Sozial-Pfarrer Meurer zur Pro-Bewegung und zum Protest der Kirchen

"Das ist schon ein Hämmerchen"

Die beiden großen Kirchen in Köln stellen sich erneut gegen eine von der rechtsgerichteten Organisation "Pro Köln" für heute geplante Demonstration unter dem Motto "Marsch der Freiheit". Der Kölner Pfarrer Franz Meurer wird zeitgleich einen ökumenischen Gottesdienst vor Ort halten und erläutert im domradio.de-Interview seine Motive.

 (DR)

domradio.de: In der Kirche Sankt Heribert laden Sie am Samstag um 10.30 Uhr gemeinsam mit Pfarrerin Dorothee Schaper zu einem Gottesdienst zum Thema Freiheit ein. Wie wird Ihre Nachhilfe in Sachen Freiheit aussehen?--
Franz Meurer: Freiheit und Vernunft sind ja die Voraussetzungen jedes Glaubens. Und das werden wir in den Mittelpunkt stellen. Dann werden wir aber auch deutlich machen: ProKöln-Wähler sind oft die Leute, die in der Gesellschaft nicht vorkommen dürfen, zum Beispiel in Nordfrankreich gibt es eine Stadt, die hat 56% Wähler von Le Pen, also der rechtsradikalen Partei dort. Warum? Weil sich keiner um die Arbeitslosen kümmert. Also ich würde zum Beispiel ein Bewerberbuch mit 70 Förderschülern auf die Bänke legen und sagen: Ich rede nicht viel, Ihr entscheidet, ob diese jungen Menschen, die in unserem Land keine Chance bekommen, demnächst ProKöln wählen. Das heißt: Es ist auch eine Frage der sozialen Verantwortung von Christen, ob wir den Rechtsradikalen Wähler zutreiben, weil wir uns um die 15% der jungen Menschen, die am Fliegenfänger hängen, wie alle Forschungen belegen, nicht kümmern. Das müssen wir als Christen klarmachen. Aber der Ausgangspunkt muss sein: Freiheit heißt nicht Befreiung von Muslimen, was ProKöln fordert, sondern Freiheit und Vernunft sind die Voraussetzungen von Religion.

domradio.de: Evangelische und katholische Kirche engagieren sich immer wieder gegen rechts, gegen ProKöln. Warum ist Ihnen das ein so großes Anliegen?--
Meurer: Mir ist es ein großes Anliegen, dass wir mit einem ökumenischen Gottesdienst beginnen. Das ist mein Hauptanliegen, ich bin natürlich seit 35 Jahren auch Mitglied der Gewerkschaft, seit 43 Jahren in der CDU. Man muss sich als Demokrat ja engagieren. Aber inzwischen ist die Zeit reif, dass die Gewerkschaftsmitglieder, selbst die Linke, auch in die Kirche kommen, weil sie begreifen, die Leute, die sich am intensivsten für Freiheit und Vernunft engagieren, oft auch gläubige Menschen sind.

domradio.de: Die ProKöln-Demonstranten nennen ihre Demo auch Marsch der Freiheit, also ein ironischer Titel ...--
Meurer: Die meinen das aber ernst! Die meinen das nicht ironisch, sondern die meinen - was man auch verstehen kann, ich war auch schon bei denen zu Hause zu Besuch, ich interessiere mich, ich korrespondiere mit denen - die meinen ja wirklich, dass wir das christliche Abendland dadurch verteidigen müssen, dass wir den Muslimen keine Religionsausübung gestatten. Und das ist schon ein Hämmerchen!

domradio.de: Sie meinen, die verwechseln dann Islamismus mit Islam, die setzen Islam mit Terrorismus gleich, was natürlich falsch ist. --
Meurer: Natürlich! Das ist ein einfaches, sehr verkürztes Denken. Dort, wo ich als Pfarrer arbeite, haben 76% aller Kinder unter sechs Jahren einen Migrationshintergrund. Die Muslime sind dort die größte Religionsgemeinschaft, nicht die Katholiken oder Protestanten. Da merkt man erst einmal, wie viele aufgeklärte, vernünftige, liebenswerte Muslime es in unserem Land gibt.

domradio.de: Gehen Sie am Samstag auch auf die Straße und nehmen an der Gegendemo teil?--
Meurer: Das kann ich nicht, danach ist Erstkommunion. Das heißt, ich werde nach dem Gottesdienst eine von drei Erstkommunionen halten, bei uns ist Samstag 14 Uhr der wichtigste Termin, weil für arme Leute der Sonntag schwierig ist. Ich werde dann auf´s Fahrrad springen und zur Erstkommunion fahren.



Interview: Susanne Becker-Huberti