Splitter und Fun Facts zum Marseille-Besuch von Franziskus

Papstwein, Gebäckschiffchen und ein Rollstuhl

Der Besuch von Papst Franziskus in Marseille bewegt die Menschen. So etwa Tausende Schaulustige zur großen Messe im Stadion von Olympique. Aber auch Künstler und Handwerker mit ganz besonderen menschlichen Erfahrungen und Antennen.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Papst Franziskus verlässt Flugzeug / © Paul Haring (KNA)
Papst Franziskus verlässt Flugzeug / © Paul Haring ( KNA )

Bei seinem Besuch in Marseille am Wochenende erhält Papst Franziskus ein wirklich einmaliges Geschenk: einen kunstvoll handgefertigten Rollstuhl – aus Holz, das vom Brand in Notre-Dame übrig blieb. Und auch der Schreiner, Paul de Livron, hat eine einzigartige Geschichte, voller Tragik und Kreativität. Die Zeitung "La Croix" hat ihn in seiner Werkstatt in der Dordogne besucht.

Als de Livron Franziskus Anfang Mai im Vatikan ein Modell davon übergab, sei dieser begeistert gewesen. Hohe Rückenlehne, massive Armlehnen und feine Rundungen: ein Rollstuhl wie ein Thron, erst recht in Kontrast zum aktuellen Gefährt des Papstes.

Brandschäden an Notre-Dame (17.4.2019) / © Gigarama.Ru (dpa)
Brandschäden an Notre-Dame (17.4.2019) / © Gigarama.Ru ( dpa )

Rollstuhl aus Holz

Seit einem Badeunfall im Studium 2013 ist de Livron querschnittsgelähmt. Seinen ersten Ausflug im Rollstuhl fand er grausam; weil er "den Eindruck hatte, dass alle über mich redeten". Jahre später, während eines Schreiner-Praktikums, machte es bei dem Ingenieur "klick". Er kam auf die Idee, einen Rollstuhl aus verleimten Holzteilen herzustellen. Das lässt große Freiheit bei der Wahl der Formen.

Der 32-Jährige entwirft die Holzteile am Bildschirm; eine automatisierte Maschine schneidet sie. Mit seinem eigenen Rollstuhl hat Paul de Livron das Gefühl, seine Würde wiedererlangt zu haben. "Als ich damit in Paris unterwegs war, sahen mich die Leute nicht mehr mit den gleichen Augen an. Sie fragten, wo ich den Stuhl gekauft habe." Sein Wunsch ist nun, eine Produktion kostengünstiger Holzrollstühle "in und für Entwicklungsländer" aufzubauen.

Notre-Dame dabei

Der frühere katholische Pfadfinder war zunächst nicht der größte Fan von Franziskus, wie er selbst sagt. Doch mit der Zeit lernte er dessen Mut schätzen, Dinge anzugehen. Paul de Livron hofft, dass er ihm für den Rest seines Pontifikats helfen kann. Auf seinem neuen Stuhl kann der 86-Jährige künftig seine Arme auf Lehnen aus Holz ausruhen, das aus Notre-Dame geborgen wurde.

Ein Papst-Wein "Laudato si"

Der Messwein für den Papstgottesdienst im Stadion von Olympique Marseille stammt von der Loire. Als der Papstbesuch angekündigt wurde, produzierten Aude-Reine und Regis Anouil gerade erst seit fünf Jahren – doch das Paar bot sich den Organisatoren spontan für Messweine an. Ein paar E-Mails später mit Kardinal Jean-Marc Aveline war es geschafft. Zwei Flaschen Grenache-Weißwein des Jahrgangs 2021 schickten sie für den Papstaltar nach Marseille: biologisch hergestellt, 100 Prozent reiner Saft.

Weintrauben / © mythja (shutterstock)

Enzyklika brachte Lebenswandel 

Dazu kommen noch zwei Flaschen Roter fürs Mittagessen ins Paket – aus einem besonderen Jahrgang. "'Laudato si' gehört für uns zum besten unserer Weine", erklärt Aude-Reine Anouil. Tatsächlich war die 2015 veröffentlichte Enzyklika von Franziskus der Ausgangspunkt für ihren buchstäblichen Lebenswandel. Vorher war Aude-Reine Juristin und Kanzlerin des Bistums Nanterre; Regis war Chefredakteur in der Kirchenpresse.

Auf der Suche nach einem einfachen Lebensstil und mehr Nähe zur Natur schlossen sie sich dem Öko-Dörfchen Benisson-Dieu an. Zu dem Weilergehören heute etwa zehn Familien, die ganzheitliche Ökologie im Beruf und im täglichen Leben umsetzen wollen. Regelmäßig treffen sie sich für gemeinsame Projekte in Handwerk, Bildung und Landwirtschaft. Der erste Jahrgang "Laudato si" wurde 2021 abgefüllt. "Das war eine Möglichkeit, die Enzyklika als Roten Faden in unser neuen Lebens zu ziehen", sagt Aude-Reine.

Erster Papst in Marseille seit fast 500 Jahren

490 Jahre ist es her, dass zuletzt ein Papst Marseille besuchte: der Florentiner Clemens VII. aus dem Haus Medici nahm hier 1533 an der Hochzeit seiner Nichte Katharina de Medici mit Frankreichs künftigem König Heinrich II. teil. Clemens kannte die Hafenstadt gut, war sogar seit 1517 Kommendatar-Abt (Laienabt) der renommierten Abtei Sankt Viktor.

In der Epoche, als die Päpste im nahegelegenen Avignon residierten (1309-1376/1415), waren die Verbindungen zahlreicher: Der Franzose Urban V. (1362-1370) war vor seiner Papstwahl Abt von Sankt Viktor. Er kehrte mehrfach dorthin zurück, wurde sogar in Marseille beigesetzt. Sein Nachfolger Gregor XI. (1370-1378) war der bislang letzte Papst aus Frankreich. Mit ihm kehrte das Papsttum nach Rom zurück. Dorthin eingeschifft hat er sich – in Marseille.

Seltener Gast 

Nach Gregors Tod wurde sowohl für Rom wie für Avignon ein Papst gewählt – wobei letztere als irregulär, als sogenannte Gegenpäpste, in die Geschichte eingingen; ihre Papstnamen wurden später neu vergeben. Der erste war Clemens VII. (1378-1394) und kam über Marseille nach Avignon. Der andere, der Spanier Pedro de Luna (Benedikt XIII., 1394-1423) fand dort Zuflucht.

Einige Päpste des 19. und 20. Jahrhunderts waren vor ihrer Wahl als Besucher in Marseille: Pius IX. 1823, Leo XIII. 1843, Benedikt XV. 1913, Pius XI. 1893, Johannes XXIII. 1905, Paul VI. 1934 und Johannes Paul II. 1947. Für den Argentinier Franziskus ist es allemal eine Premiere.

Ein Schiffchen als Glücksbringer fürs ganze Jahr

Ein religiöser Brauch, der von der tiefen Frömmigkeit der Marseiller zeugt, ist das Spektakel, das sich am 2. Februar, dem Fest Mariä Lichtmess, zum Abschluss der Weihnachtszeit beim "Four des Navettes" abspielt, dem "Schiffchenofen". Diese älteste Bäckerei der Stadt von 1781 stellt nach streng gehütetem Rezept ein schiffsartig geformtes Biskuit her, das an die legendäre Landung der drei Marien in Les-Saintes-Maries-de-la-Mer an der provencalischen Küste erinnern soll.

Prozession zur Bäckerei 

Schon früh um fünf ziehen die gläubigen Marseillais vom Alten Hafen hinauf zur Morgenmesse in die Traditionsabtei Sankt Viktor. In der spätantiken Krypta ziehen sie der dort aufbewahrten Schwarzen Madonna einen grünen Mantel an und tragen sie mit grünen Kerzen in der Hand in Prozession durch das Viertel.

Station macht die fromme Gesellschaft dann auch in der Bäckerei, aus der schon seit drei Uhr morgens der Duft von Orangenblüten strömt. Der Erzbischof von Marseille segnet den Ofen, und von der Abtei her bis zur Bäckerei bildet sich eine schier endlose Schlange. Die Tradition will, dass jede Familie mindestens eins der Gebäckschiffchen bis zum nächsten Jahr aufbewahrt: als Schutzbringer für ihr Haus.

Programm des Papstes in Marseille im September

Papst Franziskus reist am 22. und 23. September zum "Mittelmeer-Treffen" in die südfranzösische Hafenstadt Marseille. Die KNA dokumentiert noch einmal das vom Vatikan veröffentlichte Reiseprogramm in eigener Übersetzung. Alle Zeitangaben entsprechen der Mitteleuropäischen Sommerzeit (MESZ).

Apostolische Reise Seiner Heiligkeit Franziskus nach Marseille zum Abschluss des "Mittelmeertreffens"

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Freitag, 22. September 2023: Rom – Marseille

14.35 Uhr: Abflug vom römischen Flughafen Fiumicino nach Marseille.

Kathedrale La Major in Marseille / © posztos (shutterstock)
Kathedrale La Major in Marseille / © posztos ( shutterstock )
Quelle:
KNA