Koranübersetzer will Poesie & Schönheit des Textes aufzeigen

"Das lebendige Herz des Islam"

In den nächsten Wochen kommen die Verlage Beck und Herder jeweils mit einer Koranübersetzung auf den deutschen Markt.

Autor/in:
Volker Hasenauer
 (DR)

Ahmad Milad Karimi, Islamwissenschaftler und Philosoph, beschreibt im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Freiburg, wie er seine Faszination für den heiligen Text aus dem arabischen Original ins Deutsche übertragen will. Der aus Afghanistan nach Deutschland geflohene Intellektuelle und gläubige Muslim will die religiöse Kraft und sprachliche Schönheit des Koran aufzeigen.

KNA: Herr Karimi, es gibt zahlreiche deutsche Übersetzungen des
Karimi: von wissenschaftlich trocken bis blumig romantisch. Warum legen Sie nun nach mehrjähriger Arbeit eine eigene Übertragung vor?
Karimi: Die vorliegenden wissenschaftlichen Übersetzungen sind wichtig, weil sie möglichst genau den Textinhalt zu übertragen versuchen. Was aus meiner Sicht aber fehlt, ist der Versuch, das Wie zu berücksichtigen, die Sprachform, wie der Koran etwas sagt. Denn hier liegt ein Grund, warum der Koran zum lebendigen Herz des Islam geworden ist, und warum Muslime so gerührt und fasziniert vom Koran sind.

KNA: Worin sehen Sie das formal Besondere, das Geheimnis für die Wirkmacht des Koran?
Karimi: Da kommen sehr viele Dinge zusammen. Der Koran ist durchweg in einer Art gereimter, melodisch-rhythmischer Sprache verfasst; er ist voller Wortspiele und Lautmalereien. Auch werden Spannungen aufgebaut, die erst nach Unterbrechungen aufgelöst werden. Gleichnisse stehen neben Sätzen, deren Bedeutung offen bleiben muss, die man nicht auf einen eindeutigen Inhalt festlegen kann. Manchmal bleibt der Text unverständlich. Es ist eine ungeheure Vielschichtigkeit, die man nie ganz fassen kann.

KNA: Was bedeutet das für Ihre Übersetzung?
Karimi: Ich versuche, möglichst viele dieser Charakteristika ins Deutsche zu übertragen. Ich schätze die deutsche Sprache sehr, weil sie so ungeheuer vielseitig ist, vieles kann man dem arabischen Original nachbilden. Etwa die Wortstellung, Adjektive hinter das Wort zu stellen. Das mag am Anfang merkwürdig klingen, wenn man sich aber darauf einlässt, kann man etwas vom Rhythmus des Originals spüren. Wichtig war mir auch, nicht der Versuchung zu erliegen, allzu viel glätten und eindeutig erklären zu wollen, was bisherige Übersetzungen oft versucht haben.

KNA: Spielt es eine Rolle, dass Sie gläubiger Muslim sind?
Karimi: Ja, denn ich verstehe den Koran nicht als Text wie jeden anderen, sondern als die Offenbarung Gottes. Ich habe große Ehrfurcht vor dem Text und weiß um die enorme Verantwortung, die ich durch die Übersetzung übernehme. Meine Übertragung kann sich dabei nie mit dem Original messen und wird insofern immer scheitern.

KNA: Für welche Leser haben Sie übersetzt?
Karimi: Natürlich für alle! Ich hoffe auf viele interessierte nichtmuslimische Leser. Zugleich könnte ich mir vorstellen, dass in Deutschland lebende Muslime, die vielleicht nicht sehr gut Arabisch verstehen, meine Übersetzung mit Gewinn lesen könnten. Es geht mir zum Beispiel auch darum, junge Muslime in ihrer Religiosität zu unterstützen, indem sie erfahren können, welch wundervolles Buch der Koran ist. Sie sollen dies auf Deutsch erleben können und so aus einer vielleicht vorhandenen Parallelwelt ausbrechen. Ich glaube, viele Muslime werden die Übersetzung eines gläubigen Muslims eher annehmen als die eines christlichen Theologen oder Philologen.

KNA: Oft kursieren Koranzitate, aus denen Aufrufe zur Unterdrückung der Frau oder zur Gewalt gegen Nicht-Muslime abgeleitet werden. Wie sind Sie mit solchen Passagen umgegangen?
Karimi: Zunächst ist festzuhalten, dass im Koran weder von der Unterdrückung der Frau noch von einem Aufruf zur Gewalt gegen die Nicht-Muslime zu lesen ist. Stellen, die man vielleicht in dieser Hinsicht interpretieren könnte, sind keineswegs leicht und eindeutig zu verstehen. So zum Beispiel auch in Sure 4,34, wo es die vielzitierten Worte gibt, wonach "widerspenstige" Frauen "geschlagen" werden sollen. In der islamischen Koranauslegung gibt es zahlreiche Kommentierungen zu dieser Stelle: Was bedeutet "widerspenstig", wie ist das im Original verwendete Verb "schlagen" zu verstehen? Maßgebliche Kommentare betonen, dass "schlagen" nicht wörtlich verstanden werden dürfe. Da stößt die Übersetzung an Grenzen, weil ich diese Diskurse nicht unmittelbar berücksichtigen kann.

KNA: Sie verzichten auf Fußnoten oder eine historisch-kritische Einordnungen der Suren, warum?
Karimi: Keineswegs aus Faulheit oder Unwissenheit. Vielmehr ist es eine bewusste Entscheidung, anhand der im Islam am weitesten verbreiteten Textfassung, dem sogenannten Kairiner Koran, die Schönheit des Textes deutlich zu machen, den Koran auch im Deutschen als Offenbarung Gottes zu zeigen. Er ist kein normaler Text, den man im Stillen studiert, sondern der Koran lebt davon, mit Andacht und Ehrfurcht laut vorgetragen und angehört zu werden. Das nachvollziehbar zu machen, ist mein Ziel. Vielleicht wäre deshalb auch ein Hörbuch keine schlechte Idee.