Spitzentreffen im Kanzleramt soll Beschluss zu Laufzeitverlängerung bringen - Kirchen sind geschlossen dagegen

Kernkraft voraus?

Nach monatelangem Ringen will die Bundesregierung am Wochenende über die Laufzeitverlängerung für die deutschen Atomkraftwerke entscheiden. Vertreter beider Kirchen hatten im Vorfeld ein Festhalten am Atomausstieg gefordert. Zwei von drei Deutschen sehen das genauso.

 (DR)

ZDK-Präsident Alois Glück sagte gegenüber domradio.de, man müsse ernst machen mit "der Brückentechnologie". Kernenergie dürfe "keinesfalls isoliert mit einer Laufzeitverlängerung behandelt werden, das wäre eine schwere Verfehlung gegenüber dem Prinzip der Nachhaltigkeit."



Evangelische Kirchen in Deutschland hatten in dieser Woche anlässlich des ersten bundesweiten Tages der Schöpfung am vergangenen Freitag ein Festhalten am Atomausstieg gefordert. "Längere Laufzeiten von atomkraftwerken führen in eine gefährliche Sackgasse", hieß  es einer gemeinsamen Erklärung der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Vereinten Evangelischen Mission. Auch die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau lehnte am Donnerstag längere Laufzeiten für die 17 deutschen Kernkraftwerke ab.  



Die Mehrheit der Deutschen ist ebenfalls gegen eine Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke um zehn bis 15 Jahre. Nach dem aktuellen "ARD-Deutschlandtrend" sprechen sich 59 Prozent der Deutschen gegen den Vorschlag von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aus, wie der WDR am Freitag in Köln mitteilte. Eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten fänden 37 Prozent der Befragten "grundsätzlich richtig".



Abstimmung am Mittwoch

Bei dem Treffen im Kanzleramt am Sonntag (05.09.2010) soll die Frage abschließend diskutiert und entschieden werden. An den Gesprächen nehmen außer Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), Umweltminister Norbert Röttgen (CDU), die Spitzen der schwarz-gelben Koalition sowie die Vorsitzenden der zuständigen Arbeitsgruppen teil.



Pfeiffer kündigte an, dass Mitte kommender Woche die Fraktionen von Union und FDP über den Vorschlag der Spitzenrunde abstimmen sollen. Der Unions-Politiker zeigte sich zugleich überzeugt: "Die Laufzeitverlängerung wird mit Sicherheit vom Bundesverfassungsgericht höchstrichterlich entschieden werden. " Mehrere Forschungsinstitute hatten in den vergangenen Wochen die Auswirkungen von Laufzeitverlängerungen um 4, 12, 20 und 28 Jahre berechnet. Bislang ist der Atomausstieg für das Jahr 2022 gesetzlich festgeschrieben.



Die Verfassungsfrage

Das Bundespräsidialamt wies derweil einen Zeitungsbericht über eine Vorentscheidung zur Laufzeitverlängerung zurück. Das "Handelsblatt" hatte berichtet, dass die Meiler laut einem internen Gutachten der Verfassungsjuristen von Bundespräsident Christian Wulff ohne eine Zustimmung des Bundesrats höchstens neun Jahre länger am Netz bleiben können. Das Bundespräsidialamt stellte jedoch klar: "Ein solches Gutachten existiert nicht." Man werde die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes prüfen, sobald nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ein entsprechendes Gesetz zur Ausfertigung vorgelegt wird.



Merkel hatte zuletzt Sympathien für eine Laufzeitverlängerung von 10 bis 15 Jahren erkennen lassen, hatte zugleich aber klargemacht, dass sicherheits- und verfassungsrechtliche Fragen ebenfalls berücksichtigt werden müssten.



Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin betonte, Merkel, Röttgen und Brüderle stünden nun vor der Frage, wie viel Verfassungsbruch sie in Kauf nehmen wollen. Namhafte Verfassungsrechtler hätten bereits festgestellt, dass jede Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke der Zustimmung des Bundesrates bedarf, sagte er. In der Länderkammer hat Schwarz-Gelb seit der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen keine Mehrheit mehr.