Suche nach letzten Nazi-Verbrechern

"Spät. Aber nicht zu spät“

Das weltweit bekannte Simon-Wiesenthal-Zentrum sucht mit Plakaten die letzten Nazi-Verbrecher in Deutschland. Anderthalb Woche nach dem Start der Kampagne sind bereits konkrete Hinweise auf betagte Verbrecher eingegangen

2.000 Plakate rufen zur Suche nach Nazi-Verbrechern auf (dpa)
2.000 Plakate rufen zur Suche nach Nazi-Verbrechern auf / ( dpa )

"Helfen Sie uns, diese vor Gericht zu bringen“, bitten 2000 Aufrufe in Köln, Berlin und Hamburg. Im Zuge dieser Plakataktion mit einem Aufruf zur Suche nach NS-Verbrechern sind beim Simon-Wiesenthal-Zentrum rund ein Dutzend konkrete Hinweise eingegangen. In der ersten Woche hätte er täglich Dutzende Mails bekommen, bis zu 40 Menschen hätten auf der Hotline angerufen, sagte Efraim Zuroff,  der Direktor des Simon Wiesenthal Centers in Jerusalem und Koordinator der Verfolgung von Nazi-Kriegsverbrechen weltweit. Nur 13 Anrufer lieferten aber Hinweise über insgesamt sechs potenzielle Nazi-Kriegsverbrecher, sagte er dem Internetportal "evangelisch.de“. Diese würden nun geprüft.

68 Jahre nach dem Ende des Nazi-Terrors hat das Simon-Wiesenthal-Zentrum eine Plakatkampagne zur Suche nach den letzten überlebenden Nazi-Verbrechern in Deutschland gestartet. Unter dem Motto "Spät. Aber nicht zu spät! Operation Last Chance II“ appellieren die Aufrufe an die Bevölkerung: "Einige der Täter sind frei und am Leben! Helfen Sie uns, diese vor Gericht zu bringen.“

Kritik an ausgesetzter Belohnung

Für sachdienliche Hinweise ist eine Belohnung von bis zu 25.000 Euro ausgesetzt. Dies stieß auch auf Kritik. Der deutsch-israelische Historiker Michael Wolffsohn lehnte das "ausgeschriebene Kopfgeld“ als "pietät- und schamlos“ ab. Die Plakataktion rufe eher Mitleid mit den betagten Kriegsverbrechern hervor, sagte Wolffsohn dem Deutschlandradio Kultur.

Der Initiator der Kampagne, Efraim Zuroff, begründete diese mit der inzwischen erleichterten Strafverfolgung von Nazi-Verbrechern in Deutschland. Mit der Verurteilung des früheren KZ-Wachmanns John Demjanjuk in München 2011 habe sich die Rechtslage geändert, sagte er zum Auftakt der Plakataktion in Berlin. Jetzt genüge der Nachweis, dass Menschen in Vernichtungslagern und mobilen Mordkommandos Dienst getan hätten. Vorher habe immer ein spezifisches Verbrechen an einem bestimmten Menschen nachgewiesen werden müssen.

Zuroff schätzte die Zahl der noch lebenden Nazi-Verbrecher in Deutschland auf 60 bis 120. Die Gesuchten dürften um die 90 Jahre oder noch älter sein. Ihr hohes Alter dürfe sie nicht davor schützen, für ihre Verbrechen zur Verantwortung gezogen zu werden. Sie hätten unschuldige Menschen ermordet. "Sie haben kein Mitleid mit den Opfern“, sagte Zuroff. Das Wiesenthal-Zentrum könne als Nicht-Regierungs-Organisation niemanden anklagen und vor Gericht bringen. Es wolle nur den Regierungen helfen, die untergetauchten Täter zu finden.

Wolffsohn nannte es absurd, die NS-Verbrechen mit Zahlen aufzuwiegen. "Ich finde es geradezu pietätlos und schamlos: 25.000 Euro für Schwerstverbrecher“, kritisierte er. Viel wichtiger sei, dass eine intensive Aufarbeitung der NS-Verbrechen weitergehe. Der Publizist Michel Friedman verteidigt dagegegen die ausgeschriebene Belohnung. Auch im normalen polizeilichen Alltag würden Schwerkriminelle mit diesem Instrument gesucht und dadurch gefangen, sagte der Anwalt und frühere Vizepräsident des Zentralrats der Juden.

Friedman: Es geht um Recht und nicht Rache

Es gehe dem Wiesenthal-Zentrum "nicht um Rache, sondern um Recht und Gerechtigkeit“. Zudem kritisierte der Jurist die deutsche Justiz. Zu keinem Zeitpunkt seien die Möglichkeiten der deutschen Rechtsprechung voll ausgeschöpft worden. Ein Teil der deutschen Justiz habe "viel zu lange viel zu wenig getan, um die Strafverfahren in den letzten Jahrzehnten umzusetzen“.

Viele ehemalige Nazis hätten ihre bürgerliche Existenz weiterleben könne, statt ihre Strafe in einem Gefängnis abzusitzen. Die Mörder, Mitläufer, Helfershelfer seien in einem sehr hohen Alter. "Viel Zeit bleibt also tatsächlich nicht mehr“, sagte Friedman. Die überlebenden Opfer und ihre Angehörigen wollten eine klare rechtliche Zuordnung.


Efraim Zuroff (dpa)
Efraim Zuroff / ( dpa )
Quelle:
dpa , KNA , DR

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