Stundenlange Stromausfälle gefährden Südafrikas Zukunft

Ein ganzes Land sitzt im Dunklen

Jahrelang haben die Verantwortlichen den staatlichen Energiekonzern gemolken wie eine Milchkuh. Und dabei das Futter vergessen. Dafür muss nun ein ganzes Land die Konsequenzen tragen. Das "Loadshedding" hat Südafrika fest im Griff.

Autor/in:
Markus Schönherr
Mann mit einer Kerze in einer südafrikanischen Kirche / © Adriana Mahdalova (shutterstock)
Mann mit einer Kerze in einer südafrikanischen Kirche / © Adriana Mahdalova ( shutterstock )

Die Ampeln gehen aus, Chaos im Feierabendverkehr. Wer es doch nach Hause schafft, den erwartet erneut ein kalter, dunkler Winterabend. In Restaurants stellen Kellner Kerzen auf die Tische, in den Shopping Malls beginnen die Generatoren zu brummen. Das sogenannte "Loadshedding" hat Südafrika fest im Griff. Die Stromabschaltungen, die das nationale Netz vor einem Komplettausfall bewahren sollen, resultieren aus einer jahrelangen Energiekrise. Die ist in den vergangenen Tagen eskaliert. Und Abhilfe gibt es frühestens in ein paar Jahren.

Folge ist Arbeits- und Mittellosigkeit

Für die Südafrikaner bedeutet "Loadshedding Stufe 6" sechs bis acht Stunden am Tag ohne Strom. Wer es sich leisten kann, kauft einen Stromgenerator. Der bleibt angesichts einer Armutsrate von über 50 Prozent, Rekordarbeitslosigkeit und historisch hohen Treibstoffpreisen für den Großteil jedoch ferner Luxus. Das trifft vor allem Einzelunternehmer am Kap: die Bäckerin, den Friseur, die Buchhalterin im Homeoffice. "Die Auswirkungen von Loadshedding auf Südafrikas Wirtschaft sind verheerend", sagt Energieexperte Chris Yelland. Er fürchtet, dass die Stromausfälle in den kommenden Wochen noch mehr Südafrikaner in die Arbeits- oder Mittellosigkeit treiben werden. Ebenfalls in Gefahr ist Südafrikas Ernährungssicherheit. So warnte der Bauernverbund Agri SA, dass die Herausforderungen bald etliche Farmer zum Aufgeben zwingen könnten.

Derzeit kosten die Stromausfälle Südafrikas Wirtschaft umgerechnet zwischen 55 und 235 Millionen Euro täglich. Hinzu kommen oft unbemerkte Auswirkungen: Ämter schließen, Krankenhäuser hoffen auf ihre Dieselaggregate. Doch davon können etliche nicht mehr mit den stundenlangen Ausfällen mithalten. "Wir spielen täglich Russisches Roulette mit unseren Patienten", erzählt ein Arzt dem Nachrichtensender Eyewitness News.

Laut Südafrikas Präsidialminister Mondli Gungubele bereite die Energiekrise der Regierung "schlaflose Nächte". Die Verantwortlichen in Pretoria geloben Besserung - das allerdings schon seit Beginn der Krise im Jahr 2007. Korruption, politische Einflussnahme, ein Brain-Drain und die sträfliche Vernachlässigung von Infrastruktur brachten den staatlichen Energiekonzern ESKOM fast zum Erliegen. Derzeit wird nur die Hälfte des Stroms produziert, der bei einer intakten Kraftwerk-Flotte möglich wäre.

Wo viel Schatten ist, ist auch Licht

Der Druck auf Präsident Cyril Ramaphosa und den regierenden Afrikanischen Nationalkongress (ANC) wächst. Oppositionelle fordern die Verantwortlichen für das Energiedebakel zum Rücktritt auf. Diese Woche bekamen sie unerwartete Unterstützung: "Es ist offensichtlich, dass wir es mit einer Krise zu tun haben und dass diese vielschichtig und komplex ist", sagte der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Sithembele Sipuka. Dabei sei es Aufgabe von Volksvertretern, aus Krisen zu führen. Mit Blick auf Ramaphosa und sein Kabinett fordert er: "Wenn ein Anführer das Problem nicht lösen kann, muss er eben Platz für jemanden machen, der einspringt und es anpacken kann."

Wiederholt wurden in den vergangenen zwei Wochen Stimmen laut, die wegen der Stromausfälle die Ausrufung eines nationalen Notstands fordern. Die oppositionelle Demokratische Allianz (DA) schlägt die Umsetzung eines Krisenplans vor: Regierende, Industrieexperten, Ingenieursverbände, private Stromproduzenten und Zivilgesellschaft müssten das Stromnetz mit vereinten Kräften vor dem Kollaps bewahren.

Unterdessen gibt es auch Lichtblicke. Als positiv werten Beobachter, dass die Regierung nach langem Zaudern nun auch private Produzenten an ihr Netz lässt. Aktuell entstehen neue Wind- und Solarkraftwerke. Dafür stellt ESKOM sogar sein ungenutztes Land zur Verfügung. Mitte der Woche wurde außerdem bekannt, dass der Energiemonopolist Dutzende pensionierte Mitarbeiter zurückholen will. Dieser Plan scheiterte laut ESKOM-Chef Andre de Ruyter mitunter am Widerstand der neuen Angestellten. Viele ehemalige Ingenieure und Techniker sind weiß. Bei den Verantwortlichen stoße der Plan hingegen auf "breite Unterstützung", könnten die Ex-Mitarbeiter doch "ihr Wissen weitergeben". Nichtsdestotrotz dürfte es laut Expertenprognosen noch mindestens zwei Jahre dauern, ehe die Stromausfälle Geschichte sind - in einem optimistischen Szenario.

Quelle:
KNA