Caritas warnt vor Armut durch hohe Strompreise

"Strom ist existenziell"

Besonders betroffen von steigenden Strompreisen sind Haushalte mit einem geringen Einkommen. Für diese Menschen gibt es kaum eine Möglichkeit, wieder günstig an Strom zu kommen, beklagt der Diözesan-Caritasverband des Erzbistums Köln.

Symbolbild Stromkosten / © Bacho (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Strom ist existenziell. Das ist nichts, worauf wir realistischerweise verzichten können, oder?

Michaela Hofmann (Referentin für Allgemeine Sozialberatung und Armutsfragen beim Diözesan-Caritasverband des Erzbistums Köln): Nein, darauf kann man überhaupt nicht verzichten. Wenn sie keinen Strom haben, dann geht die Heizung nicht an, Sie können Geschirr nur noch mit kaltem Wasser waschen. Sie haben keine Möglichkeit, sich digital zu vernetzen. Sie haben kein Licht. Strom brauchen wir überall. Es beeinträchtigt unser Leben, wenn er nicht da ist.

DOMRADIO.DE: Sie haben sich die Zahlen der vergangenen Jahre angesehen. Sind die steigenden Strompreise deutlich ablesbar?

Hofmann: Wenn man sich die 20 Jahre anguckt, wie es das Statistische Bundesamt auch macht, dann ist da eine Steigerung von 14 Cent auf 32 Cent pro Kilowattstunde zu verzeichnen. Das ist ja schon enorm. In den letzten Monaten sind die Strompreise noch mal gestiegen.

Je nachdem, wie gerechnet wird, wird von drei Prozent gesprochen – nur für die Strompreise. Gleichzeitig muss man aber auch die Heizkosten mit einbeziehen. Die Inflationsrate liegt bei fast sechs Prozent. Wenn man dann guckt, dass der Hartz-IV-Satz nur um drei Euro insgesamt pro Monat erhöht worden ist, dann kann man sich daraus schon ableiten, dass es eine Unterdeckung gibt.

DOMRADIO.DE: Einige kleinere Stromanbieter haben ihren Kunden gekündigt, weil das Geschäft sich nicht mehr lohnt oder weil sie insolvent sind. Das bedeutet zwar nicht, dass kein Strom mehr fließt, der kommt erst mal weiter aus der Steckdose. Das ist aber ein teures Vergnügen, oder?

Hofmann: Ja, die Grundversorger sind eben nicht mehr in der Lage, neuen Kunden auch günstigere Tarife anzubieten. Sie sind ja auch von den Erhöhungen betroffen, von daher kommt man in den teuersten Tarif. Man wird immer diese jetzt 34 oder 35 Cent pro Kilowattstunde zahlen. Dazu gibt es ja auch noch Grundgebühren und auch die werden dann erhöht. Das macht für die Leute schon immer mindestens zehn Euro pro Monat aus, die eben eine Unterdeckung zum Regelsatz ist.

DOMRADIO.DE: Die Caritas bietet für Menschen mit geringem Einkommen einen Stromspar-Check an. Kommt dann eine Mitarbeiterin, ein Mitarbeiter ins Haus?

Hofmann: Ja, man kann sich anmelden und es werden Termine ausgemacht. Es wird aber auch überlegt, wie man außerdem an die Leute rankommt, weil da auch die Corona-Bedingungen berücksichtigt werden. Es wird geholfen, Strom zu sparen, also Stromfressern auf den auf die Spur zu kommen.

DOMRADIO.DE: Was ist, wenn jemand seine Stromrechnung nicht mehr bezahlen kann? Irgendwann wird der Strom dann tatsächlich abgestellt und man sitzt im Dunkeln und im Kalten?

Hofmann: Es ist so: 100 Euro ist die Grenze. Dann kann der Stromanbieter eine Mahnung schicken. Er schickt ja vorher schon eine Mahnung, aber bei 100 Euro wird dann auch eine Sperrandrohung ausgesprochen – und die kann auch relativ schnell umgesetzt werden. Die Leute haben die Möglichkeit, entweder zur Schuldnerberatung zu gehen und zu gucken, ob es eine Möglichkeit gibt, etwas stunden zu lassen.

Sie können auch zum Jobcenter gehen, weil auch da gegebenenfalls etwas auf Darlehensbasis übernommen wird. Das ist aber ein Problem, weil die Jobcenter in der Regel gar keine Sprechstunden mehr haben – nur noch online oder über Telefon. Das ist für viele Leute ein Problem. Es kann dann schon sein, dass nach relativ kurzer Zeit der Strom gesperrt wird. Das ist wiederum mit vielen Kosten verbunden, denn auch die Stromsperrung ist ja nicht umsonst.

Wenn ich dann alles bezahlt habe, muss ich eben auch wieder etwas für das Anklemmen zahlen. Die Leute, die kein Geld haben und sowieso schon gebeutelt sind vom Leben, bekommen eigentlich überhaupt keine Möglichkeit, wieder günstig an den Strom zu kommen, sondern bauen damit Schulden auf. Da muss man dringend etwas tun.

DOMRADIO.DE: Jetzt gab es die Meldung, dass das Ministerium für Wohnungsbau plant, mindestens 135 Euro Heizkosten-Zuschlag zu geben. Wie ist das einzuordnen?

Hofmann: Das ist nur für die Bezieher von Wohngeld. Insgesamt ist es nur ein ganz kleiner Teil der Menschen, die überhaupt Wohngeld beziehen können. Dafür ist das auch sicherlich gut. Aber für die Leute, die im Leistungsbezug sind, also Hartz IV erhalten, trifft das nicht zu.

Da ist es eigentlich unabdingbar, dass man sagt, diese Stromkosten müssen aus dem Regelsatz raus und müssen zugeordnet werden zu den Kosten für Unterkunft und Heizung. Sie müssen dann auch in der tatsächlichen Höhe übernommen werden. Also ohne dem sehe ich keine Möglichkeit, – außer den Regelsatz jetzt sofort um 100 Euro zu erhöhen – damit man alle diese Inflationskosten auffangen kann.

Strom ist existenziell, genau wie eine Wohnung. Von daher war es nie nachvollziehbar, warum der Strom in die Pauschale eingeflossen ist und nicht schon von vornherein den Kosten für Unterkunft und Heizung zugeordnet worden sind.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR