Streifzug durch die wundersame Welt der Sprachen

Hör mal, wer da klickt

An Pfingsten, so berichtet es die Apostelgeschichte, wurden die Jünger Jesu mit Heiligem Geist erfüllt und begannen, "mit anderen Zungen zu reden". Eine reife Leistung – blickt man auf die Vielfalt der Sprachen.

Autor/in:
Joachim Heinz
Symbolbild Sprachen lernen / © FGC (shutterstock)

Als der französische Jesuit Alexandre de Rhodes vor rund 400 Jahren in Vietnam landete, stand er vor einem ernsten Problem. Als Missionar musste er mit der Bevölkerung in Kontakt treten - aber wie? Die Sprache mit ihren unterschiedlichen Tonhöhen kam ihm wie Vogelgezwitscher vor. Doch der Franzose scheint ein zäher Bursche gewesen zu sein; er komponierte eine heute noch populäre Passionsgeschichte Jesu in der Landessprache und brachte 1651 das erste Vietnamesisch-Wörterbuch in einer europäischen Sprache auf den Markt.

"Mit anderen Zungen reden"

Durch den Einfluss de Rhodes und seiner Landsleute in Indochina etablierte sich das lateinische Alphabet in Vietnam - freilich mit einer ganzen Reihe von Sonderzeichen. Nur so gelang es, die vom Chinesischen übernommenen Tonhöhenunterschiede abzubilden. Schon eine harmlose Buchstabenfolge wie "mai" kann im Vietnamesischen sechs völlig eigenständige Bedeutungen haben. Das Spektrum reicht vom Verb "schleifen" bis zum Substantiv "Dach".

Joachim Heinz

"Sprache ist Vehikel für Ideen und Identität, Kulturträger und Politikum."

Der Wissenschaftler Harald Haarmann hat diese und andere Episoden in seinem Buch "Die seltsamsten Sprachen der Welt" zusammengetragen. Eine passende Lektüre zum Pfingstfest. Das dazugehörige Pfingstwunder ist in der Apostelgeschichte überliefert. Demnach wurden die Jünger Jesu mit Heiligem Geist erfüllt und begannen, "mit anderen Zungen zu reden". Nicht nur diese Geschichte lehrt: Sprache ist Vehikel für Ideen und Identität, Kulturträger und Politikum. Im Fall Vietnams spiegeln sich darin der Einfluss des übermächtigen Nachbarn China und die Unterdrückung durch die europäischen Kolonialherren wider.

Trotzdem blieb das Vietnamesische unabhängig; hat es doch weder etwas mit dem Französischen noch mit dem Chinesischen gemein, sondern gehört zu den in Südostasien verbreiteten Mon-Khmer-Sprachen. Circa 84 Millionen vietnamesischen Muttersprachlern gefällt das. Bei vielen anderen der schätzungsweise 7.000 gesprochenen Sprachen weltweit sieht die Lage düsterer aus. Die Eingabe des Stichworts "Ubychisch" in die Suchmaschine Google verleitet beispielsweise zu der Annahme, dass dieses im Kaukasus beheimatete Idiom inzwischen weniger Sprecher als Konsonanten (80) hat.

Durch Sprachen entstehen eigene Blicke auf die Welt

Verschwindet eine Sprache, so geht auch ein ganz eigener Blick auf die Welt verloren. Im Nordosten Afrikas beispielsweise können des Somali Kundige auf ein schier unerschöpfliches Vokabular für die dort besonders begehrten Kamele zurückgreifen: von "buub" für ein junges, unkastriertes männliches Kamel bis hin zu dem auch orthografisch recht ausdifferenzierten "gulguladillaacsad", das für ein erwachsenes, männliches Kamel steht.

Zu den Klassikern des Genres gehört der sprachliche Reichtum mancher in der Polarregion lebenden Völker für "Schnee". So listet Haarmann mehr als 20 verschiedene Bezeichnungen im nördlichen Saamisch auf. Im Gegenzug sind den auf der US-Inselgruppe im Pazifik lebenden Hawaiianern eine Fülle an Regenarten bekannt: "ho'okili" - "leichter Nieselregen, der den Menschen angenehm ist" oder, weniger angenehm, "pakaku" - "Regen, der in dicken Tropfen fällt".

Wer exotische Töne hören will, muss allerdings nicht in die Ferne schweifen. Das Ungarische etwa begeistert Enthusiasten mit der Möglichkeit, über angehängte Zusätze neue Zusammenhänge und immer längere Wörter zu bilden. Aus "igazsagtalan" ("ungerecht") wird "igazsagtalansagunk" - "unsere Ungerechtigkeit".

Das reicht schon fast an die Qualität walisischer Ortsnamen heran. Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch liegt in dieser Kategorie ganz weit vorn. Auflösen lässt sich das Ungetüm laut wikipedia in: "Marienkirche in einer Mulde weißer Haseln in der Nähe des schnellen Wirbels und der Thysilio-Kirche bei der roten Höhle."

Eine ganz besondere Eigenheit weisen schließlich die Khoisan-Sprachen im südlichen Afrika mit ihren Klick- und Schnalzlauten auf. Auch hier waren Missionare die ersten Europäer, die den Idiomen auf die Schliche kommen wollten - mit eher mäßigem Erfolg, wie Buchautor Haarmann schreibt. Manche von ihnen sollen in Gesprächssituationen mit dem Finger geschnippt haben, um die ungewöhnlichen "Schnalze" zu imitieren.

Quelle:
KNA