domradio.de: Das erste Asylzentrum nach der Neustrukturierung in der Schweiz. Was sagen Sie zum Auftakt der Umsetzung der neuen Asylpolitik unter Führung des Bundesamtes für Migration?
Stefan Frey (Schweizer Flüchtlingshilfe): Unglücklich, um es in ein Wort zu fassen. Es ist so, dass wir nicht grundsätzlich gegen diese neuen Zentren sind, anders geht es wohl kaum in der Schweiz mit unserer Vertrauensstruktur, aber was mit der Kommunikation geschehen ist, ist wirklich eine riesen Panne, weil Dinge vorgeschrieben wurden, die rechtlich gar nicht gehen.
domradio.de: Was zum Beispiel ist mit dabei?
Frey: Dass man ganze Gruppen, die unbescholten sind und keine Delinquenz vorhanden ist, dass man sie pauschal und präventiv von der Bewegungsfreiheit abhält. Das geht gegen die Verfassung und ist auch nicht machbar. Inzwischen ist das zuständige Bundesamt zurückgekrebst und spricht jetzt nur noch von Spielregeln, weil man eingesehen hat, dass man das Verbot gar nicht einhalten kann.
domradio.de: Aber diese Zuordnung, dass jetzt meinetwegen kein Freibad, keine Bibliothek und auch keine Kirchen diese Menschen aufsuchen dürfen. Wer macht denn diese Zuordnung?
Frey: Diese Zuordnung ist Bestandteil der Vereinbarung, die der Bund mit den Standortgemeinden macht. Man will damit die Leute beruhigen und sagen "Ihr habt nichts zu befürchten von diesen fremden Menschen!", weil sie sich ja nur in ganz bestimmten Zonen bewegen können. Das halten wir für grundsätzlich falsch.
domradio.de: Warum sind die Menschen in der Schweiz so misstrauisch gegenüber Fremden? Kann man das verallgemeinern?
Frey: Man muss etwas differenzieren und sagen, es sind nicht alle Schweizer nicht a priori gegen fremde Menschen. Es gibt eine aufgeheizte Stimmung. Das Thema wird seit 20 Jahren von einer rechtsextremen Partei bewirtschaftet und ständig in die Medien gebracht. Natürlich immer nur mit negativen Vorzeichen, wenn also mal ein Asylbewerber beim Drogenhandel erwischt wird, dann wird das sofort aufgeblasen und die ganze Gemeinschaft von asylsuchenden Menschen in einen Topf geworfen. Natürlich denken nicht alle Menschen so, aber es erzeugt mit der Zeit ein Klima, das dann eben fremdenfeindlich ist und dagegen wehren wir uns. Deshalb sind wir auch gegen diese Art von Einführung von Bundeszentren, weil man so viele Menschen von vorne herein unter einen Generalverdacht stellt und das ist absolut ungerechtfertigt.
domradio.de: Flüchtende Menschen suchen Schutz und haben oft eine gefährliche und menschenunwürdige Flucht hinter sich. Darauf machen Sie ja auch aufmerksam. Sie haben gerade vom Generalverdacht gesprochen. Das bemängeln Sie auch. Nun sollen ja in allen Bundeszentren der Schweiz solche Zentren eröffnet werden. Wie wollen Sie vorsorgen, dass so etwas nicht wieder passiert?
Frey: Ich gehe mal davon aus, dass diese Panne, die da passiert ist, mit diesem ersten Bundeszentrum zum Nachdenken führen wird. Und wir hoffen sehr und werden unsere Möglichkeiten auch da einbringen, dass man das in den nächsten Bundeszentren korrigiert. Was wir wollen, ist, dass man die Leute gegenüber der lokalen Bevölkerung nicht als Verdächtige vorstellt, sondern als Menschen, die Schutz suchen bei uns und die entsprechend aufzunehmen sind. Wir wollen eine Offenheit, wir wollen, dass man eine Offenheit kommuniziert, dass man diesen Menschen gegenüber - wie das Tradition ist in der Schweiz - menschenfreundlich begegnet und sie aufnimmt als schutzsuchende Menschen, als das was sie nämlich sind. Und das hoffen wir einzubringen bei der Gestaltung von neuen Hausordnungen in neuen Zentren.
Das Interview führte Monika Weiß