Sargträger werden vielerorts dringend gesucht

"Nicht mal eben den Sarg wohin gebracht"

Sie geleiten einen Verstorbenen zum Grab und sorgen bei einer Beerdigung für einen würdigen Rahmen. Aber vielerorts wird es für Bestatter immer härter, Sarg- und Urnenträger zu finden. Der Zuverdienst macht die Tätigkeit attraktiv.

Autor/in:
Angelika Prauß
Sargträger vor einer Kirche / © Corinne Simon (KNA)
Sargträger vor einer Kirche / © Corinne Simon ( KNA )

Oliver Fleischer hat keine Berührungsängste mit dem Tod. Seit über acht Jahren arbeitet der bekannte Theater- und Fernsehschauspieler nebenberuflich als Sargträger.

Bis zu vier Mal in der Woche geht er auf den Friedhof; Beerdigungen seien für ihn "ein Stück Normalität geworden", erklärte der 48-Jährige jüngst bei einer Online-Veranstaltung des Kuratoriums Deutsche Friedhofskultur in Unna. Durch seine Tätigkeit habe er zwar noch Respekt vor dem Tod, aber keine Angst mehr.

Sargträger vor einer Kirche / © Corinne Simon (KNA)
Sargträger vor einer Kirche / © Corinne Simon ( KNA )

Fleischer bedauert, dass dieser "Dienst an der Gesellschaft" kaum noch von Menschen aus dem Umfeld von Verstorbenen übernommen werde. Er bekommt die Nachwuchsprobleme für diese Aufgabe mit. Er habe deshalb schon gezielt Werbung bei Studenten gemacht, so der Künstler.

"Mit Kellnern ist schwieriger, Geld zu verdienen - das hat sich rumgesprochen - und dann wurden es mehr."

Alle sind willkommen

Fabian Reiners vom Trägerservice Im Bestattungswesen kennt das Problem. Denn Angehörige seien selten in der Verfassung, den Sarg eines Angehörigen beizusetzen. Trotz Werbung in den Sozialen Medien und Printwerbung via Aushängen und Flyern findet Reiners in Mönchengladbach keine Mitarbeiter. Das habe bereits dazu geführt, dass er kein Personal hatte - und Bestattungen sogar verlegt werden mussten.

Eine Frau auf einer Beerdigung / © Kzenon (shutterstock)
Eine Frau auf einer Beerdigung / © Kzenon ( shutterstock )

Reiners beschäftigt 35 Sarg- und Urnenträger, alle männlich und im Ruhestand, da die meisten Beerdigungen vormittags stattfinden. Aber auch Frauen seien für diesen Dienst willkommen. Körperlich belastbar sollten Interessenten sein, "da die Särge auch mal 150 Kilogramm und mehr wiegen können".

Technische Hilfsmittel

In den Köpfen vieler Menschen sei der klassische Sargträger kein Jugendlicher und auch keine Frau, nennt Daniel Buteweg vom Überführungsservice Niederrhein einen Grund, warum sich manche Menschen nicht in dieser Aufgabe sehen. "Die meisten denken dabei an einen Frührentner mit ergrautem Haar."

Körperliche Belastbarkeit spiele eine untergeordnete Rolle, findet Buteweg. Denn inzwischen gebe es auch technische Hilfsmittel wie einen Wagen zum Transport des Sarges zum Grab, sagt Buteweg. Wenn sechs Sargträger im Einsatz sind, lasse sich ein Sarg - Durchschnittsgewicht 130 Kilogramm - gut tragen und mit speziellen Seilen ins Erdreich absenken.

Eine Beerdigung mit einem Sarg-Wagen in der norditalienischen Stadt Bergamo während der Corona-Pandemie / © Claudio Furlan (dpa)
Eine Beerdigung mit einem Sarg-Wagen in der norditalienischen Stadt Bergamo während der Corona-Pandemie / © Claudio Furlan ( dpa )

Auch bei ihm am Niederrhein seien es besonders ältere Männer, die diesen Dienst versehen. Auch wenn es auf dem Friedhof mit dem nötigen Feingefühl und Respekt zugehe - "wir sind ein lockerer Haufen", sagt Buteweg. Die Arbeit auf einem Friedhof sei ein schwieriges Umfeld; da sei es wichtig, "Spaß an der Arbeit zu haben".

Rente aufbessern

Viele seiner Mitarbeiter seien nach der Rente in ein Vakuum gefallen. Manchen gehe auch die Ehefrau "auf den Keks", wenn sie nur zu Hause herumsitzen, sagt Buteweg und schmunzelt. "Sie freuen sich dann, wenn sie sich hier treffen können und eine sinnvolle Aufgabe haben." Und nicht nur das: Die Tätigkeit sei auch ein willkommener Zuverdienst auf Minijob-Basis, um die Rente aufzubessern.

Stadt stellt kein Personal

Noch vor einigen Jahrzehnten seien Sargträger oft von kirchlichen Bruderschaften gestellt worden, die ihre Verstorbenen zum Grab geleiteten, weiß der Bonner Bestatter Werner Kentrup. Danach habe er in der Universitätsstadt lange Zeit "fast nur junge Leute" für diesen Dienst beschäftigt.

Weil es für ihn zunehmend schwieriger geworden ist, Sargträger zu finden und die Stadt dafür kein Personal mehr beschäftige, sei er inzwischen mit eigenem Team am Start.

Attraktiver Hinzuverdienst 

Rentner setzt er bei diesem "Ehrendienst" nicht mehr ein. "Männer 60 plus werden zwar lebenserfahrener, aber körperlich nicht fitter." Dafür tragen inzwischen auch Mitarbeiterinnen seines Bestattungshauses einen Sarg mit zum Grab. Und auch Menschen, die im Schichtdienst arbeiten, sind aus Kentrups Beobachtung mitunter froh um den Zuverdienst: So arbeiten mehrere Feuerwehrleute, Rettungssanitäter und Mitarbeiter des Ordnungsamtes bei ihm.

Coaching für respektvollen Ablauf

Dem Bestatter ist es wichtig, dass Sargträger ordentlich aussehen und sich in dem sensiblen Augenblick des Totengeleits und der Beisetzung respektvoll verhalten. "Sie machen einen wertvollen Job - das ist nicht einfach den Sarg mal schnell wohin gebracht."

Sargträger tragen den mit der königlichen Standarte von Schottland drapierten Sarg von Königin Elizabeth II.  / © Alkis Konstantinidis/Pool Reuters (dpa)
Sargträger tragen den mit der königlichen Standarte von Schottland drapierten Sarg von Königin Elizabeth II. / © Alkis Konstantinidis/Pool Reuters ( dpa )

Damit die Bestattung würdevoll abläuft, werden neue Mitarbeiter von Kentrup gecoacht. Erdbestattungen seien viel emotionaler als Urnenbestattungen, weiß der Bonner. Beim Herablassen des Sarges in die Erde werde den Angehörigen bewusst, dass das Leben des Verstorbenen nun wirklich zu Ende sei und dessen Körper nun in der Erde ruhe, "das ist für die Hinterbliebenen oft sehr ergreifend".

Dienst am Nächsten

Als Sargträger Menschen auf ihrem letzten Weg zu begleiten, hat für Kentrup auch etwas zu tun mit Respekt vor dem Verstorbenen und dem Brauchtum sowie dem Dienst am Nächsten. Eine Haltung, die noch immer geschätzt wird und eine wichtige Erfahrung fürs Leben sein kann.

Das weiß er aus Erzählungen von seinen Studenten. "Wenn sie bei einer Bewerbung ein Zeugnis über ihr mitunter jahrelanges Amt vorlegen können, dann ist das immer ein Thema bei Bewerbungsgesprächen - und oft ein Türöffner für einen neuen Job."

Das Stichwort: Friedhofskultur

Die Friedhofskultur in Deutschland ist seit 2020 "immaterielles Kulturerbe". Auf Empfehlung der Deutschen Unesco-Kommission beschloss die Kultusministerkonferenz im März 2020 die Aufnahme in das bundesweite Kulturerbe-Verzeichnis.

Das immaterielle Erbe Friedhofskultur bezieht sich dabei "auf das, was Menschen auf dem Friedhof tun - trauern, erinnern und gedenken" sowie auf das Gestalten, Pflegen und Bewahren. Es sind also nicht die Friedhöfe selbst, die zum Unesco-Welterbe ernannt wurden, das wäre quasi materielles Erbe.

Friedhof im Frühling / © Harald Oppitz (KNA)
Friedhof im Frühling / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA