Die aktuell besonders hohen Austrittszahlen in der Region Köln seien "Mitnahmeeffekte", sagte Ahrens dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Viele haben sich schon seit längerem für einen Austritt entschieden. Sie warten im Prinzip nur noch auf eine passende Gelegenheit."
Die Entscheidung zum Austritt reife oft langsam heran, sie brauche Zeit, sagte Ahrens. Skandale seien dann lediglich die Rechtfertigung für etwas, dessen Ursache ganz woanders liege. Gleichgültigkeit gegenüber der Kirche oder das Gefühl, die Kirche sei irrelevant, seien meist die eigentlichen Gründe für Kirchenaustritte. "Und das ist aus Sicht der Kirchen das Schlimmste überhaupt", sagte Ahrens.
Selbst mit einem eingefleischten Atheisten habe man wenigstens noch eine Diskussionsgrundlage, aber nicht mit Menschen, denen die Kirche egal sei.
Gründe für die Austrittswelle
Die Beschleunigung der Austrittsbewegung könnte Ahrens zufolge auf den sogenannten Majoritätseinfluss zurückzuführen sein. Wissenschaftlich abgesichert sei dies aber noch nicht. Unter Majoritätseinfluss versteht die Sozialpsychologie die Anpassung menschlichen Verhaltens an Mehrheiten - unter anderem allein deswegen, weil es Mehrheiten sind. Inzwischen sei nur noch eine Minderheit der Menschen in Deutschland Mitglied in einer der christlichen Kirchen und die konfessionslose Mehrheit könnte eine Sogwirkung erzeugen, erklärte Ahrens.
Die sogenannte Freiburger Studie ist nach Einschätzung der EKD-Expertin überholt. Diese Studie hatte ein Szenario gezeichnet, demzufolge die beiden großen christlichen Kirchen bis 2060 rund die Hälfte ihrer Mitglieder verlieren könnten. Dieses Szenario erscheine im Licht der aktuellen Austrittszahlen nicht mehr aktuell. "Um das zu schaffen, müssten wir dauerhaft unter eine Austrittsquote von einem Prozent kommen", rechnete Ahrens vor. Im vergangenen Jahr hätten allerdings 2,5 Prozent der Protestantinnen und Protestanten ihrer Kirche den Rücken gekehrt.