Während die Zahl der ukrainischen Staatsbürger vor Kriegsbeginn im Februar 2022 in Deutschland relativ gering war, halten sich inzwischen (Stichtag 31. Oktober 2025) dem Ausländerzentralregister (AZR) zufolge in Deutschland 1.309.374 Flüchtlinge aus der Ukraine auf.
Von ihnen sind 1.270.826 ukrainische Staatsbürger. Das macht sie zur zweitgrößten ausländischen Bevölkerungsgruppe in der Bundesrepublik, mit Schwerpunkten in Berlin, Bayern und Nordrhein-Westfalen. Überwiegend sind es Frauen mit Kindern, viele haben einen temporären Schutzstatus.
Knapp 460.000 Menschen, die zwischen Februar 2022 und Anfang Juli 2025 aus der Ukraine nach Deutschland geflohen waren, halten sich laut AZR nicht mehr in Deutschland auf. Es ist jedoch nicht möglich, genau zu sagen, wie viele Geflüchtete aus der Ukraine jeden Monat nach Deutschland ein- oder ausreisen, denn ukrainische Staatsangehörige können sich bis zu 90 Tage visumsfrei in Deutschland aufhalten.
Das Durchschnittsalter der Geflüchteten beträgt knapp 44 Jahre. Im Schnitt waren die ukrainischen Geflüchteten damit deutlich jünger als die Bevölkerung in der Ukraine selbst. Vor dem Ukraine-Krieg lebten rund 331.000 Menschen mit ukrainischem Migrationshintergrund in Deutschland. Etwas mehr als die Hälfte von ihnen hatte die deutsche Staatsangehörigkeit (196.000), etwas weniger die ukrainische (135.000).
Parallel konkurrierende Seelsorgestrukturen
Gemäß der Religionsstatistik der Ukraine (Stand 2022) bekennen sich 72 Prozent der Bevölkerung zur Orthodoxie, 9 Prozent sind Katholiken der verschiedenen Riten (vor allem griechisch-katholisch), Protestanten aller Gruppierungen bilden zusammen 2 Prozent, andere Christen (vor allem armenisch-apostolische) weitere 2 Prozent. Noch 10 Prozent der Ukrainer erklären sich als Atheisten.
Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Religionszugehörigkeit der Ukrainer in Deutschland von derjenigen abweicht, die in der Heimat geblieben sind. Für die seelsorgliche Betreuung haben sich inzwischen mehrere parallele Strukturen gebildet, die untereinander konkurrieren und auch einen unterschiedlichen kanonischen Status aufweisen.
Die orthodoxen Christen aus der Ukraine sind in Bezug auf ihre kirchliche Bindung und damit auch die von ihnen gewählte oder zur Verfügung stehende Seelsorge gespalten. Im wesentlichen handelt es sich um Strukturen des Ökumenischen Patriarchats, des Moskauer Patriarchats und der russischen Auslandskirche, der Ukrainischen Orthodoxen Kirche.
Vor dem Kriegsbeginn 2022 gab in Deutschland deutlich weniger eigene ukrainische orthodoxe Gottesdienststätten und Gläubige. Die Gemeinden bestanden aus Menschen, die während des Zweiten Weltkriegs oder danach als Exilanten, Flüchtlinge und ehemalige Zwangsarbeiter aus der Ukraine nach Deutschland gekommen waren, und deren Nachkommen.
Ukrainische Diözese Westeuropas
Sie bildeten die schon 1945 entstandene, aber damals kirchenrechtlich gesamtorthodox nicht als kanonisch anerkannte "Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche in der Diaspora", die dann jedoch 1995 in die Jurisdiktion des Patriarchats von Konstantinopel aufgenommen wurde. Die ukrainischen orthodoxen Gemeinden in Deutschland und den anderen westeuropäischen Ländern werden seit Juli 2016 vom Erzbischof von Pamphilon, Daniil Zelinskij, als Leitendem Bischof der Ukrainischen Orthodoxen Eparchie von Westeuropa bischöflich betreut.
Allerdings hat er seinen festen Sitz in Chicago, da er zugleich Vorsteher der Westdiözese seiner Kirche in den USA ist. Diese ukrainische Diözese von Westeuropa des Ökumenischen Patriarchats hat die Zahl ihrer Gemeinden in Deutschland, wo ihr Schwerpunkt liegt, auf 30 gesteigert und ist seit neuestem in drei Dekanate gegliedert. Je eine weitere Gemeinde der Diözese befindet sich in Paris und im belgischen Genk (Belgien).
Gemeinden mit mehreren Nationalitäten
Ein erheblicher Teil der Flüchtlinge aus der Ukraine suchte und fand eine nahe gelegene Gemeinde in einer der beiden in Deutschland existierenden russischen Diözesen: der "Russischen Orthodoxen Diözese des orthodoxen Bischofs von Berlin und Deutschland" der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland (mit gut 70 Gemeinden) und der "Diözese von Berlin und Deutschland der Russischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats" (mit derzeit 119 Gemeinden).
Zu diesen gehörten seit ihrer jeweiligen Entstehung 1926 bzw. 1945 nicht nur Russen, sondern ebenso Ukrainer, Belarussen, Moldauer, Georgier, Russlanddeutsche und andere Nationalitäten aus dem ehemaligen Russischen Reich oder der Sowjetunion.
In diesen multiethnischen Gemeinden beider russischer Diözesen waren von Anfang an ukrainische Flüchtlinge willkommen. Inzwischen haben auch orthodoxe Geistliche der Ukraine unter den Flüchtlingen eine vorläufige Heimat in den Gemeinden beider russischen Bistümer gefunden. Metropolit Mark von Berlin vermerkte vor kurzem, dass in einigen Gemeinden die Ukrainer inzwischen bis zu 80 Prozent der Gottesdienstbesucher ausmachten.
Vikar-Bischof für die Auslandsgemeinden
In den vergangenen Jahren hat auch die Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK), die von 1992 bis 2022 als sich selbst verwaltende Struktur zum Moskauer Patriarchat gehörte, dann aber am 27. Mai 2022 beim sog. "Konzil von Feofanija" ihre "völlige Selbstständigkeit und Unabhängigkeit" von Moskau erklärte, damit begonnen, in rascher Folge eigene und mit den beiden russischen Bistümern in keinerlei Weise verbundene Gemeinden in Deutschland und anderen europäischen Ländern zu errichten.
Diese unterstehen dem UOK-Vorsteher Metropolit Onufrij (Berezowskij) von Kiew und der ganzen Ukraine. Am 3. Januar 2023 weihte Onufrij einen eigenen Vikar-Bischof für die Betreuung dieser Auslandsgemeinden, den 1961 geborenen Veniamin (Volo·cuk), der derzeit seinen Sitz in Irland hat und zum Administrator für die Auslandsgemeinden ernannt wurde.
Die meisten ihm betreuten Gemeinden befinden sich in Deutschland, inzwischen aber auch in anderen Ländern Westeuropas, in denen es ukrainische Flüchtlinge gibt - etwa in Belgien und dem Vereinigten Königreich. Ein offizielles Verzeichnis der UOK-Auslandsgemeinden ist bislang nicht veröffentlicht worden. Eine inoffizielle und inzwischen nicht mehr aktuelle Auflistung der UOK-Auslandsgemeinden, die vom Konfessionskundlichen Institut des Evangelischen Bundes in Bensheim erstellt wurde, findet sich auf dessen Webseite. Insgesamt ist die Rede von über 30 Gemeinden mit noch mehr Priestern allein in Deutschland.
UOK-Gemeinden zwischen den Stühlen
Kirchenrechtlich ist allerdings deren Status unklar - wie generell der ganzen UOK. Zwar hat das Moskauer Patriarchat vermieden, die Lossagung offiziell zu verurteilen, gar kanonische Strafmaßnahmen zu ergreifen, und führt weiter die Bischöfe der UOK auf seinen Webseiten auf. Andererseits hat Moskau die Selbstständigkeitserklärung der UOK nicht gebilligt. Auch die UOK selbst, die in der Ukraine unter dem Druck staatlicher Behörden steht, umging eine kirchenrechtlich klare Definition ihres nun beanspruchten Status. In allen bisherigen Erklärungen vermied sie die kanonischen Begriffe "Autonomie" und "Autokephalie".
Daher befinden sich die bislang entstandenen und sicher noch weiter entstehenden Gemeinden der UOK in Deutschland in einer unklaren Position: Sie sollen und wollen einerseits die seelsorgliche Betreuung ihrer Gläubigen sicherstellen und sind dafür auf die Hilfe deutscher eingesessener Kirchen angewiesen. Bislang sind sie nicht in die örtlichen orthodoxen und damit auch ökumenischen Strukturen wie die Orthodoxe Bischofskonferenz in Deutschland (OBKD) und die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) eingebunden. Sie vermeiden ihrerseits Kontakte sowohl zu den beiden russischen Bistümern hierzulande wie zum westeuropäischen ukrainischen Bistum des Ökumenischen Patriarchats.
Für die Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU), die im Januar 2019 vom Patriarchat in Konstantinopel die Selbstständigkeitsurkunde, den Tomos, erhielt, wurde darin festgelegt, dass sie auf das Territorium der Ukraine beschränkt ist und keine eigenen Gemeinden im Ausland gründen darf. Solche Gemeinden sollten sich vielmehr weltweit den dort existierenden Strukturen des Ökumenischen Patriarchats unterstellen. Allerdings scheinen sich einige ukrainische Gemeinden über ihre kirchliche Anbindung selbst nicht ganz im Klaren zu sein. So vermerkt etwa die Sankt-Wolodymir-Gemeinde in Hannover auf ihrer Webseite:
"Die Gemeinde feiert abwechselnd mit der Griechisch-Katholischen Gemeinde ihre Gottesdienste. Zurzeit zählt die Gemeinde ca. 150 Mitglieder, überwiegend sind es Menschen im vorgeschrittenen Alter", gibt einerseits als Kirchenzugehörigkeit an "Orthodoxe Kirche der Ukraine - West-Europäische Diözese", benennt als Kirchenoberhaupt den Vorsteher der OKU, Epifanij Dumenko, als Diözesanbischof aber Erzbischof Daniil und nennt als Bistum "die Diözese Lviv (Lemberg) der Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Kyiver Patriarchats, die Nachfolgerin der alten Metropolie Galizien". Das "Kiewer Patriarchat" hingegen bezieht sich eine Organisation unter dem inzwischen exkommunizierten ehemaligen Metropoliten Filaret Denysenko.
100 Jahre Seelsorge für unierte Ukrainer
Die Anfänge einer eigenen Seelsorge für in Deutschland lebende Ukrainer der unierten Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche (UGKK) reichen rund 100 Jahre zurück. So wurde bereits 1927 in Berlin ein griechisch-katholisches Seelsorgedekanat eingerichtet, dessen Pfarrer Petro Werhun (1860-1957) 1940 Apostolischer Visitator und Administrator für ganz Deutschland wurde. Er starb in einem sowjetischen Lager und wurde am 27. Juni 2001 von Papst Johannes Paul II. in Lemberg zusammen mit 26 weiteren ukrainischen Märtyrern seliggesprochen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg die Zahl auch der unierten Ukrainer durch Flüchtlinge und Vertriebene an. Mit der Neuordnung der Ukrainerseelsorge im Ausland durch Papst Pius XII. übernahm daher schon 1947 ein Erzbischof als Apostolischer Visitator in Westeuropa die Leitung der Seelsorge für die in Deutschland lebenden griechisch-katholischen Ukrainer. 1959 errichtete Johannes XXIII. für die Ukrainer in Deutschland eine eigene Apostolische Exarchie mit einem Bischof an der Spitze. Der Jurisdiktionsbezirk des Exarchen mit Sitz in München deckt sich mit dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland; seit 1984 ist auch Skandinavien angegliedert.
Geleitet wird sie seit Februar 2021 von dem 1967 im Gebiet Lwiw geborenen Bischof Bohdan Dzyurakh. Sie umfasst jetzt 52 Gemeinden in Deutschland, vier in Dänemark und je eine in Finnland und Norwegen. Auch diese katholische Exarchie verzeichnet seit Kriegsbeginn ein deutliches Anwachsen ihrer Gläubigenzahl sowie der Gottesdienstorte. Eigene Pfarreien für die ohnehin relativ wenigen Katholiken des lateinischen Ritus aus der Ukraine existieren nicht, zumal es meist um Angehörige der polnisch-sprachigen Minderheit handelt. Sie gliedern sich in die römisch-katholischen Ortsgemeinden oder Einrichtungen der polnischen muttersprachlichen Gemeinden ein.