DOMRADIO.DE: Sie haben an Ihrer Schule vor vier Wochen einen ukrainischen Jungen aufgenommen. Mittlerweile werden insgesamt sechs Kinder aus der Ukraine bei Ihnen unterrichtet. Für den, der als erstes gekommen ist, war das doch sicher schön, als die anderen fünf ukrainischen Kinder dazu kamen, oder?

Monika Schäfers (Schulleiterin der Erzbischöflichen Ursulinenrealschule Köln): Das kann man auf jeden Fall so sagen. Er war sehr früh bei uns, Anfang März, und natürlich ganz alleine, ein bisschen auf verlorenem Posten. Als ich ihm dann erzählte, dass noch weitere Kinder dazukommen – darunter auch ein Junge – hat er sich natürlich gefreut. Altersmäßig passte das zufälligerweise auch noch ganz gut zusammen.
DOMRADIO.DE: Und dann haben Sie die Kinder auch alle in dieselbe Klasse geschickt?
Schäfers: Nein, das haben wir nicht gemacht. Wir haben geschaut, dass die dahin kommen, wo sie schulisch hingehören. Den ersten Jungen haben wir ins sechste Schuljahr zugeordnet – auch vor dem Hintergrund, dass dort unsere "DaZ"-Fachkraft Klassenlehrerin ist. "DaZ" steht für "Deutsch als Zweitsprache". Ich selbst bin dort auch die Englischlehrerin und wollte auch meinen Teil dazutun.
DOMRADIO.DE: Können die Kinder einfach so am Unterricht teilnehmen? Dass die jetzt alle Deutsch sprechen, wage ich zu bezweifeln.
Schäfers: Die Zweifel sind berechtigt, die sprechen in der Regel kein einziges Wort Deutsch. Wir sprechen ja auch kein Ukrainisch. Im Englischunterricht kommen die Kinder gut mit. Alle, die bei uns sind, haben eigentlich Englischkenntnisse. Gott sei Dank beherrschen sie auch alle das lateinische Alphabet. Das war anfangs unsere größte Sorge – müssen wir uns jetzt mit Kyrillisch beschäftigen? Das hat man nicht so unbedingt auf dem Schirm. Aber sie können unsere Schrift lesen und auch schreiben, was von großem Vorteil ist. Und wir haben direkt gedacht, dass sie jetzt so schnell wie möglich Deutsch-Input brauchen, damit sie – unabhängig von der englischen Sprache – mit Gleichaltrigen kommunizieren können.
DOMRADIO.DE: Das heißt, sie bekommen Extra-Unterricht in Deutsch?
Schäfers: Ganz genau. Wir haben uns jetzt so aufgestellt, dass wir sie bis zu den Osterferien drei Stunden täglich mit Deutsch versorgt haben. Da wurden extra Lernmaterialien angeschafft. Ja, und wer macht das? Ich habe den Hörer in die Hand genommen und habe einfach mal unsere ehemaligen Lehrkräfte angefunkt und gefragt: Können Sie sich vorstellen, hier ein paar Flüchtlingskinder in Deutsch zu unterrichten? Natürlich haben die sich erst mal gefragt: Ob ich das überhaupt kann? Aber dann haben alle gesagt "Natürlich mache ich das". So ist das dann ins Rollen gekommen.
DOMRADIO.DE: Englisch ist der gemeinsame Nenner. Wie funktioniert die Kommunikation der Schülerinnen und Schüler sonst untereinander?
Schäfers: Jeder, der Kinder hat, weiß wie das im Urlaub läuft. Die verständigen sich zur Not mit Händen und Füßen. Und die Vorfreude der hier ansässigen Schüler und Schülerinnen war einfach so riesengroß, selbst irgendwie ihren Beitrag leisten zu können. Die haben dann einfach durch Körpersprache, mit Händen und Füßen signalisiert: "Du bist willkommen, du gehörst ab sofort zu uns, wir geben dir eine neue schulische Heimat". Und das funktioniert super. Ich kann von meinem Büro aus auf den Schulhof schauen und sehe, wie die auch Basketball oder Fußball spielen. Die Schüler haben da überhaupt gar keine Berührungsängste – ganz im Gegenteil.
DOMRADIO.DE: Die neu dazugekommen Kinder haben nun einen ganz anderen Hintergrund als die Schüler, die nicht ihre Heimat verlassen mussten und die nicht einen Krieg erlebt haben. Wie fangen Sie das auf?

Schäfers: Erst einmal signalisieren wir immer Gesprächsbereitschaft. Wir haben eine Sozialarbeiterin, die sich noch mal besonders darum kümmert. Wir haben viele Beratungsangebote durch Beratungslehrer und Schulseelsorger, auch unser Pfarrer Peters, der bereit steht. Es ist momentan aber eher so, dass die Kinder das nicht unbedingt noch mal thematisieren wollen. Es ist auch für sie manchmal schwierig, wenn wir zum Beispiel zu einem Gebet zusammenkommen und dann natürlich die deutschen Kinder sagen "Wir wollen für die Ukraine oder ukrainische Flüchtlinge beten" – das sind dann so Momente, in denen das aufbricht. Und dann dürfen die sich natürlich auch zurückziehen oder rausziehen. Das ist ganz klar.
DOMRADIO.DE: Und wie funktioniert der Kontakt mit den Eltern?
Schäfers: Das ist unterschiedlich. Manche sind ja gar nicht mit ihren Eltern hier, die sind untergekommen, zum Teil bei für sie fremden Personen. Manche haben Kontakt zu ihren Eltern übers Handy. Das habe ich im persönlichen Gespräch erfahren. Das ist dann auch tatsächlich ein sehr wunder Punkt, wenn man über die familiären Beziehungen und über die Trennung spricht. Das ist sehr belastend. Einige haben eine ältere Schwester dabei oder sind nur mit der Mutter hier. Aber die stehen in der Regel über Telefon in Kontakt mit der restlichen Familie.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.