Suche nach Trost und Erklärungen nach dem Amoklauf in Winnenden

Ein schwarzer Schleier über Baden-Württemberg

Hunderte, vielleicht sogar Tausende Öllichter und Kerzen flackern vor der Albertville-Realschule in Winnenden. Ihr rötlicher Schein erhellt ein wenig die Dunkelheit. Vor der Schule stehen Menschen, die einander halten. Einige der Jugendlichen und Erwachsenen knien auf dem Boden. Es ist der vierte Abend nach dem Amoklauf mit 16 Toten. Immer noch herrschen Fassungslosigkeit und Entsetzen in der Kleinstadt bei Stuttgart.

Autor/in:
Susanne Müller
 (DR)

Mehr als ein Dutzend Kerzen brennen am Sonntagmorgen auch in der Freiburger Melanchthonkirche. Der «Suche nach Trost» ist der ZDF-Fernsehgottesdienst gewidmet. Das Leid der Angehörigen sei unbeschreiblich, sagt die evangelische Notfallseelsorgerin Alexandra Winter. Sie ruft dazu auf, mehr auf die Mitmenschen zu achten. Trost brauchen die Menschen in diesen Tagen. Die Kirchen in Winnenden und Umgebung sind voll bei den Gottesdiensten zum Gedenken an die Opfer.

Von der Katastrophe, die durch den Amoklauf eines 17-Jährigen am vergangenen Mittwoch ausgelöst wurde, seien viel mehr Menschen als die direkten Angehörigen der Opfer betroffen, und dies werde lange so bleiben, sagt Pfarrerin Winter. Ein blondes Mädchen schmiegt sich im Gottesdienst an seine Mutter. Der stehen Tränen in den Augen.

Auf die Frage nach dem Warum gibt es noch immer keine Antwort.
«Tim, wir erkennen dich nicht wieder. Wie konntest du so was nur tun? Deine AK 08.» Das hat die Abschlussklasse, aus der der jugendliche Amokläufer stammte, ratlos auf ein Plakat geschrieben, das vor der Schule auf dem Boden liegt, umgeben von flackernden Lichtern.

«Warum? Wie wenig wert muss ihm sein Leben und das der anderen gewesen sein?» fragen Schüler auch im Freiburger Gottesdienst. «Ein schwarzer Schleier liegt über Baden-Württemberg! Trauer, Verzweiflung, Tränen und die Frage WARUM!» schreibt Volker Hölzel aus Reit im Winkl in das Internet-Kondolenzbuch der Stadt Winnenden.

Längst sind Trauer und Entsetzen über die Landesgrenzen geschwappt. Aus Frankreich meldet sich Isabelle aus Aigueblanche in schlichten Worten: «Ich wünsche Ihnen viel viel Kraft und Mut.» Die Einträge strömen in das Kondolenzbuch, 30 in einer halben Stunde, Minute für Minute ein neuer.

Im virtuellen Kondolenzbuch, das das Land Baden-Württemberg eingerichtet hat, sind bis Sonntagmittag über 550 Einträge veröffentlicht, die aus Maileinsendungen ausgewählt werden. Obwohl die Seite nur nach gezielter Suche zu finden ist, melden sich auch hier Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet. Familie Bockhorn aus Friesland schreibt: «In Gedanken sind wir bei den Trauernden und möchten unser tiefstes Mitgefühl aussprechen.»

Ein Polizeibeamter schreibt am Sonntag: «Fassungslosigkeit
und Trauer werden begleitet von dem Gefühl der Hilflosigkeit, nicht genügend zur Verhinderung solch eines Grauens tun zu können.» Und auch Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) zeigt sich in seinem Eintrag hilflos: «Wir sind fassungslos und suchen verzweifelt nach Erklärungen.» Und: «Das sind Vorfälle, die man noch lange verarbeiten muss.»