Steinbrück forderte die SPD-Flügel auf, künftig an einem Strang zu ziehen. Alle Gruppen in der Partei wüssten, dass sie die sich jetzt bietende Chance nicht vergeben dürften. «Das wird uns hoffentlich in der Kommunikation stärker disziplinieren als in den vergangenen Monaten», sagte er. Die SPD dürfe nicht nur einseitig wie die Linkspartei auf Verteilungspolitik zu setzen, sondern müsse die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aufrecht erhalten. Ob dieser Appell bei den Linken ankommt erscheint im Moment noch fraglich. Zu tief sind zur Zeit noch die Wunden, die der überraschende Rücktritt von Kurt Beck riss.
Der linke Flügel der Sozialdemokratie, unter dem zurückgetreten Parteichef Kurt Beck wieder ins Zentrum der Macht gerückt, ist der Verlierer des Politdramas am Ufer des Schwielowsees. Während sich führende Linke, wie Andrea Nahles noch zurückhalten, formuliert Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel, was viele Anhänger an der Basis fürchten dürften: Entscheidend sei, "dass es kein Zurück zur Agendapolitik gibt".
Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles klagte, einige in der SPD seien gegenüber Beck nicht loyal gewesen. Beck habe in den vergangenen Monaten «sehr viel auf den Buckel gekriegt». Dies hätte jeden anderen an der Spitze der Partei ebenfalls umgetrieben, sagte Nahles und mahnte: Die SPD müsse jetzt «nach vorne schauen». «Wenn wir Erfolg haben wollen, wird das anders werden müssen».
Linke fordert soziales Profil
Der saarländische SPD-Chef Heiko Maas forderte seine Partei zu stärkerer sozialer Profilierung auf. Die SPD werde ihre Lage nur verbessern können, wenn sie auf den Beschlüssen des Hamburger Parteitags und auf der Arbeit Becks aufbaue. Dieser habe sich außerordentlich um ein gutes Verhältnis zu den Gewerkschaften bemüht. Die Umstände von Becks Rücktritt seien auch der Grund, warum er sich bei der Abstimmung über den neuen Parteivorsitzenden Franz Müntefering im Parteivorstand der Stimme enthalten habe.
Die Juso-Bundesvorsitzende Franziska Drohsel forderte, die engere Parteiführung müsse personell die Gesamtpartei widerspiegeln. Bei der gegenwärtigen Zusammensetzung der engeren Parteiführung seien Zweifel angebracht, dass sich dort alle Teile der Partei repräsentiert fühlten. Müntefering habe deutlich gemacht, dass er die Führungsspitze der Partei nicht weiter verändern will.
Länder pochen auf Eigenständigkeit
Der Umgang mit der Linken wurde am Montag von einigen Mitstreitern der SPD, aber vor allem vom politischen Gegener zum Maßstab des Erfolgs für das neue Führungsduo der SPD gemacht. «Hier wird ein Gespenst aufgemacht», kritisiert Hermann Scheer, Vorstandsmitglied der SPD am Dienstag im «ZDF-Morgenmagazin». Eine rot-grüne Minderheitsregierung unter Tolerierung der Linkspartei in Hessen werde der SPD nicht schaden. Als Beispiel nannte Scheer die Diskussion im Jahr 1998 um die Tolerierung einer SPD-Regierung durch die Linkspartei-Vorgängerin PDS in Sachsen-Anhalt. «Das hat uns auch nicht geschadet. Im Gegenteil, die Bundestagswahl war äußerst erfolgreich», sagte er.
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) rief seine Partei zur vollen Solidarität mit der hessischen Landesvorsitzenden Andrea Ypsilanti auf, dis sich um die Bildung einer von der Linkspartei unterstützten Landesregierung bemüht. Es gehe nicht an, wenn führende Leute aus der Parteispitze immer wieder alles für Quatsch erklärten, was Ypsilanti in Hessen versuche. «Stärke kann nur entstehen, wenn Solidarität nicht als Einbahnstraße betrachtet wird. Wenn wir das am Beispiel Hessen üben, wird die SPD auch vorankommen», sagte er.
Politische Gegner stochern in den Wunden
FDP-Chef Westerwelle nannte die künftige programmatische Ausrichtung die eigentliche Schicksalsfrage der SPD. «Will die SPD wieder zurück in die Mitte oder sich links anbiedern und mit der Linkspartei und den Grünen gemeinsame Sache machen?», fragte er. Das neue SPD-Führungsduo solle verhindern, dass Bundespräsident Horst Köhler im kommenden Jahr mit Hilfe der Linkspartei aus dem Amt gewählt werde.
Linksparteichef Oskar Lafontaine bezeichnete die jüngsten Personalentscheidungen der SPD als «Comeback der Schröderianer» und rief die SPD-Mitglieder zum Übertritt in die Linkspartei auf. Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier und Müntefering stünden für Rentenkürzung, die «Agenda 2010» der früheren rot-grünen Bundesregierung und die Beteiligung an völkerrechtswidrigen Kriegen. «Wenn Steinmeier und Müntefering beim Agenda-Kurs bleiben, kann ein wirklicher Linker nur noch zu uns kommen», sagte Lafontaine. Dennoch schloss er eine Zusammenarbeit mit der neuen SPD-Führung nicht aus. «Wenn Müntefering und Steinmeier umdenken, lassen wir uns gerne überraschen», sagte er.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Links-Fraktion im Bundestag, Ulrich Maurer, nannte den Rücktritt Becks «einen Staatsstreich der Schröderianer». Allerdings habe die SPD wohl nicht mehr die Vitalität, sich zu wehren - abgesehen von den Landesverbänden Hessen und Schleswig-Holstein und den Jusos.
Der Wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Gustav Adolf Horn, forderte eine Korrektur der «Agenda 2010». «Hier ist vieles zu tun, damit aus dieser Baustelle ein schönes Gebäude wird. Viele Förderinstrumenten greifen nicht», sagte er. Außerdem seien die «Hartz IV»-Regelsätze um 10 bis 20 Prozent zu niedrig.
SPD-Linke trauert um Beck - "Schröderianer" im Aufwind
Zurück zur Mitte?
Die SPD kommt nach dem angekündigten Führungswechsel nicht zur Ruhe. Zwar warnte Parteivize Peer Steinbrück vor "kommunikativer Inkontinenz", doch Vertreter des linken Parteiflügels forderten am Dienstag ein schärferes soziales Profil und einen stärkeren Umbau der Parteispitze. Die Linkspartei sieht die SPD in der Hand von "Schröderianern" und bietet sich Als Alternative für unzufriedene SPD Mitglieder an.
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