Schwulenverband kritisiert Kardinal scharf

Lehmann vor "Tribunal"

Eklat bei einem Kongress des Bundes: Eigentlich wollte der Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, über die Wertegesellschaft diskutieren. Am Ende musste er sich stattdessen beleidigen lassen. Hintergrund ist der angeblich diskriminierende Umgang der katholischen Kirche mit Homosexuellen. Lehmann selbst wähnte sich vor einem "Tribunal".

 (DR)

Deutliche Kritik an der katholischen Kirche hat einen Auftritt von Kardinal Karl Lehmann beim 1. Kongress der Antidiskriminierungsstelle des Bundes begleitet. Der Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD), Manfred Bruns, bezeichnete Lehmann am Mittwoch im Anschluss als "Großmeister der Diskriminierung" und warf ihm Heuchelei vor. Dabei zog er indirekt einen Vergleich zur Verfolgung Homosexueller in der Nazi-Zeit.

Der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz führte nach einer Grundsatzrede zum Thema "Wertegesellschaft als ökonomischer Faktor" ein Streitgespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom, Rene Obermann. Bereits vor der abschließenden Fragerunde unterbrachen mehrere Fragesteller die Diskussion mit Vorwürfen, die katholische Kirche diskriminiere homosexuelle Mitarbeiter und entlasse sie, wenn sie eine Lebenspartnerschaft eingingen.

Lehmann sagte, solche Fragestellungen würden im konkreten Gespräch geklärt. Die arbeitsrechtlichen Vorgaben der Kirche sähen vor, "dass es da nicht einfach ein Fallbeil gibt, sondern ein seelsorgerliches Gespräch". Zugleich warf er den Kritikern vor, die Veranstaltung zu einem Tribunal umfunktionieren zu wollen. Dazu sei er nicht bereit, zudem kenne er die konkreten Fälle nicht und könne sie jetzt nicht überprüfen.

Kritik auch an der Antidiskriminierungsstelle
LSVD-Sprecher Bruns, einer der Fragesteller, warf dem Kardinal im Anschluss vor, er sei an keiner Stelle seiner Rede auf die "schweren Diskriminierungen" eingegangen, die die katholische Kirche praktiziere. Wenn kirchliche Mitarbeiter eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingingen, müssten sie nach einem Beschluss des Ständigen Rates der Bischofskonferenz entlassen werden. Das sei moralisch verwerflich und zutiefst unsozial. Angesichts solchen Vorgehens müssten sich homosexuelle Kirchenangestellte heute verstecken und anpassen, meinte der 74-Jährige. Das erinnere ihn daran, wie er sich selbst in der Zeit des Nationalsozialismus und in den 1950-er Jahren habe verhalten müssen.

Bruns äußerte zugleich Kritik an der Antidiskriminierungsstelle. Die Einladung Lehmanns zeige, wie "fadenscheinig" sie arbeite. Die Einrichtung war Anfang 2007 im Nachgang des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, das die europäischen Richtlinien zur Vermeidung von Diskriminierung umsetzen sollte, etabliert worden.

Lehmann mahnt Wirtschaft zu ethischer Verantwortung
Zuvor hatte Lehmann an die Wirtschaft appelliert, Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen und sich nach ethischen Maßstäben zu richten. Wenn sie Teil der Gesellschaft sein wolle, müsse sie sich auch nach den Wertmaßstäben der Gesellschaft beurteilen lassen, in der sie arbeite und Gewinne abschöpfe. Weiter betonte der Kardinal, Marktregeln funktionierten auf Dauer nur, wenn sie von einem moralischen Grundkonsens getragen würden.

Auch der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Telekom, Rene Obermann, nannte ethische Grundlagen für die Wirtschaft unabdingbar. Eine "zum Teil ungezügelte, zum Teil anarchisch laufende Globalisierung" brauche ethische Impulse. "Ohne Ethik geht nichts", meinte er, sonst wären Unternehmen nicht existenzfähig. Dabei dürfe Ethik jedoch nicht mit Sozialromantik verwechselt werden.

Obermann sprach zudem von einer besonderen Verantwortung derer, die - beispielsweise als Manager - von Globalisierungsprozessen stark profitierten. Selbstverständlich müssten sie der Gesellschaft mehr zurückgeben. Der Telekom-Chef zeigte sich weiter überzeugt, dass ethische Orientierungen der Kirchen weit über den Kreis der Kirchenmitglieder hinaus Bedeutung hätten. Nach seiner Einschätzung bietet die Kirche das Wertegerüst auch für viele, die sich von der Institution Kirche abwendeten.

Lehmann bekräftigte zugleich die Rolle des klassischen Unternehmers.
Vielfach seien es heute gerade Manager, die selber keinen Anteil am Kapital oder an der Tradition eines Betriebes hätten, dann aber unter Verweis auf Kostendruck oder mit Blick auf den Aktienkurs Arbeitsplätze abbauten.