Kirche und Organisationen verurteilen Umgang mit Sea-Watch 3

Schluss mit der Kriminalisierung der Seenotrettung

Die Debatte um den Umgang mit der Sea-Watch 3 reißt nicht ab. Während Organisationen ein Ende der Kriminalisierung der Seenotrettung fordern, stellt sich der italienische Erzbischof Giovanni Ricchiuti offen gegen die Politik des Landes.

Eine Demonstrantin hält ein Schild mit der Aufschrift "#Free Carola" in der Hand / © Federico Gambarini (dpa)
Eine Demonstrantin hält ein Schild mit der Aufschrift "#Free Carola" in der Hand / © Federico Gambarini ( dpa )

Der italienische Erzbischof und Pax-Christi-Vorsitzende Giovanni Ricchiuti hat den Umgang rechter politischer Kreise in seinem Land mit Migranten verurteilt. Er sei "empört", dass der Vorrang der menschlichen Person und des Menschenlebens für Wählerstimmen geopfert werde, sagte er der katholischen Zeitschrift "Famiglia Cristiana".

Ausdrücklich lobte er die Rückendeckung der Deutschen Bischofskonferenz für die Rettungsorganisation Sea-Watch. Auch in Italien hätte er sich eine solche gemeinsame Stellungnahme gewünscht, sagte Ricchiuti.

Der Leiter des süditalienischen Erzbistums Altamura-Gravina-Acquaviva delle Fonti sprach mit Blick auf das rechte Spektrum von einem "perversen Willen", jeden Versuch von Dialog, Menschlichkeit und Verständnis abzublocken. "Das Migrationsphänomen kann man so nicht angehen", sagte Ricchiuti.

Gegen katholische Unterstützung für Innenminister Salvini

Die Anhänger der rechten Lega, die den Landgang der Migranten von der "Sea-Watch 3" auf Lampedusa sowie die Festnahme der Kapitänin Carola Rackete mit vulgären Attacken in sozialen Medien und mit "rassistischen und sexistischen Slogans" begleitet hätten, disqualifizierten sich selbst, so Ricchiuti. Er hoffe, dass unter ihnen keine Katholiken gewesen seien; "leider fürchte ich, dass doch", sagte der Erzbischof.

Deutlich wandte sich Ricchiuti gegen eine katholische Unterstützung für Innenminister Matteo Salvini. "Es schmerzt mich und ich verstehe nicht, dass vernunftbegabte Männer und Frauen die Ansichten des Innenministers teilen können", so der Erzbischof.

Er finde es "skandalös, dass ein Teil der katholischen Welt sich in diesen Hassreden wiederfindet". Abscheu bekundete er über "in jeder Hinsicht inakzeptable Beleidigungen" wie Vergewaltigungswünsche gegenüber Rackete. "Das Maß ist voll", so Ricchiuti.

Über die Freilassung Racketes äußerte der Erzbischof Genugtuung. Mit einer anderslautenden Entscheidung hätte sich Italien aus dem Kreis der zivilisierten Länder entfernt. Mit der erzwungenen Hafeneinfahrt habe Sea-Watch "zivilen Ungehorsam" in Übereinstimmung mit auch von Italien unterzeichneten internationalen Gesetzen geübt.

Zwar hätten sich viele Bischöfe wie etwa der Turiner Erzbischof Cesare Nosiglia solidarisch mit Sea-Watch erklärt; "aber es wäre angemessen gewesen, sich gemeinsam zu rühren, wie es die deutschen Bischöfe gemacht haben", sagte Ricchiuti.

Organisationen: Kriminalisierung von Seenotrettung beenden

Die Organisationen Open Arms und Sea-Watch haben unterdessen ein Ende von Kriminalisierung der Seenotrettung gefordert. "Die Situation im Mittelmeer verschlechtert sich, und humanitäre Hilfe wird kriminalisiert", schreiben die beiden Organisationen in einem Offenen Brief an das EU-Parlament.

Die Organisationen wollen den Brief persönlich an drei der vier Parlamentspräsidentskandidaten übergeben: Ska Keller (Grüne), den italienischen Sozialdemokraten David-Maria Sassoli und die spanische Linken-Abgeordnete Sira Rego. Sie sollen die Forderungen unterschreiben. "Als Kandidaten bitten wir Sie, das grundlegendste Prinzip von allen zu verteidigen: Jedes einzelne Leben ist gleichwertig und wert, gerettet zu werden", heißt es in dem Brief.

Zudem fordern die Organisationen, dass die Untersuchung gegen die Kapitänin der "Sea-Watch 3", Carola Rackete, beendet werden. Der Hausarrest gegen Rackete wurde am Dienstagabend aufgehoben. Sie hatte ohne Erlaubnis auf der Insel Lampedusa angelegt; auf ihrem Schiff befanden sich 40 gerettete Flüchtlinge und Migranten.

Laut Open Arms und Sea-Watch starben im Mittelmeer 1.151 Menschen, seit Italien seine Häfen für Flüchtlinge geschlossen hat. Mindestens 18 Situationen seien dokumentiert, in denen Rettungsschiffe mit humanitärer Mission blockiert worden seien.


Italiens Innenminister Salvini vor einem Monitor, auf dem Sea-Watch-Kapitänin Rackete / © Carlo Cozzoli (dpa)
Italiens Innenminister Salvini vor einem Monitor, auf dem Sea-Watch-Kapitänin Rackete / © Carlo Cozzoli ( dpa )

Flüchtlingsschiff "Sea-Watch" / © Salvatore Cavalli (dpa)
Flüchtlingsschiff "Sea-Watch" / © Salvatore Cavalli ( dpa )
Quelle:
KNA
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