Studie sieht weiter hohes Kinderarmutsrisiko

Zu früh gefreut

Das Armutsrisiko von Kindern unter drei Jahren bleibt trotz leichten Rückgangs weiter hoch. Die höchste Armutsquote bei kleinen Kindern in den westdeutschen Bundesländern hat Nordrhein-Westfalen mit 22,7 Prozent, wie nun eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund bezeichnete die Zahlen als erschreckend. Zur Verbesserung der Betreuung von Kindern unter drei Jahren nahm in NRW eine neue "Task Force" ihre Arbeit auf. Die Opposition kritisierte die Maßnahmen als nicht weitgehend genug.

 (DR)

Die Kinderarmut in Deutschland entwickelt sich zwar insgesamt rückläufig, doch innerhalb der Bundesländer, Landkreise und Städte klaffen die Armutsquoten weit auseinander. Dies geht aus einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung hervor, die erstmals die Armutsquoten für die Altersgruppe der unter Dreijährigen für alle 412 Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland veröffentlicht hat. Die Studie zeigt auch, dass die unter Dreijährigen das höchste Armutsrisiko aller Kinder tragen.



Bundesweit lebte der Studie zufolge im Jahr 2010 jedes fünfte Kind in armen Verhältnissen (19,8 Prozent). Am stärksten betroffen ist in dieser Altersgruppe demnach Berlin mit einer Armutsquote von 36 Prozent. In Bayern hingegen waren es lediglich zehn Prozent der Unter-Dreijährigen in Familien, die Hartz IV beziehen. Insgesamt gehe die Quote zurück, hieß es.



Die Autoren stellten erhebliche Unterschiede sowohl zwischen Bundesländern als auch innerhalb von Städten und Kommunen fest. In Nordrhein-Westfalen lebten rund 100.000 Kinder im Jahr 2010 in Armut. Gegenüber 2008 ist das ein minimaler Rückgang um 0,3 Prozentpunkte. "Kinder sind Hauptleidtragende eines deregulierten Arbeitsmarktes, in dem Dumpinglöhne auf dem Vormarsch sind", kritisierte der nordrhein-westfälische DGB-Vorsitzende Andreas Meyer-Lauber. Kinderarmut entstehe, wenn die Eltern nicht mehr von ihrer Arbeit leben könnten. "Der Bekämpfung von Armut muss endlich höchste Priorität eingeräumt werden", fordert Meyer-Lauber. Nötig seien sowohl ein Mindeststundenlohn von 8,50 Euro als auch innovative Konzepte zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit.



Erstmals weist die Bertelsmann Stiftung exemplarisch nach, dass das Armutsgefälle innerhalb ein und derselben Stadt sogar noch erheblich höher sein kann als zwischen den Regionen. Dies zeigt sich an den Städten Heilbronn (Baden-Württemberg) und Jena (Thüringen), die den von der Bertelsmann Stiftung neu entwickelten Sozialraumatlas KECK zur Betrachtung einzelner Stadtviertel nutzen. Das Ergebnis offenbart eklatante Unterschiede in den Lebensbedingungen der heranwachsenden Generation: In manchen Stadtteilen liegt die Armutsquote von Kindern unter drei Jahren nur bei etwas über einem Prozent, in anderen bei über 50 Prozent. Die Auswertung des Sozialraumatlas soll in beiden Städten in ein Konzept münden, wie durch gezielte Angebote benachteiligte Stadtviertel gefördert werden können. Dabei wird Armut als einer von mehreren Faktoren betrachtet, die die Entwicklungschancen von Kindern stark beeinflussen.



Verbesserungen für die Kindertagesbetreuung

NRW-Familienministerin Ute Schäfer (SPD) kündigte Verbesserungen für die Kindertagesbetreuung an. Eine neue spezielle Arbeitsgruppe ("Task Force") soll Kommunen und Träger bei möglichen Problemen unterstützen und bürokratische Hürden oder Verzögerungen beseitigen. Das Ministerium bietet dafür auch eine spezielle Hotline unter der Nummer 0211/837-3737 an. Derzeit gibt es an Rhein und Ruhr laut Schäfer etwa 100.000 U3-Plätze. Ab August 2013 haben Eltern einen Rechtsanspruch auf einen solchen Platz für ihr Kind.



Die Opposition verlangte mehr Anstrengen für den Ausbau der Kleinkinderbetreuung. Die rot-grüne Landesregierung sei immer noch "meilenweit davon entfernt", bis 2013 die derzeitige Betreuungsquote von 15,9 Prozent auf 32 Prozent zu steigern, erklärte der Vorsitzende der CDU-Landesvorsitzende Norbert Röttgen. Das Ziel eines rechtlichen Anspruchs auf einen Betreuungsplatz sei so nicht zu erreichen. Auch die FDP im Landtag kritisierte die Ankündigungen als unzureichend.

Eltern und Kommunen bräuchten reale Handlungspläne und reale Kita-Plätze.