SPD würdigt Denkschrift der Evangelischen Kirche

Denkzettel für Deutschland

Die evangelische Kirche fordert eine wirksamere Bekämpfung von Armut in Deutschland. Armut in einem reichen Land sei ein Skandal, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, bei der Vorstellung der EKD-Denkschrift "Gerechte Teilhabe". Die Zahl der Armen steige, obwohl Deutschland enorme Möglichkeiten habe, Armut zu verhindern.

 (DR)

Die evangelische Kirche fordert eine wirksamere Bekämpfung von Armut in Deutschland. Armut in einem reichen Land sei ein Skandal, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, bei der Vorstellung der EKD-Denkschrift "Gerechte Teilhabe". Die Zahl der Armen steige, obwohl Deutschland enorme Möglichkeiten habe, Armut zu verhindern. Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck begrüßte das Papier und sprach von einer "eindrucksvollen Analyse der gegenwärtigen Herausforderungen".

Arbeitsmarkt- Bildungs- und Sozialpolitik enger verzahnen
Mit Besorgnis sehe die evangelische Kirche zudem die Ausbreitung versteckter Armut, sagte Huber. Jeder Siebte lebe jüngsten Erhebungen zufolge mit einem Armutsrisiko. Zu wenig sei bisher getan worden, um die Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsgruppen zu verhindern, so der berliner Bischof. Das 80-seitige Papier ist die erste Denkschrift der EKD, in der sich die evangelische Kirche ausschließlich mit dem Thema Armut auseinandersetzt.

Die Schrift mit dem Titel "Gerechte Teilhabe. Befähigung zu Eigenverantwortung und Solidarität" empfiehlt eine enge Verzahnung der Arbeitsmarkt- Bildungs- und Sozialpolitik. In der Bildungspolitik sehe die EKD derzeit den größten Handlungsbedarf, sagte Huber. Das deutsche System verstärke die ungleichen Entwicklungschancen von Kindern unterschiedlicher Herkunft.

Der Vorsitzende der Kammer für soziale Ordnung der EKD, der Berliner Wirtschaftsforscher Gert Wagner, betonte, die Armuts-Denkschrift enthalte "nüchterne Überlegungen". Wie hoch in einem reichen Land das Existenzminimum anzusetzen sei, sei nicht aus der Bibel abzuleiten, sondern müsse ausgehandelt werden. Die Kirche habe aber die Pflicht, sich in das politische Geschäft einzubringen.

Familienpolitik an Bedürfnissen der Armen ausrichten
Wagner betonte, auch das beste Bildungssystem könne nicht verhindern, dass es Verlierer gebe. Ihnen müsse der Staat mit Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II helfen. Um den Sozialstaat und eine effizientes Bildungswesen finanzieren zu können, werde man aber um höhere Abgaben und Steuern nicht herum kommen. Die Denkschrift spricht sich für eine stärkere Steuerfinanzierung der Sozialsysteme aus.

Im Einzelnen setzt sich die Evangelische Kirche dafür ein, das dreigliedrige Schulsystem zu überprüfen. Kindertagesstätten müssten als Bildungsstätten verstanden und kostenlos angeboten werden, sagte Huber. Dafür müsse man die staatlichen Leistungen für Familien umschichten. Die Familienpolitik solle stärker an den Bedürfnissen der Armen ausgerichtet werden.

"In einem reichen Land gibt es keine Entschuldigung"
Zu den maßgeblichen Armutsursachen zählt die Denkschrift die Arbeitslosigkeit. Die Politik müsse sich auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Integration Erwerbsloser konzentrieren. Für schwer Vermittelbare fordert die EKD öffentlich geförderte Arbeitsplätze. Ein Niedriglohnsektor müsse akzeptiert aber so klein wie möglich gehalten werden.

Mehr als sieben Millionen Menschen, darunter zwei Millionen Kinder und Jugendliche, lebten Ende 2005 in Deutschland von Leistungen auf dem Sozialhilfeniveau, heißt es in dem EKD-Text. Betroffen davon seien vor allem Langzeitarbeitslose, Geringqualifizierte und allein Erziehende. Wenn Armut hingenommen werde, sei dies ein "gesellschaftliches und individuelles Versagen vor Gottes Geboten". In einem reichen Land gebe es "keine Entschuldigung, unzureichende Teilhabe und Armut nicht überwinden zu wollen."

Die SPD würdigt neue EKD-Denkschrift
Zu Recht gehe der Rat der Evangelischen Kirche davon aus, dass nicht nur bei fehlenden materiellen Ressourcen, sondern auch bei mangelnder gesellschaftlicher Teilhabe von Armut gesprochen werden müsse, erklärte der Parteivorsitzende Kurt Beck.

Die SPD werde alles daran setzen, dass möglichst alle Bürger gleiche Chancen hätten. Die Kirchen bezeichnete er als unverzichtbare Partner, um dieses Ziel zu erreichen. "Die neueste Denkschrift der EKD ist ein Gesprächsangebot, das wir gerne aufgreifen", sagte Beck.

Vorbereitet wurde die Denkschrift von der EKD-Kammer für soziale Verantwortung. Dem Beratungsgremium unter Vorsitz von Wagner gehören Politiker, Vertreter aus Wirtschaft und Gewerkschaften, sowie Juristen und Sozialethiker an.
(EKD, epd)