizei überzeugen."

Schäuble will die Entsendung türkischer Ermittler nach Deutschland jedoch nicht als Zeichen des Misstrauens verstanden wissen. "Ich verstehe das als den Wunsch, den in Deutschland lebenden Türken und Menschen türkischer Abstammung die zusätzliche Versicherung zu geben, dass nichts unter den Teppich gekehrt wird. Wir wissen, dass es für solche Sorgen keinen Grund gibt, aber in dem Sinne habe ich gleich gesagt, dass wir das begrüßen."

Zurückhaltung bei der Bewertung des Wohnhausbrands in Ludwigshafen mahnte derweil auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, an. Für die These, es könnte sich um einen Anschlag handeln, sei es "zu früh", sagte er. Die Berichterstattung über den Brand sei in einigen türkischsprachigen Zeitungen "über das Maß hinausgegangen".

Die aggressive Stimmung hat nach Ansicht von Kolat jedoch auch mit politischen Ereignissen der jüngeren Zeit zu tun. Das Zuwanderungsgesetz und "die Kochsche Kampagne in Hessen" würden "natürlich gleich eine Assoziation zwischen Mölln, Solingen und Ludwigshafen" auslösen, sagte er. Um so besser sei es, dass jetzt türkische Ermittler an der Aufklärung der Ludwigshafener Tragödie beteiligt würden.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wollte am Donnerstagnachmittag gemeinsam mit der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), den Ort des Wohnhausbrandes in Ludwigshafen besuchen.