Spaniens Regierung will Missbrauch in der Kirche untersuchen

Parteienstreit über unterschiedliche Aufklärungswege

Die katholische Kirche in Spanien sucht nach dem richtigen Weg, um Missbrauchsfälle der vergangenen Jahrzehnte aufzuarbeiten. Doch die sozialistische Regierung könnte ihr mit einer eigenen Initiative zuvorkommen.

Autor/in:
Manuel Meyer
Figur einer Madonna vor einer spanischen KIrche / © SandraMC (shutterstock)
Figur einer Madonna vor einer spanischen KIrche / © SandraMC ( shutterstock )

Vor dem Hintergrund neuer Missbrauchsvorwürfe nimmt in Spanien der politische Druck auf die katholische Kirche zu. Die regierenden Sozialisten von Ministerpräsident Pedro Sanchez wollen die einschlägigen Anzeigen wegen sexualisierter Gewalt in den Reihen der Kirche durch eine unabhängige Expertenkommission untersuchen lassen.

Wie der sozialistische Fraktionssprecher Hector Gomez zu Wochenbeginn mitteilte, sollen einer solchen Kommission unter Vorsitz eines Ombudsmanns Fachexperten, Psychologen, aber auch Vertreter von Opferorganisationen, der Kirche und staatlicher Organe angehören.

Pedro Sanchez / © Francisco Seco (dpa)
Pedro Sanchez / © Francisco Seco ( dpa )

"Das Vorhaben liegt nicht nur im Interesse der spanischen Gesellschaft, sondern dient auch der Kirche", sagte Regierungschef Sanchez im Interview des Portals eldiario.es (Dienstagabend). So könnten die Verantwortlichkeiten geklärt und die Geschehnisse der Vergangenheit effektiv aufgearbeitet werden. Es sei nötig, den entstandenen Schaden wiedergutzumachen und Vorkehrungen für die Zukunft zu treffen, so Sanchez.

Untersuchung außerhalb der Kirche

Bereits in der vergangenen Woche unternahm der linke Regierungspartner Unidas Podemos zusammen mit den in Katalonien regierenden Linksrepublikanern sowie der baskischen EH Bildu einen ähnlichen Vorstoß. Eine parlamentarische Kommission soll sich demnach mit den Missbrauchsfällen in der Kirche befassen. "Eine Untersuchung dieser Taten kann nicht innerhalb der Tore und Mauern der Kirche bleiben", erklärte Podemos-Sprecherin Sofia Castanon.

Die Linken sind trotz ihres eigenen Vorschlags offen für die Initiative der Sozialisten, die eine unabhängige Kommission bevorzugen. Diese Variante dürfte mit den baskischen Nationalisten der PNV und den liberalen Ciudadanos ohnehin über eine größere Unterstützung im Madrider Parlament verfügen.

Druck durch Zeitungsartikel ausgelöst

Der aktuelle Druck und die neuerlichen gesellschaftlichen Debatten über kirchlichen Missbrauch in Spanien wurden durch einen Bericht der Tageszeitung "El Pais" ausgelöst. Reporter des Blattes übergaben Papst Franziskus vor einigen Wochen einen 385-seitigen Bericht mit neuen Rechercheergebnissen. Die Dokumentation umfasste 251 Fälle, die bis ins Jahr 1943 zurückreichen. Von Tag zu Tag wächst nun die Liste der Betroffenen, die sich melden. Inzwischen geht "El Pais" von mehr als 1.200 Opfern in den vergangenen Jahrzehnten aus.

Weihbischof Luis Argüello (Generalsekretär der Spanischen Bischofskonferenz)

"Wir möchten, dass jedes Opfer das Gefühl bekommt, dass die Kirche in jeder Diözese bereit ist, den jeweiligen Fall konkret zu untersuchen"

Der Papst forderte die spanischen Bischöfe auf, die Vorwürfe zu klären. Doch im Gegensatz zu Bischofskonferenzen in anderen Ländern wie Frankreich oder Deutschland plant der Episkopat im Königreich bisher keine landesweite, unabhängige Missbrauchsaufarbeitung.

Spanische Bischöfe beim Papst / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Spanische Bischöfe beim Papst / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Stattdessen wird eine dezentrale Vorgehensweise verfolgt. "Wir möchten, dass jedes Opfer das Gefühl bekommt, dass die Kirche in jeder Diözese bereit ist, den jeweiligen Fall konkret zu untersuchen", betonte der Generalsekretär der Spanischen Bischofskonferenz, Weihbischof Luis Argüello.

Sind die Bischöfe an objektiver Klärung interessiert?

Viele Politiker bezweifeln indes, dass die Bischöfe wirklich an einer objektiven Klärung interessiert sind, die dem Ansehen der Kirche extrem schaden könnte. Die Bischofskonferenz sieht sich derweil als Ziel eines rein politisch motivierten Angriffs. "Das Interesse besteht nicht darin, den Opfern zu helfen, sondern die Kirche anzugreifen", gab Bischofssprecher Argüello kürzlich zu Protokoll. Er warf den linken Parteien vor, die Opfer zu instrumentalisieren.

Auch der konservative Oppositionsführer Pablo Casado will die parlamentarischen Initiativen der Linksparteien nicht unterstützen, denen er eine ideologische Motivation unterstellt.

Unterdessen erklärte Präsidentschaftsminister Felix Bolanos im Interview des Senders Cadena SER, bereits den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Kardinal Juan Jose Omella, um die Mitarbeit der Kirche in einer geplanten Untersuchungskommission gebeten zu haben.

Kardinal Juan Jose Omella, Erzbischof von Barcelona / © Romano Siciliani (KNA)
Kardinal Juan Jose Omella, Erzbischof von Barcelona / © Romano Siciliani ( KNA )

Barcelonas Kardinal Omella, so Bolanos, habe jedoch darauf verwiesen, dass sich zunächst die zuständigen kirchlichen Gremien versammeln müssten, um über diese Möglichkeit zu entscheiden. Dies könnte noch bis März, womöglich bis April dauern.

Ob die Politik so lange auf eine Antwort wartet, ist fraglich.

Generalstaatsanwältin Dolores Delgado wies die regionalen Staatsanwaltschafte an, ab dieser Woche alle Verdachtsfälle und Anzeigen zu sexuellem Missbrauch im kirchlichen Umfeld zusammenzutragen und nach Madrid zu schicken.

Spaniens Parlament stimmt für Kommission zu Missbrauch

Spanien hat Anfang Februar 2022 den Weg für die Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission zum sexuellen
Missbrauch in der katholischen Kirche freigemacht. Ein entsprechender Antrag der drei linken Parteien Podemos, ERC und EH Bildu wurde mit breiter Mehrheit angenommen. Lediglich die konservative PP und die rechtspopulistische Vox-Partei stimmten dagegen.
Hintergrund der Initiative ist die Aussage der Spanischen Bischofskonferenz, anders als in Deutschland, Frankreich und anderen EU-Ländern keine unabhängige Kommission mit der Untersuchung betrauen zu wollen.

Pedro Sanchez, Ministerpräsident von Spanien, spricht im Parlament / © E. Parra./Pool (dpa)
Pedro Sanchez, Ministerpräsident von Spanien, spricht im Parlament / © E. Parra./Pool ( dpa )
Quelle:
KNA