Schon einmal zog in Österreich ein Kandidat vor der Weihe zurück

"Bitte mit der Liturgie fortzufahren"

Der Rückzug von Pfarrer Gerhard Maria Wagner vor der Bischofsweihe in Linz ist in seiner Art einzigartig: Der Pfarrer von Windischgarsten beugte sich dem Druck der österreichischen Öffentlichkeit, die ihn, den von Rom Ernannten, nicht als Hirten wünschte. Doch schon einmal hat sich ein zur Weihe Bestimmter zurückgezogen.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

Franz Jachym (1910-1984), Priester der Erzdiözese Wien und Professor der Moraltheologie, war im Frühjahr 1950 ausersehen, als Koadjutor und damit wahrscheinlicher Nachfolger dem 76-jährigen Wiener Kardinal Theodor Innitzer zur Seite zu stehen.

Die Weihe des noch jungen und modern denkenden Organisationstalents wurde in Teilen des Wiener Klerus "nicht günstig aufgenommen", so heißt es. Doch was am 23. April 1950 im Stephansdom geschah, damit hatte wohl niemand gerechnet. Mitten während des Gottesdienstes, aber noch vor der Weihehandlung, bat Jachym, "mit der Liturgie fortzufahren" - und verließ das Gotteshaus. Die Umstände des damals sensationellen Vorgangs sind bis heute ein Rätsel. Er habe sich des hohen Amtes nicht für würdig erachtet, heißt es in der historischen Überlieferung. Vielleicht haben auch persönliche oder parteipolitische Anfeindungen eine Rolle gespielt. Jachym selbst hat sich öffentlich nie mehr dazu geäußert.

Die Weihe wurde einen Monat später, nach einem Gespräch mit Papst Pius XII., in der deutschen Nationalkirche Santa Maria dell'Anima in Rom nachgeholt. Nach Innitzers Tod 1955 leitete Jachym die Erzdiözese Wien als Kapitelvikar. Allgemein wurde damit gerechnet, dass er nun auch die Nachfolge in der Hauptstadt-Diözese antreten würde. Doch wurde im Mai 1956 überraschend der St. Pöltener Bischof-Koadjutor Franz König (1905 2004) ernannt, der als eine der prägenden Gestalten in die Kirchengeschichte des 20. Jahrhunderts einging.

Jachym wurde auf Wunsch Königs als Koadjutor bestätigt, allerdings ohne das Recht der Nachfolge. Von 1969 bis 1980 diente er der Erzdiözese auch als Generalvikar. Ende November 1984 starb er, 74-jährig, bei der Eröffnung des Weihnachtsbasars.