Soziologe sieht Kirchen in gesellschaftlichem Dilemma

Von Werten statt vom Glauben angezogen?

Die beiden großen Kirchen befinden sich laut des Soziologen Armin Nassehi in einem großen Dilemma. Immer mehr Menschen schätzen zwar das Wertefundament der Kirche, bezeichnen sich gleichzeitig aber als "nicht ganz gläubig".

Ein Mann betritt eine Kirche / © Theo Barth (KNA)
Ein Mann betritt eine Kirche / © Theo Barth ( KNA )

Das sagte Nassehi am Donnerstag im Deutschlandfunk. Daraus ergebe sich die Frage, was die entscheidenden Werte oder der Kern des Glaubens seien.

Er gehe nicht davon aus, dass das individuelle Glaubenserleben früher stärker ausgeprägt gewesen sei als heute, fügte der Wissenschaftler hinzu. Früher sei der Glaube jedoch selbstverständlich in einen gemeinsamen Raum eingebettet gewesen.

Was bedeutet Säkularisierung?

Säkularisierung lasse sich so definieren, dass der Zugriff der Kirchen auf das Glaubensleben schwinde. Zugleich sei es schwierig, die Intensität des Glaubens zu messen, zumal wenn viele Menschen erklärten, "irgendwie" an Gott zu glauben.

Jugendliche mit Rosenkranz / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Jugendliche mit Rosenkranz / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Immerhin gehörten in Westdeutschland noch ungefähr 60 Prozent der Bevölkerung zu einer der großen Kirchen, betonte Nassehi: Das sei "eigentlich eine ganze Menge". Bislang sei zudem keine menschliche Gesellschaft bekannt, die ganz auf Religiosität verzichtet habe.

Insofern könne es interessant sein, dieses Bedürfnis in Zusammenhang mit der Entwicklung der Kirchen zu setzen.

Säkularisierung

In früheren Jahrhunderten war die Weltanschauung der Menschen stark an die Religion und die Kirche gebunden. Deren Gebote und Verbote schrieben vor, wie die Menschen zu leben hatten. Erst als die geistige Bewegung der Aufklärung Ende des 17. Jahrhunderts in Europa entstand, setzte eine "Verweltlichung", eine Abwendung von Religion und Kirche ein. Das aus dem Lateinischen kommende Wort "Säkularisierung" beschreibt diesen Prozess.

Atheismus / © Wolphgang (shutterstock)
Quelle:
KNA