Studie sieht mehr soziale Gerechtigkeit in der EU - Gipfel in Göteborg

"Vertrauenskrise überwinden"

Faire Chancen für alle - darüber wollen die Spitzen der EU-Staaten ab Freitag beim Sozialgipfel in Göteborg beraten. Eine aktuelle Studie zeigt: Die EU ist sozial gerechter geworden. Dennoch fordert der DGB mehr Engagement von der Bundesregierung.

 (DR)

"Wir fordern die Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass die sozialen Grundrechte endlich Vorrang vor dem Wettbewerbsrecht bekommen. Wir brauchen verbindliche europäische Arbeitnehmerrechte, damit die soziale Dimension des Binnenmarktes deutlich gestärkt wird", sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann der "Welt" (Donnerstag) im Vorfeld des EU-Sozialgipfels in Göteborg am Freitag.

Als Beispiele für verbindliche europäische Arbeitnehmerrechte nannte der DGB die Forderung nach einem gleichen Lohn für gleiche Arbeit am selben Ort und europaweite Regeln zum Arbeits-und Gesundheitsschutz, die auf europäischen Richtlinien basierten. Der Sozialgipfel müsse klare Vorgaben machen, wie damit künftig umgegangen werden solle.

"Starker Pfeiler für soziale Gerechtigkeit"

"Der EU-Sozialgipfel in Göteborg kann ein wichtiger Schritt sein, die Vertrauenskrise in Europa zu überwinden", so Hoffmann weiter. Das gelinge aber nur, "wenn aus bisher unverbindlichen Regeln mit schwachen Vorgaben ein starker Pfeiler für soziale Rechte wird".

Die zuständige EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen hob die Bedeutung des Treffens in Göteborg hervor: "Dies ist das erste Mal seit zwanzig Jahren, dass die europäischen Staats-und Regierungschefs zu einem Sozialgipfel zusammen kommen und dass sie darin überein stimmen, dass das soziale Europa der Weg in die Zukunft ist. Ich denke, das wird ein starkes Signal für die Menschen sein."

"Social-Justice-Index zeigt positive Entwicklung"

Nach einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung ist die EU in den vergangenen Jahren sozial gerechter geworden. Haupttreiber für die verbesserten Teilhabechancen ist nach dem am Donnerstag in Gütersloh veröffentlichten "Social-Justice-Index 2017" eine spürbare Erholung am Arbeitsmarkt.

Zehn Jahre nach dem Ausbruch der Wirtschaftskrise 2008 zeichne sich nun eine Trendwende ab. "Die Talsohle ist durchschritten, aber es gibt noch deutliche Defizite", so das Fazit des Experten für Arbeitsmarkt und soziale Sicherungssysteme und Studienautors Daniel Schraad-Tischler.

Kluft zwischen Nord- und Südeuropa

So ist laut Studie die Arbeitslosigkeit EU-weit deutlich gesunken, allerdings verlaufe die Erholung in zwei Geschwindigkeiten. Die Kluft zwischen Nord- und Südeuropa ist demnach weiterhin groß - besonders mit Blick auf die Armutsbedrohung und soziale Ausgrenzung von Kindern und Jugendlichen in Südeuropa. Deutschland gehört zur "erweiterten Spitzengruppe" und wirtschaftlich zu den Spitzenreitern. Defizite sehen die Autoren aber beim Kampf gegen Armut sowie bei der Bildungs- und Generationengerechtigkeit.

Mit dem Index untersucht die Stiftung seit 2008 jährlich die Teilhabechance in der EU anhand von sechs Dimensionen: Armutsvermeidung, Arbeitsmarkt, Bildung, Gesundheit Nicht-Diskriminierung und Generationengerechtigkeit. Grundlage der Studie sind vor allem die jüngsten Daten der Europäischen Statistikbehörde, die sich auf das Jahr 2016 beziehen.

Skandinavien an der Spitze

An der Spitze rangieren die skandinavischen Länder sowie die Tschechische Republik, Slowenien und die Niederlande vor Deutschland. Am Ende des Rankings liegt Griechenland hinter Rumänien, Bulgarien und Italien. Allerdings beziehen sich die Daten zur sozialen Gerechtigkeit auf den Lebensstandard des jeweiligen Landes. So gilt etwa für das Armutsrisiko 60 Prozent des Medianeinkommens des entsprechenden EU-Landes. Ein direkter Vergleich ist also nicht in allen Bereichen möglich.

Deutschland hat EU-weit die geringste Jugendarbeitslosigkeit und kommt beim Gesamtbeschäftigungsindex, der allgemeinen Arbeitslosenquote sowie der Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer unter die ersten Vier. Allerdings bemängelt Schraad-Tischler einen hohen Anteil an Langzeitarbeitslosen. Es gelinge nicht, den Sockel nachhaltig abzuschmelzen. Ferner gebe es trotz «brummender Wirtschaft» keine Fortschritte beim Kampf gegen die Armutsgefährdung.

Ein "gemischtes Bild" sieht die Studie auch bei den Bildungschancen. Die Generationengerechtigkeit sieht sie etwa durch das Rentenniveau und die Staatsverschuldung zulasten der Jüngeren in einer Schieflage.


Quelle:
KNA
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