SPD-Landeschefin Hannelore Kraft soll am Mittwoch im Landtag zur Ministerpräsidentin gewählt werden

Woche des Machtwechsels

In Nordrhein-Westfalen hat die Woche des Machtwechsels begonnen. Mehr als zwei Monate nach der Landtagswahl will eine rot-grüne Minderheitsregierung Schwarz-Gelb ablösen. Am Mittwoch soll die SPD-Landesvorsitzende Hannelore Kraft als Nachfolgerin von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers zur ersten Regierungschefin der NRW-Landesgeschichte gewählt werden.

Autor/in:
Martin Teigeler
 (DR)

Zwar fehlt Rot-Grün im Düsseldorfer Landtag ein Mandat zur absoluten Mehrheit von 91 Stimmen. Doch die 90 Abgeordneten von SPD und Grünen könnten Kraft ab dem zweiten Wahlgang mit einfacher Mehrheit auf die Regierungsbank wählen. Die bisherigen Koalitionsfraktionen CDU und FDP stellen 80 Abgeordnete. Sie wollen angeblich komplett gegen Kraft votieren. Weder Rüttgers noch ein anderer CDU-Politiker tritt gegen die SPD-Landeschefin an. Die elf Abgeordneten der Linksfraktion wollen sich enthalten, das dürfte Rot-Grün gefallen, da sie sich dann keine

Bei SPD und Grünen geht man davon aus, dass alle 90 rot-grünen Parlamentarier ihr Kreuz bei der geheimen Wahl für Kraft machen. Aus SPD-Fraktionskreisen hieß es, «kein einziger» der 66 Fraktionskollegen von Kraft habe Bedenken gegen die geplante Minderheitsregierung vorgebracht. Ein SPD-Landesparteitag hatte am Samstag in Köln einstimmig den rot-grünen Koalitionsvertrag genehmigt. Auch die 23 Abgeordneten der Grünen wollen «geschlossen» Kraft zur Ministerpräsidentin wählen, sagte ein Fraktionssprecher.

«Für mich war dat überhaupt nich aufm Schirm»
Am Mittwoch also soll Kraft in die Staatskanzlei einziehen. «Für mich war dat überhaupt nich aufm Schirm», sagte die 49-jährige Mülheimerin dieser Tage der «Süddeutschen Zeitung» in ihrem typischen Ruhrgebiets-Deutsch. Als Hannelore Kraft Anfang 2007 den SPD-Landesvorsitz übernommen hatte, war die SPD an Rhein und Ruhr noch immer wie gelähmt von ihrer historischen Wahlniederlage gegen Rüttgers. 2005 hatte der CDU-«Arbeiterführer» die SPD nach 39 Jahren an der Macht in NRW besiegt. Jahrelang dümpelten Kraft und die NRW-SPD in den Umfragen weit hinter Rüttgers. Erst im Endspurt des Wahlkampfs zog Kraft mit Rüttgers gleich. Der CDU-Regierungschef war wegen der Sponsoring-Affäre in die Kritik geraten. Zudem litt Schwarz-Gelb unter dem Fehlstart der CDU/CSU/FDP-Bundesregierung.

Wenn Kraft jetzt Rüttgers tatsächlich ablösen sollte, wäre dies auch für die Bundes-SPD ein wichtiger Erfolg. «Ich hoffe darauf, dass es schon im ersten Wahlgang klappt», sagt SPD-Chef Sigmar Gabriel. Knapp zehn Monate nach der schweren Niederlage der Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl 2009 wäre Krafts Wahl ein weiterer Schritt auf dem langen Weg der SPD zurück zu alter Stärke. Seit 2001 ist es der SPD nicht mehr gelungen, einen Länderchef der CDU abzulösen. Damals wurde der Sozialdemokrat Klaus Wowereit als Nachfolger von CDU-Mann Eberhard Diepgen zum Regierenden Bürgermeister von Berlin gewählt.

Wahl des neuen Landtagspräsidenten
Unklar ist, ob die am Dienstag stattfindende Wahl des neuen Landtagspräsidenten Auswirkungen auf die Ministerpräsidentin-Wahl einen Tag später haben wird. Bisher ist unklar, ob CDU-Kandidat Eckhard Uhlenberg eine Mehrheit bekommt. SPD und Grüne haben sich bisher noch nicht festgelegt. Die Linke will Uhlenberg nur mitwählen, wenn die CDU auch die Linke-Abgeordnete Gunhild Böth als Vizepräsidentin mitträgt. Bislang ist es Tradition im Parlament am Rhein, dass alle Fraktionen im Präsidium vertreten sind.

Ebenfalls am Dienstag steht die Besetzung der Fachausschüsse im Parlament auf der Tagesordnung. Zudem soll die Stasi-Überprüfung aller 181 Abgeordneten beschlossen werden. Falls Kraft am Mittwoch gewählt wird, will sie danach ihre Kabinettsmitglieder benennen. Klar ist bisher nur, dass die Grünen-Fraktionschefin Sylvia Löhrmann Vize-Ministerpräsidentin und Schulministerin werden soll. Als Umweltminister gilt Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Johannes Remmel als gesetzt. Gesundheitsministerin soll die Grüne Barbara Steffens werden. Am Donnerstag soll das Kabinett Kraft im Landtag vorgestellt und vereidigt werden. Anschließend werden im Landtag bis einschließlich Freitag erste rot-grüne Gesetzespläne beraten.