Spekulationen über den Weggang des Schweizergarde-Chefs

War er zu streng?

Die Mitteilung kam unerwartet: Der Heilige Vater hat verfügt, dass Oberst Daniel Anrig, Kommandant der Schweizergarde des Vatikan, sein Amt bis zum 31. Januar niederlege. Gründe wurden nicht genannt. Das beflügelt die Spekulationen.

Autor/in:
Thomas Jansen
Schweizer Gardisten (KNA)
Schweizer Gardisten / ( KNA )

Anrig sei zu streng mit den Gardisten gewesen, schrieb die römische Tageszeitung "Il Messaggero". In der Wachtruppe habe es Unmut deswegen gegeben. Franziskus wünsche sich einen Kommandanten, der seinen Gardisten weniger Drill abverlange. Quellen nennt der Bericht nicht. Wiederholt habe der Papst seinen Bewachern angeboten, sich zu setzen, wenn sie müde seien oder ihnen ein Glas Wasser angeboten. Die Schweizergardisten hätten dies jedoch stets abgelehnt und auf ihre Vorschriften verwiesen. Hört man sich im Vatikan um, heißt es nur, dass Anrig wohl etwas strenger gewesen sei, als sein Vorgänger Elmar Mäder, den er 2008 ablöste. Dass Franziskus das strenge Reglement der Garde gerne einmal durchbricht, zeigte sich jüngst während der Bischofssynode, als er einem salutierenden Gardisten die Hand zum Gruß reichte.

Ganz freiwillig scheint der 42 Jahre alte Anrig jedenfalls nicht den Dienst quittiert zu haben. Das zumindest legt das Foto nahe, das die Schweizer Boulevardzeitung "Der Blick" im Internet veröffentlichte, und das offenbar von einem Gardisten stammt: Darauf ist ein Tagesbefehl Anrigs zu sehen. Darin heißt es, er nehme von dem "Wunsch des Heiligen Vaters Kenntnis, dass er eine Erneuerung der Spitze des Corps" wünsche. Der Pressesprecher der Schweizergarde will sich zur Causa Anrig nicht äußern. Auch der Kommandant selbst lehnt jede Stellungnahme ab. Nach Ablauf seiner fünfjährigen Bestellung war er 2013 nur "bis auf Weiteres" an der Spitze der 110 Mann starken Wachtruppe bestätigt worden.

Anrig hat vier Kinder

Ein weiteres - in letzter Zeit besonders beliebtes Motiv - für das frühe Dienstende des Kommandanten brachte die französische Nachrichtenagentur I.media ins Spiel: Das neue Appartement des Kommandanten habe dem Papst wegen seines großzügigen Zuschnitts missfallen, schreibt die Agentur und beruft sich auf "vatikanische Quellen". "Der Blick" machte Anrig daraufhin kurzerhand zum "Protzgardisten". Das Blatt berichtete von einem angeblich 380 Quadratmeter großen "Luxusappartement". Anrig hat vier Kinder.

In der Schweiz schlug der Fall besonders hohe Wellen, zumal die Bischöfe des Landes derzeit zu ihrem sogenannten Ad-limina-Besuch im Vatikan sind. In einer Mitteilung heißt es, sie hätten aus dem "Osservatore Romano" vom Weggang Anrigs erfahren und dankten ihm für das "selbstlose Engagement" und eine "verdienstvolle Tätigkeit". Medien interpretierten dies als Verärgerung darüber, nicht vorab informiert gewesen zu sein. Der Vorsitzende der Schweizer Bischofskonferenz, Bischof Markus Büchel, sagte, dieser Eindruck sei "nicht ganz falsch".

Eine andere Lesart der Ereignisse bot unterdessen der Vatikan-Kenner Marco Tosatti. Anrig sei Opfer der alten Rivalität zwischen Schweizergarde und vatikanischer Gendarmerie geworden, schreibt er und beruft sich auf "gut informierte Personen". Anrig habe für die Schweizergarde die Kompetenz für die Bewachung des Gästehauses Santa Marta gefordert, in dem der Papst wohnt. Traditionell ist die Garde nur für die Sicherung der Eingänge zum Vatikanstaat und für den persönlichen Schutz des Papstes im Inneren des Vatikan zuständig.

Wachsende Bedeutung der vatikanischen Gendarmerie

Bislang schoben jedoch auch Schweizergardisten Wache in der Eingangshalle des Gästehauses, das eigentlich in die Verantwortung der aus Italienern bestehenden Gendarmerie fällt. Zudem habe Anrig wiederholt gegen eine Bevorzugung der vatikanischen Gendarmerie protestiert. Für Tosattis These scheint zu sprechen, dass auch Anrigs Vorgänger Elmar Mäder gehen musste, weil er sich mit der wachsenden Bedeutung der vatikanischen Gendarmerie nicht abfinden wollte.

Als Nachfolger Anrigs wird sein bisheriger Stellvertreter Christoph Graf gehandelt. Der Deutschschweizer dient seit 27 Jahren in der Garde und wird als umgänglicher Typ beschrieben. Im Verhältnis zur vatikanischen Gendarmerie könnte ihm seine Frau von Vorteil sein, heißt es im Vatikan: Sie ist Italienerin. 


Quelle:
KNA