"Serious Games" wollen Konflikte per Computer vermitteln

Mehr als nur ein Spiel

Spiele mit ernstem Hintergrund: Sogenannte "Serious Games" sind ein kleiner, aber wachsender Markt innerhalb der Computerbranche. Ein Versuch, die Generation Internet mit der Ursache von Konflikten etwa in den armen Ländern vertraut zu machen. Ein gelungenes Beispiel ist "Darfur Is Dying".

Autor/in:
Joachim Heinz
 (DR)

Der Wettlauf gegen den Tod führt durch eine ausgedörrte Landschaft. Vorbei an Geröll und Gestrüpp, in ständiger Angst, dass sich hinten aus dem staubverhangenen Horizont ein Fahrzeug lösen könnte. Sollten die motorisierten Rebellen ihn erst einmal gesehen haben, das weiß Deng, bleibt ihm kaum eine Chance. Also rennt der schmächtige Zehnjährige in der schmutzigbraunen Einöde um sein Leben. Und um Wasser für sich, die fünf Geschwister und seine Eltern zu holen, die im Flüchtlingslager auf ihn warten.

Diese Szene könnte sich exakt so in den Konfliktregionen Afrikas oder Asiens abspielen. Doch Deng und seine Familie existieren nur virtuell, als Teil des Computerspiels "Darfur Is Dying". Mit einfachen Mitteln versuchen die Macher, den seit Jahren andauernden Krieg zwischen Regierungstruppen, arabischen Milizen und einheimischer Bevölkerung in der sudanesischen Krisenregion zu veranschaulichen. Indem die Spieler in die Haut von Deng oder seinen Verwandten schlüpfen, können sie zumindest eine Ahnung davon bekommen, was für viele Menschen Wahlfreiheit in dem nordostafrikanischen Staat heißt: Entweder zu verdursten oder durch die Hand von bewaffneten Banden zu sterben.

Der Unterschied liegt im Ansatz
"Darfur Is Dying" ist nur ein Beispiel für die sogenannten "Serious Games", auf deutsch "ernsthafte Spiele". Dabei handelt es sich um einen kleinen, aber wachsenden Markt innerhalb der Computerbranche, wie Experte Soenke Zehle erläutert. Der promovierte Anglist hat für sein Medienforschungsprojekt an der Universität des Saarlandes rund 30 solcher Angebote zusammengetragen. Die teilweise im Internet frei zugänglichen "Serious Games" bilden einen Gegensatz zu den umstrittenen Killerspielen - auch wenn in beiden Fällen menschliche Gewalt und Grausamkeiten möglichst realitätsnah wiedergegeben werden sollen.

Der Unterschied liegt im Ansatz, wie Zehle betont. Bei den "ernsthaften Spielen" gehe es darum, die Generation Internet mit der Ursache von Konflikten etwa in den armen Ländern des Südens vertraut zu machen. Denn die unter 30-Jährigen, weiß der Wissenschaftler, "lesen nur noch in Ausnahmefällen Zeitung". Wer in dieser Zielgruppe Botschaften platzieren will, muss multimedial denken. Ein Grund, weshalb vor allem Nichtregierungsorganisationen wie das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR oder amnesty international an dem neuartigen Phänomen interessiert sind, das seit rund fünf Jahren immer weitere Kreise zieht.

"Das war vor kurzem noch total undenkbar"
Große Gewinne lassen sich mit den Spielen derzeit allerdings noch nicht erzielen, wie der dänische Programmierer Simon Egenfeldt-Nielsen einräumt. Das von ihm gegründete Unternehmen Serious Games Interactive beschäftigt 18 Mitarbeiter. Die Kopenhagener Software-Experten haben eine Reihe namens "Global Conflicts" auf den Markt gebracht, in der Spieler als investigative Journalisten unterwegs sind, um etwa die Machenschaften der Drogenmafia in Lateinamerika aufzudecken. Rund 300.000 Euro Entwicklungskosten stecken in der einzelnen Folge, an deren Grafik und Aufbau bis zu neun Personen feilen - ein Bruchteil dessen, was konventionelle Unternehmen in die Realisierung ihrer Produkte stecken.

Da schlägt ein einzelnes Spiel schon mal mit 14 Millionen Euro zu Buche und hält bis zu 200 Spezialisten in Schach. Doch auch hier gibt es einen Trend, "pädagogische Ansätze mit einzubauen", wie der PR-Direktor von Electronic Arts Germany, Martin Lorber, feststellt.

Der Konzern, dessen Mutterhaus in den USA sitzt, hat unlängst ein Fitness-Spiel präsentiert, das auf unterhaltsame Weise zu sportlicher Betätigung animieren soll. "Das war vor kurzem noch total undenkbar", so Lorber. Ob eines Tages auch echte "Serious Games" mit der Simulation von humanitären Hilfseinsätzen zum Portfolio gehören, wagt der Electronic Arts-Vertreter indes zu bezweifeln. "Hollywood würde schließlich auch keine Lehrfilme herausbringen." Einstweilen bleiben die "ernsthaften Spiele" ein Nischenprodukt - wenn auch eines mit Zukunft.