Seelsorger führt Exerzitien auf dem Berg durch

Schweigen und Steigen

Exerzitien sind Einkehrtage, die traditionell an einen Ort gebunden sind. Das muss aber nicht so sein, sagt Knut Waldau. Er ist Seelsorger im Bistum Augsburg und bietet Berg-Exerzitien an. Bewegung kann auch meditativ sein.

Gipfelkreuz unter einem Wolkenhimmel / © Christopher Beschnitt (KNA)
Gipfelkreuz unter einem Wolkenhimmel / © Christopher Beschnitt ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie sind Sie darauf gekommen, sich Berg-Exerzitien auszudenken? 

Knut Waldau (Seelsorger im Bistum Augsburg und Leiter von Berg-Exerzitien): Der Ursprung war primär eine persönliche spirituelle Erfahrung. Ich bin in Köln geboren und aufgewachsen und war irgendwann mal im Alter von 21 oder 22 Jahren mit einem Freund mehrere Tage im Hochgebirge unterwegs. Es war für mich eine eindrucksvolle Erfahrung, in eine ganz andere Welt zu kommen.

Ich habe eine starke Entfernung vom Alltag gespürt und gleichzeitig wurde ich da von etwas berührt, was für mich eine eindrucksvolle spirituelle Erfahrung war: die Stille, die ich vorher nicht kannte, das Gefühl, dass die Zeit im Hochgebirge in gewisser Weise stillsteht.

Knut Waldau

"Nach dieser eindrucksvollen Erfahrung, habe ich die Berge dann immer öfter aufgesucht."

Denn in dem ganzen schnellen Wandel, den ich sonst erlebe, ist die Landschaft in den Bergen dieselbe geblieben. Nach dieser eindrucksvollen Erfahrung, habe ich die Berge dann immer öfter aufgesucht. Irgendwann als ich nach Bayern gegangen bin, entstand die Idee mit einem Kollegen zusammen so etwas wie Berg-Exerzitien zu kreieren. 

DOMRADIO.DE: Welche Bedeutung hat dabei das Gehen, also die Bewegung? Bei Berg-Exerzitien ist man ja unterwegs und nicht in Klöstern. 

Waldau: Das ist vermutlich einer der elementaren Unterschiede zu den klassischen ignatianischen Exerzitien, die ja weitgehend im Sitzen stattfinden. Ich denke, das kann jeder erleben, der sich selber mal spürt, wie es ist, wenn man im Sitzen nachdenkt oder wenn man im Gehen nachdenkt. Ich persönlich habe für mich die Erfahrung gemacht, dass im Gehen Dinge leichter in Bewegung kommen und dass ich etwas leichter in Bewegung bringe.

Wandern mit festen Stiefeln / © Jens Ottoson (shutterstock)
Wandern mit festen Stiefeln / © Jens Ottoson ( shutterstock )

Das ist auch eine sehr alte Meditationshaltung. Viele Wüstenväter haben viel Zeit mit Meditation im Gehen verbracht, weil das Gehen sehr rhythmisch ist und in eine Stille hineinführen und dabei helfen kann, den Kopf für eine Zeit lang frei zu bekommen.

Gehen hat eine lösende Wirkung, finde ich. Ein Teilnehmer hat zum Beispiel mal am Ende von Berg-Exerzitien gesagt, er habe das Gefühl, durch dieses tägliche, lange, viele Gehen habe sich irgendwas in ihm gelöst, was vorher unzugänglich und verhärtet war: Bestimmte Fragen, die gerade in seinem Leben anstanden. 

DOMRADIO.DE: Wie kann man sich Berg-Exerzitien denn vorstellen? Wird dann beim Gehen geschwiegen oder gebetet?

Waldau: Das hängt ein bisschen von den Leuten ab. Aber bei den Touren, die ich zusammen mit Kolleginnen und Kollegen leite, haben wir den Grundsatz: "Wenn wir gehen, dann schweigen wir." Wenn wir sechs Stunden am Tag gehen, dann gibt es auch eine Schweigezeit von sechs Stunden. Das wird dann nur unterbrochen, wenn wir bei schwierigeren Touren im Gebirge möglicherweise mal zu einer Passage kommen, wo die Gruppe zusammen bleiben muss und wo wir auch miteinander reden und uns gegenseitig helfen müssen.

Knut Waldau

"Es ist gut, tagsüber mal Raum für das zu haben, was man unterwegs am Weg und was man in sich selber, in der eigenen Tiefe wahrnimmt."

Aber auf normalen Wegen gehen wir im Schweigen und auch ein bisschen mit Abstand. Genau das hat eine besondere Erfahrung. Das hilft dabei, keine Gespräche wieder über das zu führen, was irgendwie zu Hause war oder über die neuen Bergschuhe oder den Rucksack. Das ist zwar auch alles schön, aber das hat seinen Raum beim Essen und am Abend.

Es ist gut, tagsüber mal diesen Raum zu haben für das, was man unterwegs am Weg wahrnimmt und das, was man in sich selber, in der eigenen Tiefe wahrnimmt. 

DOMRADIO.DE: Wie kann man sich für die Berg-Exerzitien anmelden? 

Waldau: Wir haben die Homepage www.BergExerzitien.de. Dieses Jahr haben wir 20 Touren, die allerdings fast alle ausgebucht sind, es gibt, glaube ich, im Herbst noch ein paar Restplätze. Anfang Oktober kommen dann die neuen Angebote für 2024.

Nach Karneval ist die erste Tour von Aschermittwoch bis Sonntag in Südtirol. In der Karwoche sind wir am Gardasee in Italien. Da haben wir ein sehr schönes Kloster in Limone und bieten dort zwei Touren an. Für eine Anmeldung gibt keine Voraussetzung. Wir fragen nicht nach der Konfession. Man muss sich nur auf das einlassen, was wir da gemeinsam vorhaben.

Das Interview führte Clemens Sarholz. 

Bergexerzitien

Exerzitien haben eine lange Tradition. Unter dem Begriff "Exercitia spiritulia" fasst die asketische Sprache des Mittelalters Übungen zusammen, die der Vertiefung des geistlichen Lebens dienen. Neben dem Gebet, der Meditation biblischer Texte und der Auseinadersetzung mit der eigenen Lebenswirklichkeit, sind die Erfahrungen der Einsamkeit und Stille wesentliche Elemente dieses geistlichen Weges. Exerzitien brauchen Zeit. Die klassischen ignatianischen Exerzitien dauern vier Wochen, aber schon Ignatius hat davon abweichende Formen als legitime Adaptationen vorgesehen.

unscharf und abstrakt abgebildete Menschen, die auf einer Straße gehen (Symbolbild: Straßenexerzitien) / © Alextype (shutterstock)
unscharf und abstrakt abgebildete Menschen, die auf einer Straße gehen (Symbolbild: Straßenexerzitien) / © Alextype ( shutterstock )
Quelle:
DR