Schwester Katharina trauert um Fußball-Legende Beckenbauer

"Leichtigkeit des Seins"

Er war eine deutsche Fußball-Legende. Weltweit ist die Anteilnahme am Tod von Franz Beckenbauer groß. Schwester Katharina Hartleib, fußballbegeisterte Ordensfrau, blickt auf sein Wirken, sowohl fußballerisch wie auch gesellschaftlich.

Trauer um Franz Beckenbauer / © Ina Fassbender (dpa)
Trauer um Franz Beckenbauer / © Ina Fassbender ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was ging Ihnen als erstes durch den Kopf, als Sie davon erfahren haben, dass Franz Beckenbauer gestorben ist?

Sr. Katharina Hartleib OSF vor dem Kölner Dom / © Mathias Peter (DR)
Sr. Katharina Hartleib OSF vor dem Kölner Dom / © Mathias Peter ( DR )

Schwester Katharina Hartleib OSF (Olper Franziskanerin und Fußball-Fan): Ich hatte schon vor einer Weile gehört, dass es ihm nicht gut geht, weil er so schwer herzkrank ist. Als dann die Nachricht kam, fand ich es einerseits schade. Auf der anderen Seite ist es gut, denn er hat es geschafft.

DOMRADIO.DE: Was verbinden Sie mit ihm?

Sr. Katharina: Eine unglaubliche Leichtigkeit des Seins. In seiner Art Fußball zu spielen, hatte man immer das Gefühl, er muss sich nicht anstrengen. 

Auf der anderen Seite habe ich bei ganz vielen Sachen, die er angefasst hat, immer gedacht, dass er eigentlich machen kann, was er will und es immer gelingt. Aber bei den Leuten, bei denen die Dinge leicht wirken, steckt viel Akribie und viel Arbeit dahinter. Er machte das immer mit einem strahlenden Lächeln. Das hat mich immer beeindruckt. 

Schwester Katharina Hartleib

"Er ist so ein strahlender Mensch."

Das bezieht sich nicht nur auf den Fußball, sondern auch auf seine Tätigkeiten danach. Er ist so ein strahlender Mensch. Die Weltmeisterschaft 2006, die Deutschland von einer ganz anderen Seite gezeigt hat, war sein Werk. Dafür kann man ihm heute nur dankbar sein.

DOMRADIO.DE: Was noch hat ihn noch aus Ihrer Sicht ausgemacht?

Sr. Katharina: Diese unglaubliche Art Fußball zu spielen. Man hatte das Gefühl, er spielt völlig anders als alle anderen vorher. Er hatte eine Art und Weise mit dem Ball umzugehen, die damals völlig neu war. 

Wir waren es gewohnt zu hören, die Deutschen seien Rumpelfußballer, die alles über Kraft, Arbeit und Kampf machten. Franz Beckenbauer machte das nicht. Günter Netzer hat mal ganz beleidigt gesagt: "Der schwitzt noch nicht mal bei einem Spiel." Diese Kunst des Fußballspiels hat ihn ausgemacht.

DOMRADIO.DE: Sie haben Beckenbauer vom Bildschirm aus bei Spielen, bei denen er mitgespielt hat, aber auch bei Spielen, bei denen er als Trainer am Rand gestanden hat, gesehen. Was hat Sie da besonders beeindruckt? 

Schwester Katharina Hartleib

"Er hat einen unglaublichen Jubel in unserem Land hervorgerufen."

Sr. Katharina: An Spiele, die ich von ihm gesehen habe, kann ich mich nicht erinnern. Da war ich zu jung. Als er zur Zeit der Wiedervereinigung 1990 Trainer war, lebte ich als geborener Ossi damals noch in der DDR. Dann kam dieser wundervolle Sommer nach dem Mauerfall und viele DDR-Leute waren unglaublich fußballbegeistert. Plötzlich war es "unsere" Mannschaft, die bei der Weltmeisterschaft spielt. 

Beckenbauer war ein Trainer, bei dem man das Gefühl hatte, der weiß, wo es hingeht, und der weiß, wie man spielen muss. Er hat einen unglaublichen Jubel in unserem Land hervorgerufen, der – wie vielleicht 1954 – eine große Wirkung für die Menschen in unserem Land hatte. Das strahlte dann wieder.

Franz Beckenbauer (1974) / © Hartmut Reeh (dpa)
Franz Beckenbauer (1974) / © Hartmut Reeh ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was wird jetzt im deutschen Fußball fehlen?

Sr. Katharina: Diese Leichtigkeit des Seins. Bei vielen Dingen, die er angepackt hat, hatte man das Gefühl, er kann das. Im Moment hat man immer das Gefühl, das alles so schwierig und kompliziert ist. Man hat nicht das Gefühl, dass es im Moment Menschen gibt, die diese Leichtigkeit und diese Überzeugungskraft haben. 

Ein Spieler hat mal gesagt: "Wenn der Franz gesagt hätte, wir spielen ab heute mit viereckigen Bällen, hätten das alle gemacht." So eine Überzeugungskraft von den Dingen, die möglich sind, hat im Moment niemand.

Das Interview führte Dagmar Peters. 

Quelle:
DR