Schächt-Verbot ist laut Gerichtsurteil rechtens

Fleisch trotzdem zugänglich

Der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg hat eine Sammelklage von Juden und Muslimen aus Belgien zurückgewiesen. Diese hatten sich gegen ein Schächt-Verbot gewandt, weil es gegen die Religionsfreiheit verstoße.

Schächt-Verbot ist laut Gerichtsurteil rechtens / © Elliot Photography (shutterstock)
Schächt-Verbot ist laut Gerichtsurteil rechtens / © Elliot Photography ( shutterstock )

Staaten dürfen laut einem Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) jüdischen und islamischen Religionsgemeinschaften das Schächten, also das betäubungslose Töten von Schlachttieren durch Ausbluten, verbieten. Die Straßburger Richter wiesen in ihrer am Dienstag veröffentlichten Entscheidung die Sammelklagen von Juden und Muslimen aus Belgien zurück.

Die rituelle Schlachtung ohne Betäubung hat in Islam und Judentum einen hohen Stellenwert. Gläubigen dürfen Fleisch nur verzehren, wenn das Tier ausgeblutet ist. In Deutschland ist das Schächten für Muslime und Juden in strengen Ausnahmefällen und nach behördlicher Genehmigung erlaubt.

Schächten

Das Schächten ist eine in Islam und Judentum vorgeschriebene rituelle Schlachtmethode, die den Verzehr von unblutigem Fleisch ermöglicht. Dabei werden den Tieren die Halsschlagadern sowie die Luft- und Speiseröhre mit einem Schnitt durchtrennt. Auf eine Betäubung wird verzichtet, so dass das Tier wegen des noch aktiven Kreislaufs vollständig ausbluten kann. Der Genuss von Blut ist in beiden Religionen verboten. In Deutschland ist das Schächten mit Blick auf die Religionsfreiheit unter Auflagen erlaubt.

Beim Schächten geht es um das vollständige Ausbluten von Tieren (shutterstock)
Beim Schächten geht es um das vollständige Ausbluten von Tieren / ( shutterstock )

Urteil noch nicht rechtskräftig

Der EGMR wies die Klagen aus Belgien ab. Mit Blick auf das Leid der Tiere beim betäubungslosen Schlachten sei die mit dem Verbot des Schächtens verbundene Einschränkung der Religionsfreiheit rechtens. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ein Einspruch ist innerhalb von drei Monaten möglich. Bei Annahme des Einspruchs würde die große Kammer des Menschenrechtsgerichtshof die Beschwerden noch einmal behandeln.

Konkret ging es im Straßburger Urteil um Gesetze in der Flämischen und Wallonischen Region in Belgien. Dort traten nach langer parlamentarischer Diskussion 2017 beziehungsweise 2018 Verbote des Schächtens in Kraft. Dagegen klagten islamische Verbände sowie jüdische und muslimische Einzelpersonen.

Wachsende Bedeutung des Tierwohls

Das belgische Verfassungsgericht wies die Klagen ab. Es stützte sich dabei auch auf die Argumentation des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), dem die Verfassungsrichter den Fall vorlegten.

Der Menschenrechtsgerichtshof schloss sich nun dem Urteil an. Zwar sei das Schächtverbot ein klarer Eingriff in die Religionsfreiheit. Die in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Religionsfreiheit dürfe aber nicht absolut angeführt werden, ohne das Tierwohl zu betrachten. Entscheidend sei auch, dass die Gesellschaften in Europa dem Tierwohl und Tierschutz einen wachsende Bedeutung zumessen.

"Zum Schutz der öffentlichen Moral"

Laut Menschenrechtskonvention darf die Religionsfreiheit eingeschränkt werden, wenn dies notwendig ist für die öffentliche Sicherheit, zum Schutz der öffentlichen Ordnung, Gesundheit oder Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Der EGMR legte den Schutz der öffentlichen Moral nun erstmals auch im Blick auf den Tierschutz aus.

Zugleich betonten die Richter, dass das Schächtverbot in den beiden belgischen Regionen keineswegs bedeutet, dass religiöse Muslime und Juden keinen Zugang zu nach ihren religiösen Vorschriften geschlachtetem Fleisch hätten. So könne entsprechendes Fleisch aus Ländern importiert werden, wo das Schächten erlaubt ist. Zudem ist das religiöse Schächten auch in der dritten belgischen Hauptstadtregion Brüssel erlaubt. Eine dortige Gesetzesinitiative zum Verbot fand zuletzt keine Mehrheit.

Quelle:
KNA