Experten streiten zur gesellschaftliche Relevanz der Kirche

"Völlig aus der Zeit gefallen"

Die katholische Kirche in Deutschland kann derzeit die zentralen Zukunftsdebatten nicht entscheidend mitgestalten, sagte die Ethikerin Christiane Woopen bei einer Diskussion der katholischen Akademie und Universität Freiburg.

Wie wird Glaube in Zukunft aussehen? / © marvent (shutterstock)
Wie wird Glaube in Zukunft aussehen? / © marvent ( shutterstock )

Die katholische Kirche in Deutschland kann nach Einschätzung der Ethikerin Christiane Woopen derzeit die zentralen Zukunftsdebatten nicht entscheidend mitgestalten. "Sie hätte so großes Potenzial. Ausgehend vom Glauben an einen liebenden Gott könnte Kirche so viel beitragen, sei es zu einer Verständigung auf internationale Gerechtigkeit, sei es zu Umwelt- oder Digitalisierungsfragen. Allein sie ist dazu aktuell nicht in der Lage", sagte Woopen am Freitag bei einer Tagung in der Katholischen Akademie Freiburg.

Sie beschrieb die Kirche als selbstreferenziell, durch Austritte geschwächt, in Missbrauchsskandalen gefangen und im Blick auf Frauenrechte "völlig aus der Zeit gefallen". Von den existenziellen Fragen und Nöten der Menschen habe sich Kirche viel zu weit entfernt.

Das Problem der Glaubwürdigkeit

Ursula Nothelle-Wildfeuer, Professorin für Praktische Theologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, März 2021 / © Harald Oppitz (KNA)
Ursula Nothelle-Wildfeuer, Professorin für Praktische Theologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, März 2021 / © Harald Oppitz ( KNA )

Die Freiburger Theologin Ursula Nothelle-Wildfeuer hielt dem entgegen, dass die christliche Sozialethik sehr wohl wichtige Argumente in aktuelle Diskurse einbringe. Sie verwies auf ethische Fragen rund um Waffenlieferungen, gerechten Frieden und Selbstverteidigungsrechte beim russischen Angriff auf die Ukraine. "Da gibt es derzeit viel Forschung und Austausch auf vielen Ebenen."

Nothelle-Wildfeuer sprach zugleich von einem kirchlichen Glaubwürdigkeitsproblem, nicht zuletzt infolge der Missbrauchsskandale. "Kirche kann nur dann wieder glaubwürdig werden, wenn sie das, was sie predigt, auch im Inneren selbst vorlebt und umsetzt." Zudem fehle es an der Kirchenspitze manchmal an klaren Positionierungen und am Aufgreifen aktueller Forschung.

Caritas kein Marktakteur

Der frühere Caritas-Generalsekretär Georg Cremer sagte, vielfach sei mehr Demut angebracht. "Dazu gehört, dass wir unseren Heiligenschein etwas herunterdimmen." Es brauche auch nicht immer den Anspruch, alles immer besser machen zu wollen. "Caritaseinrichtungen müssen nicht alles anders machen als andere Akteure auf dem sozialen Markt, sondern sie müssen ihren Auftrag erfüllen und für ihre Klienten da sein."

Die Diskussion wurde von Katholischer Akademie und Universität Freiburg organisiert. Anlass war der 60. Geburtstag von Nothelle-Wildfeuer.

Katholische Kirche will Umgang mit Ausgetretenen ändern

Die katholische Kirche in Deutschland sucht nach neuen Wegen zum Umgang mit ausgetretenen Mitgliedern. Die Arbeiten an einem neuen Konzept liefen, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Franz-Josef Bode, am Donnerstag im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Pastoralkommission der Bischofskonferenz sei mit dem Thema betraut und wolle unter anderem den Gemeindepfarrern Hilfestellungen für Gespräche mit den Ausgetretenen an die Hand geben, so der Osnabrücker Bischof.

Symbolbild Kirchenaustritt / © Harald Oppitz (KNA)
Symbolbild Kirchenaustritt / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA