Handbuch der Bergspiritualität gibt Tipps für Bergexerzitien

"Gebahnte und ungebahnte Wege"

"Schritte ins Weite" ist der Titel eines Buches über die Möglichkeiten der Bergexerzitien. Der Autor ist davon überzeugt, dass die Berge hervorragende Orte für tiefgründige, spirituelle Fragen sind.

Auch das Sauerland eignet sich für Bergexerzitien. / © Joel Wuestehube (shutterstock)
Auch das Sauerland eignet sich für Bergexerzitien. / © Joel Wuestehube ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Vielleicht klären wir als allererstes mal, was genau sind denn Exerzitien?

Dr. Ulrich Hörwick (Referent für Ökumene und interreligiösen Dialog in der Diözese Augsburg): Exerzitien sind in der Tradition der Kirche geistliche Übungen, verschiedenster Form, die zu einem Leben, zu einem bewussteren Leben, zu einem selbstbewussteren Leben, aber auch zu einem bewussten Leben in der Verbindung zu Gott führen können und sollen.

Dr. Ulrich Hörwick, Autor

"Wie ein Kloster sind auch die Berge potenziell ein Raum religiöser Erfahrung."

Meist findet das in Gruppen statt. Es gibt verschiedenste Formen, einzelne Exerzitien, Gruppenexerzitien, kontemplative Vortragsexerzitien. Alles in allem sind es immer geistliche Übungen, um sich in seinem spirituellen Leben zu vertiefen.

Blick auf Berge und Wälder im Berner Oberland / © Chase Dekker (shutterstock)
Blick auf Berge und Wälder im Berner Oberland / © Chase Dekker ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Die ganz klassische Form geht zurück auf Ignatius von Loyola, Gründer des Jesuitenordens. Der allerdings führte Exerzitien immer an einem Ort durch, also im Kloster zum Beispiel. Sie sagen, es ist besser, in Bewegung zu sein. Wieso klappt das denn in den Bergen ganz besonders gut?

Hörwick: Wie ein Kloster sind auch die Berge potenziell ein Raum religiöser Erfahrung. Und sie sind ein ganz anderer Raum, ein größerer Raum, als ein Kloster. Und sie bieten eine Reihe von Andockpunkten, sich Fragen zu stellen, die tiefer hineinführen in das eigene Selbstbewusstsein und in die eigene Spiritualität. Stichwort der Gipfel, Übergänge, Herausforderung, Schwierigkeiten unwegsame Gegenden.

Gipfelkreuz unter einem Wolkenhimmel / © Christopher Beschnitt (KNA)
Gipfelkreuz unter einem Wolkenhimmel / © Christopher Beschnitt ( KNA )

Es wird ja auch in der Heiligen Schrift zwischen den gebahnten und den ungebahnten Wegen unterschieden, auf die Gott die Menschen führt. Und solche gebahnten und ungebahnten Wege finden sich ja im Gebirge auch zuhauf und so werden die verschiedenen Facetten des Gebirges von selbst zur Metapher für Lebens- und Erfahrungszustände.

DOMRADIO.DE: Würden Sie sagen, es ist auch egal welche Berge man dafür wählt? Funktioniert das in der Eifel oder im Sauerland genauso gut wie in den Alpen?

Hörwick: Definitiv. Also wir sind nicht immer auf den höchsten Gipfeln und höchsten Bergen unterwegs. Wir sind auch unterwegs, um ein Beispiel zu nennen, in den mittleren Höhenlagen Südtirols, wo man bei näherer Betrachtung auch nicht viel höher kommt als in den Mittelgebirgen. Ich habe selber schon mal Bergexerzitien im Bayerischen Wald gemacht. Das ist eine ähnliche Formation wie die Eifel oder das Sauerland. Das geht überall, wo man in der Natur unterwegs sein kann.

Gefaltete Hände / © Red Confidential (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Ihr Buch möchte ja jetzt eine Hilfestellung sein, Bergexerzitien zu planen. Was würden Sie denn sagen? Worauf kommt es an?

Hörwick: Es kommt zuerst darauf an, ein eigenes, sehr gut gesetztes spirituelles Leben zu führen. Wichtig ist, dass man das, was man tut, aus einer eigenen Erfahrung, aus einem eigenen Antrieb und aus eigener Überzeugung heraus tut, also sich keine Formen aneignen, die einem selber nicht geläufig sind.

Die zweite Voraussetzung ist für mich eine solide theologische Ausbildung. Bei uns gibt es fast ausschließlich Leiterinnen und Leiter, die eine theologische berufliche Qualifikation haben. Unverzichtbar ist auch und das ist ein ganz wichtiger Punkt, eine profunde Kenntnis des Gebiets, in dem man unterwegs ist, und eine entsprechende, bei uns hier in unseren Breiten im Süden, eine entsprechende zertifizierte alpine Fachausbildung.

DOMRADIO.DE: Geht das Ganze auch im Winter? Kann man da auch jetzt mit loslegen?

Hörwick: Grundsätzlich geht das im Winter. Es gibt auch einen Kollegen, der bietet Skitouren-Exerzitien an. Voraussetzung bei uns dafür ist, dass man eine entsprechende alpintechnische Qualifikation hat, die auch nachweisbar ist.

Das Interview führte Verena Tröster.

Bergexerzitien

Exerzitien haben eine lange Tradition. Unter dem Begriff "Exercitia spiritulia" fasst die asketische Sprache des Mittelalters Übungen zusammen, die der Vertiefung des geistlichen Lebens dienen. Neben dem Gebet, der Meditation biblischer Texte und der Auseinadersetzung mit der eigenen Lebenswirklichkeit, sind die Erfahrungen der Einsamkeit und Stille wesentliche Elemente dieses geistlichen Weges. Exerzitien brauchen Zeit. Die klassischen ignatianischen Exerzitien dauern vier Wochen, aber schon Ignatius hat davon abweichende Formen als legitime Adaptationen vorgesehen.

unscharf und abstrakt abgebildete Menschen, die auf einer Straße gehen (Symbolbild: Straßenexerzitien) / © Alextype (shutterstock)
unscharf und abstrakt abgebildete Menschen, die auf einer Straße gehen (Symbolbild: Straßenexerzitien) / © Alextype ( shutterstock )
Quelle:
DR