Stadtdechant Kleine reflektiert seine 30 Jahre als Priester

"Ich habe es wirklich nicht bereut"

Als er im Juni des Jahres 1993 zum Priester geweiht wurde, hatte die Kirche noch einen andere gesellschaftliche Bedeutung. Robert Kleine ist mittlerweile Stadt- und Domdechant von Köln. Er steht immer noch hinter seiner Berufung.

Dom- und Stadtdechant Msgr. Robert Kleine / © Beatrice Tomasetti (DR)
Dom- und Stadtdechant Msgr. Robert Kleine / © Beatrice Tomasetti ( DR )

DOMRADIO.DE: Es hat einen Grund, dass sie nicht in Köln sind. Sie haben auswärts ihr Weihejubiläum gefeiert. Wo und warum?

Domdechant Robert Kleine  / © Beatrice Tomasetti (DR)
Domdechant Robert Kleine / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Kleine: Wir sind mitten im Siebengebirge in Ittenbach, im Tagungshotel "Marienhof" unseres Bistums. Das hat aber nichts mit dem 30-jährigen Jubiläum zu tun. Vielmehr haben wir seit vielen Jahren die Tradition, dass wir uns an dem Sonntag nach unserem Weihetag, von Sonntag auf Montag, treffen. Wir essen dann abends etwas gemeinsam, erzählen uns Dinge.

Am Montagmorgen feiern wir dann die Messe, frühstücken und fahren zurück. Das ist in unserem Kurs eine gute Tradition. Wir haben uns natürlich gefreut, dass wir zusammen sind und dass wir jetzt auf diese 30 Jahre zurückblicken können.

DOMRADIO.DE: Erinnern Sie sich an den Weihetag im Sommer 1993? Wie war das?

Kleine: Ich denke, wie bei Hochzeiten und anderen großen Ereignissen, vergisst man das nicht. Natürlich war das eine eine sehr große Anspannung und Aufregung, in den Dom zu kommen. Ich bin damals als einer von 23 Priestern in einer großen Prozession eingezogen. Man sieht die Menschen, die Familie, die Freunde, die gekommen sind und all das, womit man sich im Studium und in der Ausbildung lange beschäftigt hat.

Das findet dann seinen Höhepunkt in der Weihe. Vor einem liegt dann eine Zeit, von der man hofft, dass man das, was man sich vorstellt, was man auch selber im Studium und in der Ausbildung erfahren hat, an andere Menschen weitergeben kann.

Ich habe mich gefreut, dass es losging. Am Tag der Weihe war schon klar, wo ich als Kaplan hinkomme. Ich bin dann nach Bad Honnef gekommen, also in die Nähe des Siebengebirges, um als Priester dort zu wirken. Das war eine große Vorfreude.

DOMRADIO.DE: Sind denn alle 23 Kandidaten dabei geblieben? Sind alle noch Priester?

Kleine: Wir haben einen Mitbruder, der aus dem Dienst geschieden ist und später altkatholisch geworden ist. Zwei Mitbrüder sind leider schon verstorben. Wir sind nur noch 20 aus dem ehemaligen Kurs.

DOMRADIO.DE: Die Kirche steckt in einer tiefen Krise. Da ist das Priesterdasein für die 20 nicht immer vergnügungssteuerpflichtig, könnte man sich vorstellen. Bereuen Sie es manchmal, diesen Schritt gemacht zu haben?

Domdechant Robert Kleine weiht das neue Reliquiar / © Beatrice Tomasetti (DR)
Domdechant Robert Kleine weiht das neue Reliquiar / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Kleine: Ich denke manchmal, wenn jemand sagt, er habe etwas nie bereut, klingt es seltsam. Aber ich muss es jetzt selber gestehen. Ich habe es wirklich nicht bereut.

Es gab natürlich auch Phasen in diesen 30 Jahren, wo vielleicht in der Pastoral etwas so nicht gelungen ist oder wo es Anfragen gab. Aber grundsätzlich habe ich es nicht bereut. Ich bin auch weiterhin davon überzeugt, dass Krisen und das, was im Moment strukturell und vielleicht auch an Glaubwürdigkeitskrise in der deutschen Kirche sowie weltweit durch den Missbrauch da ist, nichts ist, was das Eigentliche verdunkeln kann.

Es geht ja um nicht irgendetwas, sondern es geht um Jesus Christus. Ihn zu den Menschen zu tragen und in seinem Auftrag ein Zeichen der Liebe Gottes zu schenken, also die Sakramente zu spenden, Gottesdienste zu feiern, das ist der Auftrag und der bleibt bestehen.

Das erfüllt mich mit sehr großer Freude bis in den heutigen Tag hinein. Und ich hoffe natürlich auch, dass das bleibt. Es gibt Dunkelheiten, aber es kann das Eigentliche des Glaubens, wofür der Priester steht, wofür man sich dann auch in den Dienst nehmen lässt, nicht verdunkeln.

Robert Kleine

"Die Freude steht uns ganz gut an, gerade als Christinnen und Christen."

DOMRADIO.DE: Muss man auch Humor haben, um heute Priester sein zu können?

Stadt- und Domdechant Robert Kleine ist im Zoch mit dabei (DR)
Stadt- und Domdechant Robert Kleine ist im Zoch mit dabei / ( DR )

Kleine: Ich glaube, Humor ist grundsätzlich bei jedem Menschen gut, wenn man auch über sich selber lachen kann und wenn man eine gewisse Freude ausstrahlt. Die Freude ist uns eigentlich ins Neue Testament geschrieben. Das ist eine frohe Botschaft, das Evangelium.

Wir haben ja auch einen Primiz-Spruch. Ich musste damals vor der Priesterweihe überlegen, welchen Leitspruch ich für meinen priesterlichen Dienst auswähle. Da habe ich aus dem Psalm 100 gewählt: "Dient dem Herrn mit Freude". Weil das für mich drei Dinge ausdrückt: Erstens, es ist ein Dienst. Also es geht nicht darum, dass man Hochwürden ist, sondern für andere da ist. Zweitens, es geht um den Herrn. Also ich verkündige mich nicht sich selbst, sondern führe Menschen zu Christus, zu Gott hin. Und drittens, ich mache das Ganze mit Freude.

Wenn irgendetwas von diesen drei Dingen kippt oder nicht mehr da ist, dann läuft, glaube ich, im Leben eines Priesters etwas falsch. Also dienen, zeigen und erzählen in Wort und Tat. Von dem verkünden, um den es geht. Und das Ganze mit Freude, darum geht es.

Friedrich Nietzsche hat einmal gesagt, ich würde an die Erlösung glauben, wenn die Christen erlöster aussehen. Und ich glaube, die Freude steht uns ganz gut an, gerade als Christinnen und Christen.

DOMRADIO.DE: Immer weniger junge Männer werden jetzt Priester. Wird es da nicht Zeit, die Zahl der möglichen Kandidatinnen und Kandidaten zu verdoppeln und auch Frauen zuzulassen?

Kleine: Das ist eine Frage, die die Theologie und die Kirche  beschäftigt. Das ist eine sehr kontroverse Frage. Offiziell heißt es, durch Johannes Paul II. sei das Thema erledigt, weil er sagte, es können nur Männer geweiht werden.

Annette Schavan, kfd-Präses Msgr. Robert Kleine und die Diözesanvorsitzende Lydia Wallraf-Klünter / © Beatrice Tomasetti (DR)
Annette Schavan, kfd-Präses Msgr. Robert Kleine und die Diözesanvorsitzende Lydia Wallraf-Klünter / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Ich glaube aber, dass man mit einem solchen Basta-Schritt heutzutage nicht mehr weiterkommt, sondern dass man noch einmal die Zeichen der Zeit erkennen muss. Und dass man miteinander ringen muss, wie es jetzt auch die Bischöfe tun.

Man muss noch einmal aus der Theologie, aus der Tradition, aus dem Evangelium heraus schauen: Wie kann die Ämter-Frage so gelöst werden, dass die Menschen in Zukunft Eucharistie feiern können? Wie haben wir bei uns in Deutschland und auch im Erzbistum noch genügend Priester, dass Gläubige überall einen Gottesdienst erreichen können?

Wenn wir in die Weltkirche hineingucken, gibt es sehr große Probleme. Das zeigte sich schon bei der Amazonas-Synode. Dort ging man der Frage nach, ob nicht wenigstens verheiratete Männer weihen dürfen. Die Frage des Zölibats ist das eine. Das ist eine kirchenrechtliche Frage.

Eine dogmatischen Frage ist, die Ämter der Kirche zu weiten, auch auf Frauen auszuweiten. Ich glaube, die Diskussion wird nicht verstummen und man muss sich damit auseinandersetzen. Man muss überlegen, was das Wichtigste ist, um die Botschaft Jesu zu den Menschen zu tragen. Das wird aber nicht ad hoc geschehen.

Ich glaube, das kann nur ein Konzil am Ende entscheiden. Aber man kann nicht sagen, wir diskutieren darüber nicht. Die Diskussion wird man nicht unterdrücken können.

Robert Kleine

"Das Wichtige ist eben, dass diese Botschaft weiter bestehen bleibt."

DOMRADIO.DE: In 20 Jahren haben Sie goldenes Priester-Jubiläum. Werfen wir also einen Blick nach vorne. Wie wird Kirche dann aussehen?

Kleine: Ich hoffe einmal, so Gott will, dass ich das erlebe. Aber auch, wenn ich da nicht mehr bin, wird sich die Kirche in 20 Jahren geändert haben. Wir sind ja in unserem Erzbistum dabei, die Pfarreien größer zu fassen. Wir wissen, dass wir weniger Geistliche haben, wir haben weniger finanzielle Mittel.

Aber vielleicht wird es dann noch einmal ursprünglicher, dass ich Menschen befähige, die als getauft und gefirmt vor Ort Gemeinde sind und dass die Kirche nicht in erster Linie eine Kirche von hauptamtlichem Personal ist. Menschen können auch eine Berufung haben und sie ausstrahlen, sodass man sich zum Gottesdienst am Sonntag sammelt.

Wir sind vielleicht in den Augen mancher so etwas wie ein Verein. Da tritt man aus und tritt vielleicht wieder ein. Aber das ist ja nicht die Kirche, sondern die Kirche sind lebendige Steine. Lebendige Steine bauen die lebendige Kirche. Wir sind lebendige Glieder.

Wir werden auch nicht mehr so viele Immobilien haben und Kirche wird anders aussehen. Aber das Wichtige ist eben, dass diese Botschaft weiter bestehen bleibt. Vielleicht können wir auch, wenn wir kleiner geworden sind, mehr ausstrahlen von dem, was Kirche ist, nämlich diese frohe Botschaft, dass Gott die Liebe ist und dass alle Menschen von ihm angenommen und geliebt sind.

Diese Botschaft, hoffe ich, wird in 20 Jahren strahlen und vielleicht auch noch mehr strahlen als heute, wo diese Botschaft durch manches etwas verdunkelt ist.

Das Interview führte Katharina Geiger.

Priesterausbildung im Erzbistum Köln

Der Weg zum Priester dauert in der Regel acht Jahre. Nach einem vorbereitenden Jahr studieren die Kandidaten fünf Jahre Theologie. Im Anschluss an das abgeschlossene Studium werden die Kandidaten in das Kölner Priesterseminar aufgenommen. Nach einer kurzen Zeit der Vorbereitung arbeiten sie dann in ihrer Ausbildungsgemeinde. Praktische und theoretische Elemente werden also verknüpft.

 Priesterweihe in Jordanien
 / © Andrea Krogmann (KNA)
Priesterweihe in Jordanien / © Andrea Krogmann ( KNA )
Quelle:
DR