Strack-Zimmermann kritisiert Papst-Worte zum Ukraine-Krieg

"Höchst irritierend und zynisch"

Mit Äußerungen zum Krieg in der Ukraine hat Papst Franziskus für Empörung und Unverständnis gesorgt. Die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann kritisiert, der Papst müsse vor allem die Opfer im Blick haben.

Papst Franziskus hält eine ukrainische Fahne / © Alessandra Tarantino (dpa)
Papst Franziskus hält eine ukrainische Fahne / © Alessandra Tarantino ( dpa )

DOMRADIO.DE: Man könnte ja einfach sagen: Religion ist Religion und Politik ist Politik. Deswegen soll auch der Papst nichts sagen, wenn es um Krieg und Frieden geht. Gehen Sie da mit?

FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann / © Kay Nietfeld (dpa)
FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann / © Kay Nietfeld ( dpa )

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP-Politikerin und Vorsitzende des Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestags): Nein, da gehe ich nicht mit. Natürlich kann ein Kirchenoberhaupt wie der Papst sich dazu äußern. So wie das übrigens auch andere machen.

Es geht also nicht darum, dass er etwas gesagt hat, sondern was er gesagt hat. Und da hätte ich mir, auch als Katholikin, doch eher vorgestellt, dass er die Sicht der Opfer artikuliert, nämlich der Frauen, Kinder, Männer, die dort abgeschlachtet werden, um das sehr deutlich zu sagen.

Ich habe es auch als Relativierung empfunden. Über mögliche Beweggründe zu spekulieren, warum Putin ein solch brutalen Krieg auslöst, fand ich bemerkenswert daneben. Ich hätte mir eine andere Sichtweise gewünscht. 

DOMRADIO.DE: Sie haben schon gesagt, wie Sie als Katholikin darauf reagiert haben. Was sagen Sie denn als Verteidigungsexpertin? Beeinflusst das die Verteidigungsarbeit in Europa, wenn sich der Papst so, sagen wir mal, einmischt? 

Strack-Zimmermann: Na ja, es kommt ein bisschen darauf an. Tatsache ist natürlich, dass er indirekt oder direkt der NATO vorwirft, durch die Osterweiterungen der letzten Jahrzehnte Russland provoziert zu haben - wenn ich das mal in meinen Worten interpretiere. Das ist natürlich schon eine bemerkenswerte Aussage. Denn nichts auf dieser Welt - selbst wenn man das so sähe, ich sehe es anders - rechtfertigt einen Überfall Russlands auf die Ukraine mit all der Dramatik, die wir gerade erleben.

Das heißt, eine solche Einordnung führt auch dazu, dass er versucht, Wladimir Putin zu verstehen. Wenn Sie den Tausenden von Frauen, Kindern und Männern sagen, dass der Papst Verständnis dafür aufbringt oder eine solche Einordnung macht, empfinde ich das schon als höchst irritierend. 

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP-Verteidigungsexpertin)

"Ich finde, dass der Papst in seiner Rolle den Blick der Opfer im Auge haben muss."

DOMRADIO.DE: Würden Sie ihm jetzt quasi raten, sich nicht weiter dort einzumischen? Es gibt andererseits auch genügend Beispiele in der Geschichte, wo gute Vermittlungsangebote der Päpste funktioniert haben. 

Russlands Präsident Wladimir Putin besucht den orthodoxen Ostergottesdienst in der Christ-Erlöser-Kathedrale und hält eine Kerze.  / © ​ Alexander Zemlianichenko (dpa)
Russlands Präsident Wladimir Putin besucht den orthodoxen Ostergottesdienst in der Christ-Erlöser-Kathedrale und hält eine Kerze. / © ​ Alexander Zemlianichenko ( dpa )

Strack-Zimmermann: Die Frage ist, ob er sich da nicht - wie soll ich das jetzt sehr höflich sagen - überhebt, zu glauben, dass diese natürlich sehr starke Institution des Vatikans als Vermittler auftreten kann. In dem Moment, in dem er versucht, die Beweggründe des Wladimir Putin zu erklären, ist er nicht mehr wirklich neutral.

Ich glaube, dass Wladimir Putin überhaupt nichtdazu bereit wäre, dass irgendeiner vermittelt. Die Bilder der russisch-orthodoxen Osternacht habe ich noch vor Augen. Wladimir Putin hält da eine Kerze in der Hand, betet und gleichzeitig laufen die Kämpfe weiter. Das ist als Szene schon so zynisch, dass ich sagen muss, dass ich den Optimismus, als Vatikan vermitteln zu können, nicht teile.

Jeder ist natürlich willkommen, der für ein Ende der Kampfhandlungen sorgt. Aber wenn der Papst glaubt, er könne vermitteln, dann muss er auch dafür sorgen, dass sich Russland komplett zurückzieht. Denn das Ende der Kampfhandlungen ist das eine. Das andere ist, dass das Territorium nicht angerührt werden darf. Das sagt auch die Russland-NATO-Akte aus den 90er Jahren, die übrigens auch Wladimir Putin unterschrieben hat.

Ich bin sicher, dass der Papst so viel von der Geschichte kennt, dass er weiß, dass es eine UN-Regelung zur Unberührbarkeit der staatlichen Grenzen gibt. Also, wenn er vermitteln will, dann muss er neutral sein, dann sollte er vor allen Dingen die Opfer im Blick behalten und mit Sicherheit nicht Wladimir Putin. 

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP-Verteidigungsexpertin)

"Ich finde es den Opfern gegenüber geradezu zynisch, eine Erklärung zu finden, warum Putin das macht, was er macht."

DOMRADIO.DE: Der Papst hat Putin nicht offen als Aggressor benannt, was auch von Moskau wiederum instrumentalisiert wird, nach dem Motto: Der Papst ist nicht gegen uns. Aber mal anders gefragt: Was wäre denn gewonnen, wenn der Papst das täte? Dann wären doch alle diplomatischen Türen von Anfang an dicht, oder? 

Eine Frau betrachtet den Krater einer Explosion nach einem russischen Luftangriff in Bachmut in der Oblast Donezk in der Ostukraine / © Evgeniy Maloletka/AP (dpa)
Eine Frau betrachtet den Krater einer Explosion nach einem russischen Luftangriff in Bachmut in der Oblast Donezk in der Ostukraine / © Evgeniy Maloletka/AP ( dpa )

Strack-Zimmermann: Ich glaube in diesem Kontext nicht an Diplomatie. Aber das ist gar nicht das Thema. Ich finde, dass der Papst in seiner Rolle den Blick der Opfer im Auge haben muss. Die Opfer sind die Menschen, die in der Ukraine leben, die dort seit fast 80 Tagen bombardiert werden. Die Opfer sind die, die auf der Flucht sind. Das sind die Opfer eines Aggressors, der das Völkerrecht bricht. Und der Papst selbst, wenn er vermitteln wollte, muss den Blick dieser Menschen im Auge haben. Das hat er nicht gemacht.

Ich finde das höchst bedauerlich, denn es wird gerade um Ostern herum immer wieder für Menschen gebetet, die auf der Flucht sind, denen es nicht gut geht, die arm sind, die verlassen sind.

Wenn er das so sieht, wie er es sieht, ist das als Staatsbürger selbstverständlich sein Recht. Aber ich finde, dass er in dem Moment der Rolle eines Papstes, der vermitteln will, nicht gerecht wird. Ich finde es den Opfern gegenüber geradezu zynisch, eine Erklärung zu finden, warum Putin das macht, was er macht. 

Das Interview führte Tobias Fricke.

Hintergrund: Debatte um Papst-Äußerungen

In einem Interview der italienischen Zeitung "Corriere della Sera" hatte der Papst zu bedenken gegeben, vielleicht habe "das Bellen der Nato an Russlands Tür" Wladimir Putin dazu gebracht, den Konflikt auszulösen.

Dieser Konflikt sei von außen geschaffen worden. Er könne nicht sagen, ob es richtig sei, die Ukraine jetzt mit Waffen zu versorgen, so Franziskus weiter. Zugleich hatte er in dem Interview den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. kritisiert. Dieser dürfe sich "nicht zum Messdiener Putins machen".

Papst Franziskus
  / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR