Spaniens ESC-Beitrag ruft auch die Kirche auf den Plan

Ist das noch Feminismus?

Das Musik-Duo Nebulossa will mit einem eigenwilligen Song beim ESC-Finale antreten und Spanien zum Sieg bei dem Gesangswettbewerb verhelfen. Aber nicht alle fühlen sich von dem Beitrag würdig vertreten. Auch die Kirche nicht.

Autor/in:
Manuel Meyer
Eurovision Song Concert / © railway fx (shutterstock)

Es kommt nicht oft vor, dass sich Vertreter der katholischen Kirche zu Liedern des Eurovision Song Contest (ESC) zu Wort melden. Auch nicht in Spanien. Doch derzeit polarisiert der ESC-Beitrag "Zorra" das ganze Land. Am 11. Mai soll das Künstlerduo Nebulossa Spanien im Finale des populären europäischen Songwettbewerbs im schwedischen Malmö vertreten. Doch das gefällt nicht jedem.

Der Grund: "Zorra" bedeutet im Spanischen eigentlich "Füchsin", wird aber vor allem abwertend im Sinne von "Schlampe" oder "Nutte" benutzt. In ihrem Elektro-Pop-Song im 80er-Jahre-Stil will Nebulossa, bestehend aus dem Ehepaar Maria Bas und Mark Dasousa, die Bedeutung des Schimpfwortes umkehren und ihm eine positive Bedeutung verleihen.

Stolz auf die Demütigung?

In dem Lied geht es um feministische Selbstermächtigung; um starke, emanzipierte, unabhängige Frauen, die niemandem eine Erklärung schuldig sind; die einfach machen, was sie wollen. Und wenn solche Frauen als "Schlampen" bezeichnet werden, dann sollten sie eben stolz darauf sein. So zumindest die Botschaft von "Zorra".

Ein Mikrofon / © MIA Studio (shutterstock)

Ob das Feminismus ist oder das genaue Gegenteil davon - diese Frage spaltet die spanische Gesellschaft. Jose Ignacio Munilla, Bischof der Mittelmeerregion Alicante, ist überzeugt, dass viele sensible Menschen schockiert sind über den Song. Er lehne es ab, dass die Reaktion auf die Demütigung von Frauen darin bestehe, "diese Demütigung auf sich zu nehmen und sogar noch stolz drauf zu sein".

"Banalisierung eines chauvinistischen Schimpfwortes"

Tatsächlich gibt es viele Politikerinnen der Sozialisten, die ähnlich fühlen wie der Bischof. Sie äußerten öffentlich ihren Unmut, obwohl ihr Chef, Ministerpräsident Pedro Sanchez, den Song jüngst als Beispiel dafür lobte, dass Feminismus auch "unterhaltsam" sein könne.

Die Kritiker indes wollen nicht glauben, dass sich feministische Bewegungen durch das Lied angemessen repräsentiert sehen. Tun sie auch nicht. Den Text als feministisch zu bezeichnen, sei eine Beleidigung des gesunden Menschenverstands, meint Jana Bravo, Aktivistin des Madrider Verbands für Frauenrechte MFM. Die "Banalisierung eines machistischen Schimpfwortes kann nicht der Weg sein, um Frauenrechte und Selbstverwirklichung einzufordern", so Bravo.

Protest und Forderungen nach Rückzug

Am 8. März nahmen viele Frauengruppen in Madrid bei Demos zum Internationalen Weltfrauentag Bezug auf den polarisierenden ESC-Beitrag. Viele Plakate trugen die Aufschrift "Bevor er sie tötete, nannte er sie Schlampe". Auf anderen Bannern stand "Weder Schlampe noch unterwürfig".

Eurovision Song Contest / ©  Review News (shutterstock)

Frauenrechtlerin Bravo betont: "Wir können Zigtausenden Mädchen in Spanien und Europa beim ESC-Finale doch nicht ernsthaft vermitteln, dass sie sich selbst stolz als Schlampe bezeichnen sollen." Binnen weniger Stunden sammelte ihr Verband mehr als 1.500 Protestunterschriften, die man der Rundfunkanstalt RTVE mit der Bitte vorlegte, den "Schlampen"-Song aus dem Wettbewerb zurückzuziehen.

Großteil der Bevölkerung ist begeistert

Der Bitte wurde nicht entsprochen. In der Folge trat die Gleichstellungsbeauftragte des öffentlichen Rundfunks, Montserrat Boix, aus Protest zurück. Kein ESC-Beitrag hat in den vergangenen Jahren in Spanien für solch hitzige Debatten gesorgt wie "Zorra". Aber Tatsache ist - trotz aller Kritik: Ein großer Teil der Bevölkerung ist begeistert von dem Song.

Im Streamingdienst Spotify wurde er schon 14,3 Millionen Mal abgespielt. Mit seinem eingängigen, leicht mitzusingenden Text entwickelte sich das Lied blitzschnell zur neuen Hymne der Homosexuellen-Szene. Inzwischen läuft es in allen Radioprogrammen und Clubs rauf und runter.

Quelle:
KNA