Ein Portrait zum Tod von Franz Beckenbauer

Die Lichtgestalt des Fußballs ist langsam erloschen 

Mit seinem Können wurde aus dem Giesinger Bub Franz Beckenbauer ein Weltmeister als Spieler und Trainer. Den Deutschen bescherte er 2006 ein Sommermärchen, sich selbst im Nachhinein Justizärger. Nun ist der Kaiser tot.

Autor/in:
Barbara Just
Trauer um Franz Beckenbauer / © Tobias Hase (dpa)
Trauer um Franz Beckenbauer / © Tobias Hase ( dpa )

Ruhig war es um Franz Beckenbauer geworden. Seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte die Fußball-Ikone im Januar 2023 in Kitzbühel beim Karpfenessen mit Familie und Freunden gehabt. Im Juli aber fehlte der einstige Teamchef im Chiemgau beim Treffen der Spieler jener deutschen Nationalmannschaft, die mit ihm 1990 in Rom Weltmeister geworden waren. Aus gesundheitlichen Gründen, hieß es. 

Franz Beckenbauer (2016) / © Andreas Gebert (dpa)
Franz Beckenbauer (2016) / © Andreas Gebert ( dpa )

Im August ließ der einstige Kapitän der Elf, Lothar Matthäus, die Fußballfans aufhorchen: Der Franz habe immer gesagt, dass Gesundheit das Wichtigste im Leben sei. Die aber habe er zurzeit nicht. Nun wurde bekannt, dass Beckenbauer am Sonntag gestorben ist. Er wurde 78 Jahre alt.

Drei Bypässe und halbblind 

Vor Beginn der Winter-WM 2022 in Katar hatte der "Kaiser" die "Bunte" wissen lassen, dass es ihm den Umständen entsprechend gut gehe. Drei Bypässe waren ihm da schon gelegt worden; auf dem rechten Auge sah er infolge eines Infarkts nichts mehr. "Die Leute denken wohl, der lebt nimmer lang. Aber ich versuche, euch noch eine Weile erhalten zu bleiben", kündigte er an.

Beckenbauer stammte aus Giesing. Das Münchner Arbeiterviertel ist die Hochburg des TSV 1860. Dort kam er am 11. September 1945 zur Welt. Mit seinem älteren Bruder Walter, Mutter Antonie und Vater Franz, einem Postobersekretär, lebte die Familie nahe dem Ostfriedhof in der Wohnung der Großmutter: zwei Zimmer, im Wohnraum ein Ofen, wie sich sein Bruder erinnert. Im Winter habe man sich vor allem in der warmen Küche aufgehalten. Immer freitags wurden die Buben in einem Bottich gebadet, danach durften sie auf der Couch sitzen und im Radio das Schlager-Wunschkonzert hören.

Als Balljunge ging es los

Dass der Franz Jahre später mit "Gute Freunde kann niemand trennen" selbst einen Evergreen liefern sollte, ahnte da noch keiner. Er und Walter teilten die Leidenschaft für den Fußball; der Platz lag vor ihrem Haus. Noch heute trainieren dort die Mannschaften des SC München 1906. 

Franz Beckenbauer (1974) / © Hartmut Reeh (dpa)
Franz Beckenbauer (1974) / © Hartmut Reeh ( dpa )

Als Balljunge fing der kleine Franz im Verein an, doch sein Talent wurde schnell bemerkt. Die Legende besagt, dass er zu 1860 München habe wechseln wollen. Dann aber verpasste ihm einer von den "Sechzgern" bei einem Schülerspiel eine Watschn. Aus Trotz ging Beckenbauer 1964 zu den Bayern.

Pater bringt den Titel 

Der Rest ist Geschichte. Viermal wurde Beckenbauer mit den Bayern Deutscher Meister, viermal DFB-Pokalsieger, dreimal Europapokalsieger. In den USA wollte der Libero bei Cosmos New York, wo er mit Pele spielte, seine Karriere ausklingen lassen – bevor es 1980 doch zurück in die Bundesliga ging, zum HSV. Mit der Nationalmannschaft holte Beckenbauer 1972 den Europameister- und 1974 im Münchner Olympiastadion den Weltmeistertitel. 

16 Jahre später gelang ihm der zweite WM-Coup, diesmal als Teamchef des wiedervereinten Deutschlands. Eingeprägt haben sich die Bilder, wie er allein unter dem nächtlichen Himmel über den Rasen des römischen Stadions spaziert. Zum Turnier hatte der einstige Ministrant den Kapuziner Matthias Doll als Seelsorger mitgenommen. "Da kommt der Pater, der uns geholfen hat, Weltmeister zu werden", sagte Beckenbauer stets, wenn beide sich trafen.

Ein Treffen mit Benedikt 

Als 2005 Joseph Ratzinger Papst wurde, inspirierte ihn dies, sich wieder stärker für die Kirche zu interessieren. Die Begegnung mit seinem bayerischen Landsmann Benedikt XVI. im Oktober 2005 im Vatikan bezeichnete er als "Höhepunkt in meinem Leben". Seither sei er häufiger zur Kirche gegangen, habe jeden Tag das Vaterunser gebetet und daraus Kraft geschöpft.

Der neugewählte Papst Benedikt XVI. grüßt die Gläubigen vom Balkon des Petersdoms im Vatikan / © epa ansa Claudio Onorati/epa (dpa)
Der neugewählte Papst Benedikt XVI. grüßt die Gläubigen vom Balkon des Petersdoms im Vatikan / © epa ansa Claudio Onorati/epa ( dpa )

Einen ausgeprägten Hang zur Frömmigkeit hatte der belesene, bisweilen auch tiefgründig argumentierende Beckenbauer aber wohl weniger. "Ich denke, der Glaube an den Menschen an sich ist bei ihm ausgeprägter als der an die Kirche. Es ist mehr ein Glauben an das Soziale im Leben", beschrieb Walter seinen jüngeren Bruder. 

Dieser bekundete auch Sympathien für fernöstliche Philosophie und den Gedanken der Wiedergeburt. Sein berühmtes "Schau ma mal" hat ja auch durchaus etwas Verheißungsvolles.

Ein Stiftung für die Ewigkeit

Privat war der "Kaiser" dreimal verheiratet. Seiner letzten Gattin Heidi kam er bei einer FC-Bayern-Weihnachtsfeier näher, deren Folgener später in die Worte kleidete: "Der liebe Gott freut sich über jedes Kind." Beckenbauer war Vater von fünf. Seinen Sohn Stephan musste er 2015 beerdigen, als der mit 47 Jahren an Krebs starb. 

Dieser Schicksalsschlag und die auf die Fußball-WM in Deutschland 2006 folgenden Korruptionsvorwürfe dürften Beckenbauer zunehmend zu schaffen gemacht haben. Dabei hatte er sich doch sehr für das "Sommermärchen" ins Zeug gelegt. Die "Lichtgestalt" strahlte nun immer schwächer. 

Sein Einsatz galt weiter der vor über 40 Jahren gegründeten Franz-Beckenbauer-Stiftung, die in Not geratenen Menschen hilft. "Eine Stiftung ist ja für die Ewigkeit gemacht", sagte Beckenbauer der "Bunten" und fügte hinzu: "Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass es weitergeht, auch wenn du selbst nicht mehr da bist."

Quelle:
KNA