Streit um neuen Embryonencheck während Schwangerschaft

"Eugenisches Handeln findet längst statt"

Das Risiko für Brustkrebs, Herzkrankheiten oder Diabetes lässt sich mittlerweile durch einen Gentest bestimmen. Jetzt hat die Konstanzer Firma GATC Biotech AG einen Schwangerschaftsfrühtest entwickelt, der die vorgeburtliche Diagnostik revolutionieren soll. Ethiker und Kirchen befürchten einen neuen Dammbruch beim Lebensschutz.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Ein paar Tropfen Blut der werdenden Mutter sollen Aufschluss über Erbgut und Gesundheitszustand des ungeborenen Kindes geben. Früher denn je lässt sich dann klären, ob das Kind eine Trisomie 21, also das Down-Syndrom, hat. Der Test, schon in der zehnten Schwangerschaftswoche anwendbar, soll anders als die bisher angewendete Fruchtwasseruntersuchung für die Mutter völlig ungefährlich sein. Die GATC-Tochter Life Codexx AG will das neue Verfahren spätestens im kommenden Frühjahr auf den deutschen Markt bringen. Die Konstanzer Wissenschaftler wittern ein großes Geschäft. "So sind wir unserem Ziel, federführend im Bereich der Next Generation Molecular Diagnostics zu sein, ein großes Stück nähergekommen", heißt es auf der Homepage des Unternehmens.



Für Ethikexperten steht fest, dass der neue Test im Alltag der Familienplanung gewaltige Umbrüche bringt. Denn mittelfristig lassen sich zahlreiche weitere mögliche Erbschäden aufspüren; ein Embryo-Screening zeichnet sich ab. "Schwangerschaften können abgebrochen werden, bevor die Mutter überhaupt eine Beziehung zum Kind aufgebaut oder die Umwelt die veränderten Umstände registriert hat", schreibt die Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit". Die Konsequenz im Alltag könnte heißen: Erst mal prüfen, ob alles okay ist - also eine Schwangerschaft unter Vorbehalt.



Für die Zeitung steht außer Frage: Der neue Test ist kaum mehr aufzuhalten. Zumal sich schon heute neun von zehn Schwangeren für eine Abtreibung entscheiden, wenn vor der Geburt ein Downsyndrom festgestellt wird. Und der Staat könne kaum Einwände erheben, da er in der Debatte um die Präimplantationsdiagnostik soeben einer Überprüfung und Selektion von Embryonen zugestimmt habe. "Eugenisches Handeln findet längst statt", heißt es.



Unterdessen hagelt es Proteste gegen das neue Verfahren. Im Mittelpunkt steht allerdings vor allem, dass das Bundesforschungsministerium seine Entwicklung mit 230.000 Euro bezuschusst hat. Von einem "Skandal" spricht der Augsburger katholische Weihbischof Anton Losinger. Ein solcher Test stehe im Widerspruch zum Lebensrecht und zur Menschenwürde, so das Mitglied des Deutschen Ethikrats.



Nur eine Konsequenz

Der Arzt und CDU-Europa-Politiker Peter Liese erklärte: "Wenn das Risiko durch einen einfachen Bluttest praktisch bei null liegt, ist die Gefahr groß, dass man unkritisch eine Methode anwendet, die eigentlich nur die Konsequenz haben kann, dass das Kind abgetrieben wird." Eine vorgeburtliche Therapie, so Liese, gebe es in den allermeisten Fällen nicht, "und schon gar nicht beim Down-Syndrom".



Kritisch äußerten sich auch der Unionsfraktionsvize im Deutschen Bundestag, Johannes Singhammer (CSU), und der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe (CDU). Hüppe sagte, mit dem Testverfahren werde das Ziel verfolgt, "Menschen mit Behinderung auszusortieren und zu töten". Der Test setze Eltern, die ein Kind erwarten, unter besonderen Druck.



Der Parlamentarische Staatssekretär im Forschungsministerium, Thomas Rachel (CDU), wies die Kritik als "absurd" zurück. Das derzeitige Diagnoseverfahren nehme eine größere Gefährdung von Mutter und Kind in Kauf. Die bislang übliche Untersuchung des Fruchtwassers gehe einher "mit einem erheblichen Risiko einer Fehlgeburt". Daher sei eine sichere Methode "ein Fortschritt für die Gesundheit von Mutter und Kind". Rachel betonte zudem, die Förderung des Ministeriums sei nur vom 1. April bis 31. Dezember 2010 erfolgt und inzwischen beendet.