Schlagzeilen über einen Bericht zu Korruption in kirchlichen Hilfswerken lassen Emotionen hochkochen - Hilfswerke im domradio

Wirbel um ein Papier

Ein Papier sorgt für Wirbel. Drei Jahre lang arbeitete eine kleine Expertenrunde mit Unterstützung von Transparency International zu einem brisanten Thema: Korruption in der kirchlichen Entwicklungshilfe. Das Ergebnis ist ein Bericht, der als Dokument zum internen Gebrauch an Dutzende Hilfswerke ging. Nun wurde er publik - und schlägt hohe Wellen. Im domradio erklärt Jürgen Liese von Caritas International die schwierige Situation für kirchliche Hilfswerke.

 (DR)

"Es ist richtig dass es Korruptionen und Spendenmissbrauch bei kirchlichen Organisationen gibt", so der stellvertretenden Abteilungsleiter bei Caritas International. Missbrauch werde man nicht zu hundert Prozent ausschließen können. "Wenn wir das Risiko, dass Projektgelder missbräuchlich verwendet werden oder Korruption stattfindet, auf Null reduzieren wollen, müssten wir unsere Arbeit einstellen." Hören Sie hier das Inerview in voller Länge.

Das Bischöfliche Hilfswerk Misereor begrüßte die Studie. Mit den Forderungen nach mehr Transparenz und besserer Kontrolle renne Transparency offene Türen ein, sagte der Geschäftsführer Internationale Zusammenarbeit, Martin Bröckelmann-Simon, der KNA in Aachen. "Wir haben uns schon oft anhören müssen, was für eine bürokratische Organisation wir seien:" Trotz aller Bemühungen könne individuelles Fehlverhalten bei den Projektpartnern wie etwa Machtmissbrauch oder die Nutzung von Fahrzeugen für private Zwecke aber nicht völlig verhindert werden.

Strittig ist nun die Auslegung
«Dieses Papier beschreibt Schwachstellen und mögliche Einfallstore für Korruption», schreiben die sieben Experten einleitend, die zumeist aus der kirchlichen Entwicklungshilfe kommen. Ihr Ziel war, die Vorbeugung und Bekämpfung der Korruption zu verstärken und das Thema aus der Tabuzone zu holen. Sie listeten unterschiedliche Formen von Bestechung, Missbrauch und Vetternwirtschaft auf, suchten nach den Ursachen, beleuchteten Strukturen, betrachten die Bekämpfung der Korruption und schlagen weitere Schritte vor.

Strittig ist nun die Auslegung des 34-seitigen «Arbeitspapiers», das dem epd vorliegt. Handelt es sich um einen Tatsachen- und Enthüllungsbericht oder um eine Auflistung, was möglicherweise passieren kann? Die Autoren stützen sich auf nicht näher bezeichnete «Beobachtungen in der Praxis», nennen aber keine Namen, Organisationen oder Länder. Auch sagen sie nichts zu Häufigkeit und Ausmaß korrupter Praktiken in der kirchlichen Entwicklungsarbeit.

In Medien sehen sich viele Organisationen aber in ein schiefes Licht gerückt. «Wenn die Aufsicht versagt - Christliche Hilfswerke: Zu viel Hierarchie, zu wenig Kontrolle», titelte die «Frankfurter Rundschau» provokativ am Donnerstag. «Der Bericht zeigt auf Grundlage zahlreicher Beispiele aus der Praxis, wie Mittel veruntreut werden», heißt es. «So wird Geld für andere Zwecke ausgegeben als vereinbart, fiktive Personen erhalten Gehälter, Hilfsfahrzeuge werden als Taxis genutzt, Hilfsgüter privat verbraucht oder verkauft, überhöhte Preise abgerechnet und Belege gefälscht.»

UNICEF-Skandal ist noch präsent
Der Skandal wegen der Verschwendungsvorwürfe gegen UNICEF Deutschland ist noch präsent. «Ich glaube, dass dieser Artikel auf einen Boden fällt, der allgemein etwas vergiftet ist durch das Misstrauen gegenüber Spendenorganisationen», bedauert der Geschäftsführer des katholischen Hilfswerks Misereor, Martin Bröckelmann-Simon und befürchtet einen allgemeinen Spendenrückgang.

«Vieles, was hier steht, entbehrt jeder Grundlage», sagt Oliver Müller, der Leiter von Caritas international. «Wir werden auf Herz und Nieren geprüft.» Natürlich arbeite man in Hochrisikoländern, was Korruption angehe. Manchmal müsse man eben Verzögerungen bei Projekten in Kauf nehmen, weil die Behörden auf Schmiergeld hofften.

Einzelfälle
Müller räumt Einzelfälle ein: In kirchlichen Projekten arbeiteten «auch nur normale Menschen», auch ein Bischof könne fehlgehen. Allerdings sieht er die kirchlichen Organisationen gut gerüstet, auch durch ihre «Spenden-Ethik», der Korruption Einhalt zu gebieten. «Mafiöse Strukturen» oder dass man nach zwei Jahren Projektlaufzeit «plötzlich eine Riesenkorruption feststellt», habe er in 15 Arbeitsjahren noch nie erlebt.

Der Vorstandsvorsitzende des Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED), Konrad von Bonin, sieht die kirchlichen Werke im Kampf gegen Korruption als Vorreiter. «Denn Korruption ist eines der größten Entwicklungshindernisse.» Partnerorganisationen würden in Buchhaltung und Finanzkontrolle geschult und verpflichtet, sich unabhängigen Wirtschaftsprüfungen zu unterziehen. Auch «Brot für die Welt» verweist auf seine Anti-Korruptions-Richtlinie und entsprechende Mitarbeiterschulungen. «Wir sind bestrebt, Transparenz zu zeigen», sagt «Brot-für-die-Welt»-Sprecher Stefan Liebischvor Ort zu erörtern.