"Synodenveteran" Kardinal Meisner im domradio.de-Interview

"Wir dürfen uns nicht entmutigen lassen"

Seit einer Woche tagt in Rom die Bischofssynode - bereits die zehnte für "Synodenveteran" Kardinal Meisner. Im domradio.de-Interview zieht der Kölner Erzbischof Bilanz, spricht über das Zweite Vatikanische Konzil und die Rolle der Frau in der Kirche.

 (DR)

domradio.de: An der Synode nehmen über 250 Bischöfe teil, auch Experten und Beobachter sind dabei, Haben da alle Beteiligten überhaupt die Möglichkeit, zu Wort zu kommen?

Meisner: Jeder hat die Möglichkeit, eine Intervention abzugeben. Das macht die Arbeit ein bisschen mühselig. Wir sitzen hier seit vergangener Woche und hören von früh bis abends die Interventionen - die sehr interessant sind. Aber am interessantesten sind die Sprachzirkel. Da kommen wir zur Sache. Denn wichtig ist, dass man einen Erfahrungsaustausch hat und fragt: Wie macht Ihr denn das? Die Ergebnisse aus dem Sprachzirkel aufgrund der Interventionen werden in einer Schlusserklärung zusammengetragen und den Papst übergeben. Der macht dann daraus normalerweise ein apostolisches Schreiben, das bis zu zwei Jahre später erscheint.



domradio.de: Das Thema ist der Glaubensschwund gerade in den westlichen Ländern, sicher auch in den Sprachzirkeln. Was ist Ihrer Ansicht nach heute die Ursache dafür, dass der Glaube schwindet?

Meisner: Wir müssen uns zunächst selber fragen. Wenn ich mit dem Zeigefinger auf andere zeige, zeigen drei Finger auf mich selber zurück. Wir müssen uns sehr ernst fragen: Was haben wir denn verkehrt gemacht? Ich bin ein Synodenveteran. Ich bin der, der am längsten an Synoden teilnimmt. Zehn habe ich ungefähr mitgemacht. Und seitdem ist es nicht aufwärts, sondern abwärts gegangen. Wir müssen uns vom Heiligen Geist belehren und führen lassen, wie wir das Evangelium zu verkünden haben, was uns die Apostelgeschichte für ein Modell gibt; dass wir in der Lehre der Apostel verharren, nicht der eine Hü und der andere Hott sagt; und dass wir ein Brot in der eucharistischen Gemeinschaft brechen, im Gebet und in der Gemeinschaft überhaupt. Ich bin guter Hoffnung, dass die Synode ein gutes Ergebnis haben wird.



domradio.de: Wird auch darüber, was verkehrt gemacht wurde bisher?

Meisner: Ich kann nur sagen, was ich verkehrt gemacht habe. Und das müssen Sie sich auch selber fragen. Gehen wir regelmäßig zur Beichte, dass die Sünde aus unserem Leben getilgt wird und wir Raum schaffen für den Heiligen Geist? Ich habe vor dem guten Papst Johannes Paul II. mal gefragt, ob Gott nicht den Fehler gemacht hat, seine Kirche Menschen anvertraut zu haben, und ob er sie nicht Engeln hätte anvertrauen sollen. Da sagte er: Du hast das Leben von Gott erhalten, und in Taufe, Firmung und Weihe auch den Heiligen Geist. Daraufhin fragte ich: Und was ist trotz dieser großartigen Gaben aus mir geworden. Und er: Bleib dran! Das halte ich für ganz wichtig. Die Bedingungen in den säkularen Gesellschaften sind zwar bedeutend schwieriger geworden. Aber wir dürfen uns nicht entmutigen lassen. Bleiben wir dran!



domradio.de: Alle die bei der Synode dabei sind, erhoffen sich auch Impulse durch das Konzilsjubiläum. Auch hier in Deutschland wird zurzeit viel über das Zweite Vatikanische Konzil gesprochen. Glauben Sie, dass dieses Ereignis 50 Jahre nachdem es stattfand immer noch die Strahlkraft für eine Neuevangelisierung?

Meisner: Wir müssen nur die Texte richtig erklären. Es liegt eine gewisse Tragik über dem Konzil und den Texten: Man das Konzil oft so interpretiert hat, dass es eine neue Kirche gebracht hat. Dabei haben Konzile immer versucht, die alte Kirche in die Gegenwart zu übersetzen und gegenwärtig zu machen. Was die früheren Konzile beschlossen haben, muss mit in die Gegenwart übersetzt werden. Dann wird erst die ganze Fülle, der ganze Reichtum eines Konzils deutlich. Und dann erst fangen unsere Texte an zu leuchten.



domradio.de: Eine Woche hat die Synode zur Neuevangelisierung bereits hinter sich. Von einigen Beteiligten waren auch schon selbstkritische Töne zu hören. So hat beispielsweise der Erzbischof von Brüssel angemahnt, Frauen müssen stärker in die kirchliche Arbeit eingebunden werden. Stehen auf dieser Synode Themen auf dem Programm, die beispielsweise hier in Deutschland im Dialogprozess besprochen werden?

Meisner: Kaum, mehr nebenbei. Man wird gefragt, ob das Weiheamt für die Frau in Deutschland geöffnet wird. Aber das hat der Erzbischof von Brüssel nicht gesagt. Es gibt eine charismatische Dimension. Und hier sind - gerade in der orthodoxen Theologie - die sogenannten Myronträgerinnen, d.h. die Frauen, die an das Grab Christi gingen, um den toten Leib zu salben. Und da sagt er: Hier liegt eine Dimension, ein ungeheures Missionsfeld für unsere Frauen. Denn ohne die Frauen gibt es keine Evangelisierung.



Das Gespräch führte Uta Vorbrodt.