So kämpften die Mütter des Grundgesetzes für Frauenrechte

"Männer und Frauen sind gleichberechtigt"

Im Bonner Naturkundemuseum Koenig begann der Parlamentarische Rat im September 1948, ein Grundgesetz für die Bundesrepublik zu entwerfen. 65 Personen gehörten diesem Gremium an, 61 Männer und nur vier Frauen.

Autor/in:
Christiane Laudage
 Vier Mitglieder des Parlamentarischen Rats zur Ausarbeitung des Grundgesetzes waren Frauen. Von links nach rechts: Helene Wessel (Zentrumspartei), Helene Weber (CDU), Friederike Nadig (SPD) und Elisabeth Selbert (SPD) / © Erna Wagner-Hehmke/Haus der Geschichte (dpa)
Vier Mitglieder des Parlamentarischen Rats zur Ausarbeitung des Grundgesetzes waren Frauen. Von links nach rechts: Helene Wessel (Zentrumspartei), Helene Weber (CDU), Friederike Nadig (SPD) und Elisabeth Selbert (SPD) / © Erna Wagner-Hehmke/Haus der Geschichte ( dpa )

Es waren: Friederike "Frieda" Nadig (SPD, 1897-1970), Elisabeth Selbert (SPD, 1896-1986), Helene Weber (Zentrum, 1881-1962) und Helene Wessel (CDU, 1898-1969). Sie sind auch als "Mütter des Grundgesetzes" bekannt.

"Im Parlamentarischen Rat ist die deutsche Frau zahlenmäßig viel zu gering vertreten", sagte Friederike Nadig damals und forderte: "Das Grundgesetz muss aber den Willen der Staatsbürger, die überwiegend Frauen sind, widerspiegeln." 

Der Weg zum Grundgesetz

Auf die totale Niederlage der Nationalsozialisten 1945 folgte die Besetzung des besiegten Deutschlands. Doch schon bald drifteten die Alliierten in ihrer Besatzungspolitik auseinander. Die Zeichen mehrten sich, dass es zur deutschen Teilung kommen würde - gegen den Willen der meisten westdeutschen Politiker. Hier die Chronologie des Grundgesetzes der Bundesrepublik:

Deutsches Grundgesetz / © Christin Klose (shutterstock)
Deutsches Grundgesetz / © Christin Klose ( shutterstock )

Tatsächlich gab es zu diesem Zeitpunkt mehr Frauen als Männer in der Bevölkerung, weil viele Männer entweder noch in Gefangenschaft oder im Krieg gefallen waren.

"Vor allem einer Frau verdanken wir Artikel 3 Absatz 2"

Die vier Frauen hatten ihre politische Sozialisation während der Kaiserzeit und der Weimarer Republik erhalten, um in der NS-Zeit zu erleben, wie die ersten Schritte zur Gleichberechtigung wieder rückgängig gemacht wurden. Dieses Mal sollte es anders laufen.

 "Vor allem einer Frau verdanken wir Artikel 3 Absatz 2: 'Männer und Frauen sind gleichberechtigt' - ohne jeden Zusatz oder Kommentar. Und diese Frau heißt Elisabeth Selbert", sagte die Autorin Heike Specht letztes Jahr im KNA-Interview.

Aber auch darauf macht Specht aufmerksam: Die anderen drei Frauen hätten zunächst gezögert. Denn sie befürchteten, dass aus diesem Grundsatz Chaos erwachsen könnte, weil man dann auch das Bürgerliche Gesetzbuch an entscheidenden Punkten ändern musste.

01.09.1948, Nordrhein-Westfalen, Bonn: Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates tagen in der Pädagogischen Akademie in Bonn / © Erna Wagner-Hehmke/Haus der Geschichte (dpa)
01.09.1948, Nordrhein-Westfalen, Bonn: Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates tagen in der Pädagogischen Akademie in Bonn / © Erna Wagner-Hehmke/Haus der Geschichte ( dpa )

"Genau diese Überarbeitung aber wollte Selbert. Frauen sollten nicht wie in der Weimarer Republik nur als Staatsbürgerinnen, sondern auch als Ehefrauen und Mütter gleichberechtigt sein", erklärt die Autorin.

Am 18. Januar 1949 wurde der Gleichheitsgrundsatz in der Sitzung des Hauptausschusses einstimmig angenommen und im Grundgesetz verankert.

Vorausgegangen war ein breiter öffentlicher Protest, denn die 61 Herren im Parlamentarischen Rat mussten erst überzeugt werden und lehnten vorher mehrfach diesen Artikel ab. 

Helene Weber und Friederike Nadig scheiterten allerdings in ihren Anstrengungen, zusätzlich eine Lohngleichheit von Mann und Frau im Grundgesetz zu verankern. Hätten sie Erfolg gehabt, würde man heute nicht mehr über das Gender Pay Gap sprechen müssen.

Die vier Frauen setzen ihr Engagement fort

Elisabeth Selbert zahlte für ihren Einsatz für die Gleichberechtigung einen hohen Preis. Sie bekam bei der Bundestagswahl einen so aussichtslosen Listenplatz zugewiesen, dass der Einzug in den ersten Bundestag nicht klappte. 

Außerdem wurde die Juristin wider Erwarten nicht an das Verfassungsgericht berufen. Als Konsequenz zog sie sich mehr und mehr aus der Politik zurück, um sich ihrer Anwaltskanzlei zu widmen.

Friederike Nadig gehörte bis 1961 dem Bundestag an und arbeitete daran, dass die Gleichberechtigung von Mann und Frau auch wirklich umgesetzt wurde. 

Weitere Arbeitsgebiete, für die sie sich energisch einsetzte, war eine Besserstellung der unehelichen Kinder sowie die Not der Vertriebenen und der Kriegsopfer.

Helene Weber war bis 1962 Mitglied des Bundestages. Die katholische Sozialpolitikerin setzte sich besonders für den Schutz der Ehe und der Familie ein. 

Im Museum Koening in Bonn werden am 1. September 1948 die Beratungen des Parlamentarischen Rates zur Ausarbeitung des Grundgesetzes mit einem Festakt eröffnet / © Erna Wagner-Hehmke/Haus der Geschichte (dpa)
Im Museum Koening in Bonn werden am 1. September 1948 die Beratungen des Parlamentarischen Rates zur Ausarbeitung des Grundgesetzes mit einem Festakt eröffnet / © Erna Wagner-Hehmke/Haus der Geschichte ( dpa )

Sie übernahm zahlreiche Leitungsämter in der katholischen Frauenbewegung, war Vorsitzende des Müttergenesungswerks sowie Mitbegründerin und Vorsitzende der Frauen Union der CDU (bis 1956).

Helene Wessel wurde als erste Frau in der deutschen Parteiengeschichte zur Vorsitzenden einer Partei gewählt, als sie 1949 den Parteivorsitz der damals auch im Bundestag vertretenen Zentrumspartei übernahm. 

Die nächste weibliche Parteivorsitzende war Anfang der 1980er Jahre die Grünen-Politikerin Petra Kelly. 

Sie war in vieler Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung: Die Katholikin saß ab 1957 für die SPD im Bundestag - zu einer Zeit, als zwischen der katholischen Kirche und den Sozialdemokraten Funkstille herrschte. 

Gleichberechtigung in der Verfassung verankert

Auch beschränkte sie sich nicht auf die als "weiblich" anerkannten Ressorts, sondern zögerte nicht, sich auch deutlich zur Außenpolitik zu äußern.

Die Gleichberechtigung war dank der Mütter des Grundgesetzes in der Verfassung verankert. Bis Frauen in der Politik weitere Leitungspositionen übernehmen konnten, dauerte es. 

1961 musste der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer gezwungen werden, eine Frau zur Ministerin zu ernennen - Elisabeth Schwarzhaupt. 1972 wurde Annemarie Renger erste Präsidentin des Bundestages, 2005 Angela Merkel erste Bundeskanzlerin. 

Grundgesetz

Das Grundgesetz ist die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland. Es enthält die wichtigsten Regeln für das Zusammenleben und ist so Grundlage der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Deutschland. In insgesamt 146 Artikeln sind die Grundrechte der deutschen Bürger, die Aufgaben von staatlichen Institutionen und andere Gesetze verankert. Das Grundgesetz begrenzt staatliche Machtausübung durch demokratische Kontrolle.

Grundgesetz / © Jens Kalaene (dpa)
Grundgesetz / © Jens Kalaene ( dpa )
Quelle:
KNA