Suche nach Vermissten in Köln unterbrochen - Pfarrer übt scharfe Kritik an den Verantwortlichen

U-Bahnbau gestoppt

Nach einem Appell von Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma haben die Kölner Verkehrs-Betriebe am Dienstag einen Teil der Arbeiten beim U-Bahn-Bau eingestellt. Bei der Sondersitzung des Stadtrates wollte Schramma einen vorläufigen Baustopp für die U-Bahn beantragen. Der Oberbürgermeister sagte, er halte einen weitere Erdaushub derzeit für unverantwortlich. Derweil über der Pfarrer der benachbarten Kirche St. Georg, Dr. Hermann-Josef Reuther, scharfe Kritik an den Verantwortlichen.

Autor/in:
Markus Peters
 (DR)

Der Pfarrer ist empört: "Die geologischen Gegebenheiten hätten eine solche U-Bahn niemals zugelassen." Schon vor zwei Jahren waren in seinem Gotteshaus plötzlich Risse zu sehen, und die Bodenplatten kamen hoch. Der Geistliche kennt sich sehr genau über die Erdschichten der letzten Eiszeit aus. Über Sand, Kies, Ton und unterirdische Wasserläufe. Seiner Meinung nach hätten die Geologen und Ingenieure der KVB dieses Wissen haben müssen.

Reuther weiter: "Die Menschen hier sind überhaupt nicht gehört worden. Für mich steht fest, dass von politischer Seite kein Interesse daran bestand, die als hilflos belächelten Protestversuche der Menschen im Severinsviertel ernst zu nehmen. Die Menschen hatten Sorge, dass die langwierige Bauphase das Viertel ruinieren würde - und das hat sie getan."

Kontrollierter Abriss
Auf der Einsturzstelle des Kölner Stadtarchivs und zweier benachbarter Wohnhäuser geht derweil die Suche nach dem unter den Trümmern vermuteten 24-jährigen Designstudenten aller Voraussicht nach am Mittwochmittag weiter. Bis dahin wird nach Angaben der Feuerwehr ein stark einsturzgefährdetes viergeschossiges Eckgebäude kontrolliert abgerissen. Der Kölner Stadtrat wollte sich am Nachmittag (15.30 Uhr) in einer Sondersitzung mit den Ursachen und Folgen des Unglücks befassen, das vermutlich vom Bau der U-Bahn in Köln ausgelöst wurde.

Bei den Arbeiten zum Abriss des Eckgebäudes an der Severinstraße wird auch ein sogenannter Zangenbagger eingesetzt, der das Gebäude Stück für Stück abträgt. Erst dann kann laut Feuerwehr die Suche nach dem Vermissten sowie die Bergung verschütteter Archivalien wieder aufgenommen werden. Ein ebenfalls bei dem Unglück verschütteter 17-Jähriger war am Sonntag tot geborgen worden.

Die Einsatzkräfte hatten die Sucharbeiten am Dienstag bis nach Mitternacht fortgesetzt. Dabei waren auch wieder Spürhunde eingesetzt worden, die jedoch nicht anschlugen. Auch wurden bislang keine weiteren persönlichen Gegenstände des Studenten gefunden, nachdem am Montag ein Portemonnaie und eine Jacke entdeckt worden waren.

Fortgesetzt wurden derweil die Stabilisierungsmaßnahmen für das Gerüst eines Daches, um den unter den Trümmern liegenden Archivbestand vor Regen zu schützen. Ein Teil des zuvor bereits errichteten provisorischen Daches war abgebaut worden, da eine stützende Giebelwand am Dienstagabend eingerissen werden musste. Laut Feuerwehr sollte das Dach am Mittwoch wieder über den Trümmern errichtet werden.

Der Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Bauministerium, Günter Kozlowski, lehnte nach dem Einsturz des Stadtarchivs und zweier benachbarter Gebäude am Dienstag vergangener Woche neue Bauvorschriften ab. Die Gebäudesicherheit sei durch die bestehenden Regeln bereits in hohem Maße gewährleistet, sagte er. Auch nach dem Einsturz der Eissporthalle in Bad Reichenhall sei ein einheitlicher Gebäude-TÜV diskutiert worden. Die Bundesländer seien sich jedoch einig, dass sich das Regelwerk in den vergangenen Jahrzehnten generell bewährt habe. Unglücke seien nie völlig zu vermeiden.

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