DOMRADIO.DE: Sie sind begeisterter Fußballfan. Frauen- und Männerfußball unterscheiden sich vor allem bei der Athletik. Wo denn ansonsten noch?

Thorsten Kapperer (Pastoralreferent, Beauftragter des Bistums Würzburg für Kirche und Sport sowie geistlicher Beirat des DJK-Diözesanverbands Würzburg): Vor ein paar Tagen hat Cristiano Ronaldo seinen Vertrag bei dem saudi-arabischen Topclub Al-Nassr bis 2027 für über 600 Millionen Euro verlängert. Man denkt immer, es wäre eine Grenze erreicht. Das ist ein Symbol dafür, dass im Männerfußball strukturell viel mehr Geld unterwegs ist als im Frauenfußball.
Ich will nicht immer die Damen mit ihrem Kaffeeservice als Prämie von 1989 zitieren: Das ist schon längst Fußballgeschichte, das ist ein grobschlächtiger Vergleich, das ist heute anders, damals waren sie noch als Amateurinnen eingestuft.
Zum anderen gibt es Unterschiede im Spiel von der Aggressivität her. Frauenfußball wird in den letzten Jahren schon immer intensiver gespielt, aber wenn ich an diese klassischen Rudelbildungen denke, die es im Männerfußball regelmäßig gibt, beobachte ich das im Frauenfußball nicht. Dieses schlechterdings Aggressive beobachte ich im Männerfußball mehr.
DOMRADIO.DE: Nach den Vorrunden-Aus der deutschen Frauen bei der WM vor zwei Jahren waren Sie ziemlich enttäuscht und auch bedient. Haben Sie jetzt wieder Lust auf die EM?
Kapperer: Auf jeden Fall. Das war damals schon sehr enttäuschend. Ich bin im Männerfußball Fan vom VfB Stuttgart und bin es in den letzten Jahren gewohnt auch mal abzusteigen. Es geht immer weiter im Fußball. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Jetzt liegt der volle Fokus auf die anstehende EM der Damen.

DOMRADIO.DE: Was kann die Kirche vom Fußball für ihre Zukunft lernen? Im Fußball haben Frauen längst ihre Rolle gefunden. Wann gelingt der nächste Schritt in der Kirche?
Kapperer: Das wäre schön, wenn ich es Ihnen beantworten könnte. Die Entwicklung der Rolle der Frau in der Kirche geht voran, allerdings relativ langsam. Papst Franziskus hat noch Simona Brambilla zur Leiterin eines Dikasteriums, also einer Hauptabteilung im Vatikan, ernannt. Es ist die erste Frau in dieser Position.
Ich beobachte bei uns im Bistum Würzburg, dass viele profilierte Kolleginnen in Führungspositionen sind und das auch sehr gut machen. Da tut sich schon was. Allerdings haben wir die Frage der Weihe zu Diakoninnen offen, da traue ich mir keine Einschätzung zu, das geht mir alles zu langsam.
Natürlich sind wir Teil der Weltkirche und es muss alles überlegt sein, aber die Argumente sind ja längst auf dem Tisch. Ich hoffe ehrlich, dass Papst Leo die Linie von Papst Franziskus fortführt, an den dringlichen Fragen dranbleibt und es eine ähnliche Entwicklung wie im Frauenfußball gibt, der jetzt noch nicht auf der Höhe des Männerfußballs ist, aber in den letzten Jahren kräftig zugelegt hat. Das wäre der Kirche auch zu wünschen.
DOMRADIO.DE: Für viele Fußballfans ist der Fußball eine Art Ersatzreligion. Das sehen Sie nicht so. Warum und was ist der Fußball stattdessen?
Kapperer: Ich bin immer dafür, den Fußball Fußball sein zu lassen und die Religion Religion, weil dem Fußball das Moment der Transzendenz fehlt, also das, was über diese Welt hinausweist. Das hat die Religion sehr stark, das kann und will der Fußball nicht haben. Der Deutsche Fußballbund hat bei seiner Gründung darauf hingewiesen, dass er weltanschaulich neutral ist. Das sollte man ernst nehmen. Ich möchte auch als Fußballfan nicht religiös vereinnahmt werden.
Ich finde es viel spannender zu fragen, wo Facetten und Eigenschaften von Religion im Fußball zu erkennen sind. Wenn ich zum Beispiel an Gemeinschaft und Leidenschaft denke, sind das auch zwei große Eigenschaften von Religion. Religion ist wahnsinnig leidenschaftlich, und ich muss keinem Fußballfan erzählen, wie leidenschaftlich der Fußball sein kann.
DOMRADIO.DE: Die deutschen Frauen haben ihr erstes Spiel am Freitag den 4. Juli gegen Polen um 21 Uhr. Was erwarten Sie vom Team beim Turnier?
Kapperer: Einen klaren Sieg natürlich. Polen ist in der Weltrangliste zwar hinter der deutschen Mannschaft, aber trotzdem eine sehr gute Mannschaft. Danach kommen Dänemark und Schweden als Gegner, das wird sehr eng alles. Es ist eine sehr schwere Gruppe. Also, ich hoffe mindestens auf das Halbfinale. Die Stimmung ist ganz gut, die Mannschaft ist fokussiert, aber doch mit einer gewissen Lockerheit unterwegs. Ich habe schon einige Erwartungen und richtig Lust drauf.
Das Interview führte Carsten Döpp.