St. Agnes feiert am Montag Fastelovendgottesdienst

"Viele Karnevalslieder sind wie moderne Psalmen"

500 Jecke in Bänken, Kölsche Musik zum Mitsingen und Schunkeln und Ludwig Sebus, Urgestein des Kölner Karnevals, hält die Predigt. Peter Otten, Kölner Pastoralreferent, erzählt mehr über einen Gottesdienst in außergewöhnlichem 'Ritus'.

Pastoralreferent Peter Otten spricht während eines Gottesdienstes für Karnevalisten am Rosenmontag in der Kirche Sankt Agnes am 28. Februar 2022 in Köln. / © Theodor Barth (KNA)
Pastoralreferent Peter Otten spricht während eines Gottesdienstes für Karnevalisten am Rosenmontag in der Kirche Sankt Agnes am 28. Februar 2022 in Köln. / © Theodor Barth ( KNA )

DOMRADIO.DE: "Sing mich noh hus," also "Sing mich nach Hause" ist das Motto des Gottesdienstes. Ist das grammatikalisch so gewollt?

Peter Otten (Pastoralreferent im Erzbistum Köln): Uns hat dieses Lied von Kasalla einfach umgehauen, weil ich finde, dass es eines der schönsten in dieser Session ist. Und es bringt in einem Satz ein Gefühl auf den Punkt. Ein österliches Gefühl – sing mich nach Hause. Also durch ein Lied, durch gemeinsames Singen die Heimat entdecken. Das geht nur in Köln.

Peter Otten, Pastoralreferent St. Agnes, Köln. / © Sebastian Linnerz (KNA)
Peter Otten, Pastoralreferent St. Agnes, Köln. / © Sebastian Linnerz ( KNA )

Uns hat das Motto sehr gefallen, weil es auch auf Ostern verweist und weil wir in Zeiten leben, in denen wir auch alle noch mal über Heimat nachdenken und auf der Suche sind nach Orten, an denen wir Zuhause sein können. Deshalb haben wir um dieses Lied, das am Montag auch gesungen wird, diesen Gottesdienst gebaut.

DOMRADIO.DE: Jetzt ist ja die Kombination Singen und Kirche keine Unbekannte. Aber was machen denn die Karnevalslieder noch mal anders mit den Menschen in der Kirche?

Otten: Wir haben vor zwei Jahren damit angefangen. Da war ja Corona-Lockdown, nichts durfte stattfinden, der Karneval ist ausgefallen und die Menschen kamen und haben gesagt, Mensch, ausgerechnet jetzt, wo wir den Trost des Karnevals gebrauchen könnten, fällt er aus. Aber ein Gottesdienst durfte stattfinden. Da haben wir uns vorgenommen, den Gottesdienst zu feiern und und so den Trost der Karnevalsmusik darin einzubringen.

Es gibt viele Karnevalslieder, die wie moderne Psalmen sind, zum Beispiel "Sing mich noh Hus" oder "Mir schenke der Ahl e paar Blömcher", das könnte auch im Evangelium. In der Religion geht es um Glaube, Liebe und Hoffnung. Und der Karneval, der bricht das runter, in die Herzen der normalen Menschen. Und deswegen gibt es da schon einen Zusammenhang.

Wir leben in einer Zeit, in der wir Trost, Zuspruch und Hoffnung brauchen. Das alles bringt uns auch der der Karneval. Letztes Jahr haben wir das zum Zweiten Mal gemacht und in diesem Jahr zum Dritten Mal. Darauf freuen wir uns einfach sehr.

Peter Otten

Wir leben in einer Zeit, in der wir Trost, Zuspruch und Hoffnung brauchen. Das alles bringt uns auch der der Karneval.

DOMRADIO.DE: Jetzt kommen ja richtige Größen. Kasalla und Brings sind zum Beispiel dabei, die haben ja viel zu tun in dieser Zeit und stehen der Kirche vielleicht auch ein bisschen kritisch gegenüber. Kommen die gerne? Mussten sie die überzeugen?

Otten: Unser Türöffner ist Georg Hinz, der Erfinder von "Loss mer singe". Der kennt ja alle. Der Georg ist ein großartiger Typ und dem kann man einfach nicht absagen. Bis auf Nici Kempermann, Kasalla und Ludwig Sebus sind auch alle schon mal da gewesen. Stefan Knittler und Stephan Brings sind ja schon alte Hasen und Micki Schläger von den Höhnern war letztes Jahr schon da.

Die kommen alle gerne, weil sie das auch spüren, dass der Karneval so etwas wie eine säkulare Religion ist. Weil es da auch Bezüge gibt, finden sie unseren Gottesdienst in der Kirche spannend.

Innenstadtpfarrer Dr. Dominik Meiering und der Krätzchensänger und Komponist Ludwig Sebus haben gemeinsam Spaß. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Innenstadtpfarrer Dr. Dominik Meiering und der Krätzchensänger und Komponist Ludwig Sebus haben gemeinsam Spaß. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

DOMRADIO.DE: Und predigen wird wird ja Ludwig Sebus, der 97 Jahre alt ist. Sie haben ja bestimmt schon im Vorfeld mit ihm gesprochen. Wie wichtig ist dem denn diese Verbindung von Karneval und Kirche?

Otten: Der Georg hat mit dem Ludwig Sebus schon gesprochen – der freut sich wie ein Bagger. Wir sind auf ihn gekommen, weil er letztes Jahr in der Kölnarena bei "Arsch huh" eine sehr überzeugende Rede gegen den Nazi-Quatsch gehalten hat.

Und wenn einer etwas über die Bedeutung von Heimat erzählen kann, dann ist das jemand, der 97 ist und der auch den Zweiten Weltkrieg und diesen ganzen Wahnsinn noch selbst erlebt hat. Der Ludwig ist so einer und alles, was ich von ihm kenne, gelesen und gehört habe, sagt mir, dass er auf der Suche nach der Heimat war und sie im Karneval gefunden hat.

DOMRADIO.DE: Jetzt kostet so ein Gottesdienst natürlich auch etwas. Da haben Sie sich ein spezielles Crowdfunding ausgedacht. Unter den Kategorien wie "11-Euro-Spende" oder "Allerletzte Müüs-Spende" können Unterstützungsfreudige den Gottesdienst ermöglichen. Denn Sie wollen auf die Finanzen der Kirchenhierarchie nicht angewiesen sein. Warum ist Ihnen diese Unabhängigkeit wichtig?

Otten: Erst mal kommen alle Künstlerinnen und Künstler umsonst. Das ist so ein wahnsinniges Geschenk. Das können wir jedes Jahr kaum glauben. Alle, die da auftreten, kommen ohne Gage. Das ist schon mal der Wahnsinn. Die Menschen, die alles ins Internet übertragen, die Technik bereitstellen, haben es im ersten Jahr auch umsonst gemacht, weil sie einfach arbeitslos waren und nichts zu tun hatten.

Eindrücke vom Rosenmontagsgottesdienst in St. Agnes / © Beatrice Tomasetti (DR)
Eindrücke vom Rosenmontagsgottesdienst in St. Agnes / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Jetzt ist wieder was zu tun und jetzt sollen die auch Geld verdienen und das ist nicht billig. Aber wir glauben an die Idee und manchmal muss man eben investieren. Zudem glauben wir auch, dass Menschen auch bereit sind, für schöne Ideen ihr Herz zu erheben, sozusagen auch solidarisch zusammenzustehen, um ein bisschen Geld zu geben.

Wir würden uns freuen, wenn die Menschen, die uns im Internet zugucken, uns dann beispielsweise über Paypal einen kleinen Beitrag spenden.

DOMRADIO.DE: Zugucken kann man übrigens auch hier bei uns auf DOMRADIO.DE. Aber wer kann denn rein in die Kirche am Montag um 18:00 Uhr?

Otten: Gottesdienste sind immer offen und öffentlich. Wir haben lange genug Tickets verteilt. Es gibt kein Corona mehr, deswegen haben wir uns entschieden, wir machen die Tür auf. Wer kommt, der kommt. Es kann natürlich sein, dass es sehr voll wird. Es kann auch sein, dass es dann nachher Zufall wird. Wir werden sehen. Aber wir wollten einfach keine Tickets verkaufen.

Peter Otten

Gottesdienste sind immer offen und öffentlich. Wir haben lange genug Tickets verteilt. Es gibt kein Corona mehr, deswegen haben wir uns entschieden, wir machen die Tür auf.

Gottesdienste sind immer öffentlich. Wer nicht mehr reinkommt, wem es am Wochenende zu kalt werden oder wer lieber zu Hause, vor der Heizung oder vor dem Kamin mitfeiern will, der kann das im Internet tun. Das wird wirklich hochwertig übertragen, das wird Fernsehformat.

DOMRADIO.DE: Und Sie haben ja jetzt hier vor mir schon eine rot-weiße Narrenkappe an. Sind Sie denn auch verkleidet am Montag oder bleibt es dann dabei?

Otten: Ich werde auf jeden Fall diese Kappe tragen. Ich trage sie jetzt schon zum dritten Mal. Unsere liebe Pfarrsekretärin hat mir die mal selber genäht und mir geschenkt. Ich finde die total großartig. Ich glaube, ich werde dazu einen roten Rock anziehen und den Mottoschal und das war es dann.

Das Interview führte Heike Sicconi.

Quelle:
DR