Stadt Wiesbaden bildet ehrenamtliche Helfer aus

Seelsorgerlicher Beistand für Muslime

In Wiesbaden leben etwa 26.000 Muslime. Ansprechpartner in geistlichen Fragen sind die Imame. Wenn ihre Mitglieder ins Krankenhaus oder ins Altenheim kommen, sind die Gemeinden mit der Betreuung allerdings meist überfordert. In Zukunft sollen Seelsorgehelfer diese Lücke füllen.

Autor/in:
Lieselotte Wendl
 (DR)

Seit April werden im Projekt MUSE (Muslimische Seelsorge) die ersten 17 Personen ausgebildet. Nach einer insgesamt 122 Stunden umfassenden Qualifizierung sollen die ersten ab November in den örtlichen Horst-Schmidt-Kliniken eingesetzt werden. Das Besondere: Es handelt sich um ein rein städtisches Projekt. Projektleiterin Gülbahar Erdem freut sich über diese "einzigartige Konstellation". Hier habe die Integrationsvereinbarung, die die Stadt 2007 mit den meisten islamischen Gemeinden getroffen hat, lebendige Gestalt angenommen.

Schon seit Jahren sei in den Sozialsystemen der Bedarf an kultur- und religionssensibler Pflege groß. Das gleiche gelte auch für die Seelsorge. Gerade in persönlichen Krisen, wie sie Alter, Krankheit oder Behinderung mit sich brächten, brauchten Muslime wie Menschen anderer Religionen auch seelsorgerlichen Beistand, sagt die Islamwissenschaftlerin. Dieser könne von den christlichen Krankenhausseelsorgern nicht geleistet werden. "Hier fehlt nicht nur der Zugang durch die Sprache, sondern auch das grundlegende religiöse Verständnis."

"Ich selbst lerne dabei viel"
Das sieht Sunny Panitz der, im Wiesbadener Dekanat für die Krankenhausseelsorge zuständig, genauso. Der Pfarrer der evangelischen Ringkirchengemeinde sitzt neben den Vertretern der islamischen Gemeinden, der katholischen Kirche sowie weiteren Fachleuten aus Recht, Theologie und Psychologie und der Horst-Schmidt-Kliniken in einem Fachbeirat, der das Projekt unterstützt.

Panitz schätzt die Gespräche im Beirat und Erdem als einen "Glücksfall für den interreligiösen Dialog" in Wiesbaden. "Ich selbst lerne dabei viel", sagt er und macht auch einen Lerneffekt für die christlichen Seelsorger aus. Wenn der Stellenwert der Rituale, wie etwa das Vorlesen der richtigen Sure aus dem Koran, angesprochen werde, "führt uns das auch zurück zur Bedeutung des biblischen Wortes im Seelsorgegespräch". Dass MUSE als ein ambitioniertes rein städtisches Projekt laufe, bringe gleichzeitig für die Muslime die Gewissheit, dass ihre Religion anerkannt werde.

Die Inhalte der Ausbildung hat Erdem entwickelt und konnte dabei auch auf Erfahrungen der christlichen Seelsorge zurückgreifen. Im ersten Teil der Schulung lernen die Teilnehmenden die personenzentrierte Gesprächsführung. Der zweite Teil ist den islamischen Themen und theologischen Fragestellungen vorbehalten.

Gebete müssten gelernt oder gefestigt werden
"Das setzt die Klärung der eigenen Religiosität voraus", sagt Erdem. Gebete müssten gelernt oder gefestigt werden, verlorengegangene Fertigkeiten und Rituale - wie etwa das der Totenwaschung - neu erworben werden. Aber auch Speisevorschriften, Sprachprobleme und das Thema Schamgefühl kämen zur Sprache.

Der dritte Teil der Schulung befasst sich mit strukturellen Fragen. Die Helfer lernen weitere Hilfeangebote in der Stadt kennen. An diese können sie verweisen, wenn sie selbst an ihre Grenzen stoßen.

Erdem macht unter den zehn Frauen und sieben Männern zwischen 24 und 62 Jahren - von der Hausfrau bis zum Akademiker - eine hohe Motivation aus. Bei der Auswahl zum Seelsorgekurs wurde darauf geachtet, möglichst viele Nationalitäten einzubeziehen. Die Menschen kommen zum Beispiel aus der Türkei, Bosnien oder dem arabischen Raum und sind zum großen Teil mehrsprachig.

Wenn die ersten muslimischen Seelsorger ihren ehrenamtlichen Dienst antreten, werden einige auch in die Justizvollzugsanstalt gehen. Dort können muslimische Häftlinge zwar schon seit etlichen Monaten zum Freitagsgebet kommen. Doch muslimische Seelsorge gab es bisher nicht. "Die ist aber dringend nötig", so Projektmitarbeiter Husamuddin Meyer. Auch die Haft stürze den Menschen in Krisen, in denen er religiösen Beistand brauche.