Einen Papst "vom Ende der Welt" nannte sich Jorge Bergoglio gerne mal selbst. Einer, der weit entfernt von den Schalthebeln der Macht wirkte, ehe er selbst aus Buenos Aires rund 11.000 Flugkilometer entfernt Richtung Vatikan aufbrach, um die katholische Kirche neu zu formieren. Ein zentraler Baustein dabei: sein Heimatkontinent Lateinamerika.
Der peruanische Kardinal Pedro Barreto, zugleich Vorsitzender der Amazonas-Bischofskonferenz, die es am Tag der Wahl von Jorge Bergoglio zu Papst Franziskus noch gar nicht gab, sagte vor wenigen Tagen: "Franziskus war das größte Geschenk für den Amazonas".
Franziskus stiegt zu Art Schutzpatron auf
Gemeint ist damit, dass der Argentinier zu einer Art Schutzpatron Lateinamerikas aufstieg. Wo immer für die Umwelt, für die soziale Gerechtigkeit für die Menschen an den Rändern gekämpft wurde, war Papst Franziskus irgendwie mit dabei. Mit seiner als "Umweltenzyklika" charakterisierten Enzyklika "Laudato si", verschaffte er der Kirche eine Art neues Betriebssystem, das die Bewahrung der Schöpfung weiter ins Zentrum der Arbeit stellte.
Und weil Franziskus den Amazonas gut kannte, hat er sich besonders für die Erhaltung des für das Weltklima so bedeutsame Ökosystem eingesetzt. Kaum eine Organisation heute, die sich für den Regenwald einsetzt, verzichtet heute auf Zitate aus diesem Fundament.
Furcht ist groß
Deswegen ist die Furcht bei denen groß, die sich für die Schöpfung einsetzen, dass mit dem Tod von Franziskus auch dieses Thema wieder in den Hintergrund geraten könnte. Doch der Argentinier hat mit der Schaffung des zivilen-kirchlichen Amazonas-Netzwerkes REPAM sowie der Kirchlichen Konferenz von Amazonien CEAMA Instrumente und Institutionen auf den Weg gebracht, die genau das verhindern sollen.
Sie sollen ihre Stimme erheben gegen Ölförderung im Amazonas-Becken wie von der aktuellen brasilianischen Regierung unter der Regierung von Lula da Silva geplant. Oder andere Projekte eines neuen Öl- und Gas-Rausches quer durch alle Amazonas-Staaten mit ihren unterschiedlichen Regierungen.
Auch Sozial-Bewegungen fürchten um eine neue Leere. Argentiniens Armenpriester haben deshalb beschlossen, jedes Jahr zum Gedenken an Franziskus einen Marsch zu dessen wichtigsten Stationen seines Wirkens in Buenos Aires zu organisieren. Zu den Hospitälern, den Armenküchen, den Gefängnissen, den Schulen.
Sie konnten sich bislang auf die Rückendeckung von ganz oben verlassen, wenn sie auf die Not der Rentner, der ärmeren Bevölkerungen, der Kinder und Jugendlichen verwiesen. Doch wie wird es sein, wenn in ein paar Tagen oder Wochen ein anderer Papst, neue Schwerpunkte und neue Themen setzt. Geraten sie dann (wieder) in Vergessenheit?
Welche neuen Signale kommen nun aus Rom?
Papst Franziskus war für sie wie eine Art Schutzpatron: "Die Ärmsten, die Vergessenen, die Ausgestoßenen, die Gefangenen, die Kranken, die Großeltern, die Kinder, die Menschen auf der Straße ... sind das Vermächtnis von Franziskus", schrieben die Armenpriester in einem Abschiedsgruß. Und warten nun darauf, welche neuen Signale aus Rom kommen. Unangekündigte Telefonanrufe wie unter Franziskus üblich, der immer wieder mal seine Vertrauten in den Armenvierteln anrief, dürften es dann wohl nicht mehr geben. Sie werden auf eigenen Füßen stehen müssen.
Und noch eine Gruppe hofft darauf, dass der neue Papst den Pfad des alten Kirchenoberhauptes nicht verlässt: Das Schicksal der Migranten Lateinamerikas und Afrikas war Franziskus immer ein besonderes Anliegen. Er unterstütze kirchliche Aktivitäten in Mexiko und Zentralamerika. Flüchtlingsherbergen entlang der Route in Richtung USA zählten auf seine Hilfe. Seit einigen Wochen scheinen sie wie ausgestorben, seitdem es Bilder von brachialen Abschiebungen aus den USA in El Salvadors Hochsicherheitsgefängnis Cecot gibt.
"Es kann nicht hingenommen werden, dass das Mittelmeer zu einem großen Friedhof wird", sagte Franziskus zu Beginn seiner Amtszeit an die Europäer gewandt und wiederholte seine Aufforderung zu einer humanitären Politik auch in USA und Mexiko bei seinen Besuchen an der Grenze. Dort warten nicht nur örtliche Kirchenvertreter auf eine neue Botschaft auf Rom - und vor allem darauf wie diese ausfallen wird.