Sommercamp für hebräischsprachige Kinder in Tel Aviv

Kreativ statt Busbahnhof

Kinder von Migranten in Tel Aviv bekommen die Sommerferien nur schwer um. Ihre Eltern müssen meist ganztags arbeiten. So hängen sie am Busbahnhof herum. Ein engagierter Kirchenmann sucht Abhilfe.

Autor/in:
Tobit Nauheim
 (DR)

Früh am Morgen blickt Benedetto di Bitonto noch in viele verschlafene Kindergesichter. Um acht Uhr morgens in den Sommerferien eine so große Gruppe von Kindern zu sehen – das erwartet man nicht. Ebenso wenig, wie man in dem unscheinbaren Gebäude im Süden Tel Avivs, das von außen einem normalen Wohnhaus gleicht, eine Kirche erkennt. Doch genau dieses unscheinbare Gebäude, das "Our Lady Woman of Valor" – Zentrum, dient den Christen in Tel Aviv als Gemeindezentrum.

"Über uns wollt ihr einen Artikel schreiben?"

Der Kirchenraum ist modern, spartanisch. Die von Bitonto, einem jüngst zum Diakon geweihten Italiener, selbst gemalte Marienikone zeigt im Hintergrund den Tel Aviver Busbahnhof. Hier begegnen sich Kinder aus allen möglichen Ländern, den Philippinen, Äthiopien und vielen weiteren Nationen.

Was sie verbindet, ist die gemeinsame Sprache und der gemeinsame Glaube. Das Camp ist Teil der Jugendarbeit der hebräischsprachigen Gemeinde für Kinder mit Migrationshintergrund. Die Kinder selbst verstehen gar nicht, was daran berichtenswert sein soll. "Über uns wollt ihr einen Artikel schreiben?", fragen sie ungläubig.

Doch tatsächlich stellen die Kinder der Migranten einen interessanten Sonderfall dar. Während ihre Eltern die Messe möglichst in ihrer Muttersprache feiern, sind die Kinder durch das Schulsystem hauptsächlich hebräischsprachig aufgewachsen.

Mit Hebräisch den Tag beginnen

Lange Zeit fanden die Christen keinen geeigneten Ort, um Gottesdienst zu feiern. Sogar ein Schutzbunker ohne Fenster, zwei Stockwerke unter der Erde musste als Kirchenraum dienen – bis 2014 endlich genügend Spendengelder aufgebracht werden konnten, um eine neue Kirche zu errichten.

An diesem Morgen lädt der Kirchenraum die Kinder offenbar eher zum Herumtoben als zum andächtigen Beten ein. Erst als Benedetto mit seiner Gitarre vor die quirlige Gruppe tritt, wird es langsam ruhiger. Mit Gesang auf Hebräisch beginnt man gemeinsam den Tag. Aktivitäten wie Kunstunterricht, gemeinsames Kochen oder Sport sollen das Gemeinschaftsgefühl der Kinder stärken und ihnen eine sinnvolle Aufgabe geben.

Heute steht ein Ausflug in den Park mit anschließendem Picknick auf dem Plan. Trotz der Hitze messen sich Betreuer und Kinder in einem Fußball-Match. Benedetto weiß: "In den Ferien haben die Kinder nichts zu tun. Die meisten wachsen mit nur einem Elternteil auf, das oft den ganzen Tag arbeitet. Wie sollen sich die Kinder allein vernünftig beschäftigen?" Gemeinsam am Tisch zu essen und sich zu unterhalten, sei vielen von zuhause nicht bekannt, so der Diakon.

Lage der Migranten im Land bisher prekär

Bislang sei der Lieblingsplatz der Kinder der fürchterliche Busbahnhof. Das will der junge Italiener ändern. Generell ist die Lage der im Land lebenden Migranten prekär. Meist sind es Christen von den Philippinen oder aus Ostafrika, die als Arbeitsmigranten nach Israel gekommen sind. Vielen droht nach Ablaufen des Arbeitsvisums die Abschiebung.

Die Kirche müsse für die Jugendlichen ein geschützter Raum sein, sagt Benedetto. Aktionen für verschiedene Altersgruppen könnten eine Kontinuität im Leben schaffen und soziales Engagement fördern. "Auf diese Weise haben die Kinder eine Perspektive und können später im Leben die Jüngeren unterstützen", so der Diakon. Er selbst schreibe auch hebräischsprachige Kirchenlieder, um die christliche Identität der Jugendlichen in ihrer Muttersprache zu stärken.

Auch in Jerusalem fand diesen Sommer ein ähnliches Sommercamp mit mindestens 80 Kindern statt. Die Zusammenarbeit mit den anderen hebräischsprechenden Gemeinden im ganzen Land soll künftig intensiviert werden. Geplant sind gemeinsame Ausflüge, Zeltlager und Feste, um den gemeinsamen Glauben der Kinder über kulturelle Grenzen hinweg zu stärken.


Quelle:
KNA