Schwartz sieht in Weltsynode wichtigen Anstoß für Zukunft der Kirche

"Wertvoller Move des Papstes"

Es war das erste Mal in der Kirchengeschichte, dass ein Papst Gläubige zur Teilhabe an einer Weltsynode aufgerufen hat. Vor gut einem Vierteljahr trafen sich Delegierte abschließend in Rom. Beobachter Thomas Schwartz blickt zurück.

Abschluss der Beratungen bei Weltsynode / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Abschluss der Beratungen bei Weltsynode / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie haben als Gast an der Weltbischofssynode teilgenommen. Einen ganzen Monat lang haben Sie von morgens bis abends in der Aula gesessen. Wie haben Sie das erlebt? 

Thomas Schwartz / © Dieter Mayr (KNA)
Thomas Schwartz / © Dieter Mayr ( KNA )

Prof. Thomas Schwartz (Priester und Hauptgeschäftsführer des Osteuropa-Hilfswerks Renovabis): Für mich war das eine unglaublich bereichernde Erfahrung. Ich habe die Weltkirche auf eine Weise kennengelernt, wie ich sie in meiner bisherigen Tätigkeit als Hauptgeschäftsführer von Renovabis so noch nicht erlebt hatte. Frauen und Männer aus allen Kontinenten kamen an einem Tisch zusammen. Mit ihnen zu reden, auf sie zu hören, gemeinsam zu beten und wahrzunehmen, dass man auf Augenhöhe miteinander unterwegs ist, war eine der tiefsten Erfahrungen meines Lebens. Das hat mich sehr geprägt. 

DOMRADIO.DE: Viele berichten von einer neuen Form des Miteinanders bei der Synode. In der Kirche gab es ja schon immer Strukturen der Zusammenarbeit, etwa den Synodalen Weg in Deutschland. Würden Sie sagen, dass die Synode in Rom trotzdem einen komplett neuen Ansatz darstellte? 

Schwartz: In gewisser Weise ja. Wir in Deutschland sind seit der Würzburger Synode 1975 in vielen Dingen Vorreiter gewesen, und ich denke, wir haben gute Strukturen der Partizipation entwickelt. Aber weltweit gibt es viele Regionen, wo die katholische Kirche erst jetzt als Kirche des Volkes ankommt und nicht mehr nur als Kirche der Missionare. Diese Strukturen der Teilhabe müssen in vielen Ländern erst aufgebaut werden. 

Was der Papst hier angestoßen hat, nämlich diesen synodalen Prozess in alle Gemeinden und Diözesen weltweit hineinzutragen, dieser "Move" war enorm wertvoll. 

Papst Franziskus nimmt an einer Sitzung der 16. Generalversammlung der Bischofssynode in der Halle Paul VI. im Vatikan teil. / © Alessandra Tarantino/AP (dpa)
Papst Franziskus nimmt an einer Sitzung der 16. Generalversammlung der Bischofssynode in der Halle Paul VI. im Vatikan teil. / © Alessandra Tarantino/AP ( dpa )

Wir in Deutschland können zwar stolz auf unsere Pfarrgemeinderäte und Kirchenverwaltungen sein, aber wir müssen auch darauf achten, dass die Basis unseres Handelns spirituell bleibt – ein missionarisches Christseinwollen – und nicht in reiner Verwaltung endet. 

DOMRADIO.DE: Auf einer Gemeindeebene oder nationalen Ebene Synodalität zu leben, ist das eine. Aber die Synode in Rom bezog sich auf die gesamte Weltkirche. Sie arbeiten bei Renovabis besonders mit Christen in Mittel- und Osteuropa. Wie wird dort auf eine Reform der Kirche geblickt? 

Schwartz: Da sieht die Situation in der Tat anders aus. Die Kirche in Mittel- und Osteuropa war jahrzehntelang vom Kommunismus und Sozialismus geprägt. Wir sprechen hier von fast 30 Ländern. Diese Systeme dort haben die Menschen daran gehindert, mündig zu werden und aktiv teilzunehmen. Die einzigen, die mutig genug waren, die Position des Glaubens, die Position der Kirche zu vertreten, waren oft Kleriker, die für sich dann auch in Anspruch nehmen konnten, für die Menschen zu sprechen. Sie waren bereit, für den Glauben einzutreten und dafür auch persönliche Konsequenzen wie Verfolgung und Gefängnis auf sich zu nehmen. 

Das prägt die Kirche bis heute, denn viele Entscheidungsträger kommen noch aus dieser Zeit. Gleichzeitig gibt es in der jüngeren Generation die Frage, ob und wie man weiter Kirche sein möchte. Da gibt es natürlich auch große Spannungen, weil in vielen Ländern Osteuropas schon Erfahrungen mit Synodalität gegeben sind, namentlich in den byzantinisch geprägten Kirchen oder auch in den Kirchen mit orthodoxen Hintergründen, wo die Synodalität etwas anderes ist, als wir das als Katholiken vertreten, nämlich eine sehr stark bischöflich orientierte Synodalität. 

Bischöfe und Kardinäle nehmen an einer von Papst Franziskus geleiteten Messe zum Abschluss der 16. Generalversammlung der Bischofssynode im Petersdom teil.  / © Alessandra Tarantino/AP  (dpa)
Bischöfe und Kardinäle nehmen an einer von Papst Franziskus geleiteten Messe zum Abschluss der 16. Generalversammlung der Bischofssynode im Petersdom teil. / © Alessandra Tarantino/AP ( dpa )

Mir ist aufgefallen, dass das katholische Verständnis der Synodalität anders ist als bei uns in Deutschland, wo alle zu Wort kommen können, die als Getaufte das Recht dazu haben. Das konnte man in Rom wahrnehmen. Wir in Deutschland sind zudem oft geneigt, relativ schnell mal irgendwelche Entscheidungen haben zu wollen und sind unzufrieden, wenn das länger dauert, als wir uns vorgenommen haben. 

DOMRADIO.DE: Blicken wir noch einmal auf Deutschland und den Synodalen Weg. Vor Kurzem haben die beiden geistlichen Begleiter des Prozesses ihr Amt mit der Begründung niedergelegt, der Prozess sei nicht synodal genug. Was müsste Ihrer Meinung nach passieren, damit der Synodale Weg tatsächlich im Sinne der Synodalität fortgeführt werden kann? 

Schwartz: Ich bin kein Mitglied des Synodalen Ausschusses und war auch beim Synodalen Weg nur am Rande beteiligt. Trotzdem denke ich, dass wir das, was wir in Rom erfahren haben, als Chance nutzen können. Es geht darum, weniger gegeneinander und mehr miteinander auf dem Weg zu sei und mehr aufeinander zu hören. Mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer suchen das Gute in der Position des Anderen. Die Position kann sich durchaus ganz stark von der eigenen unterscheiden, aber sie suchen gemeinsam, um den Weg in die Zukunft als Kirche gehen zu können. 

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch. 

Renovabis

Renovabis ist das jüngste der sechs katholischen weltkirchlichen Hilfswerke in Deutschland. Es wurde im März 1993 auf Anregung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) von den deutschen Bischöfen gegründet. Seither gibt es jedes Jahr eine mehrwöchige bundesweite Aktion. Sie endet jeweils am Pfingstsonntag mit einer Kollekte in den katholischen Gottesdiensten in Deutschland.

Der lateinische Name des Hilfswerks geht auf einen Bibelpsalm zurück und bedeutet "Du wirst erneuern".

 © Renovabis
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Quelle:
DR

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